Anleitung zur antisemitischen Revolution

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By Sebastian Reinfeldt

Wie in einer Nussschale enthält der Vortrag der als „Revolutionsikone“ angekündigten Leila Khaled, den sie am 15.4. 2016 in Wien gehalten hat, eine erschreckende Mischung aus Freiheitskampfrhetorik und offenem, unverholenen Antisemitismus. Von der Figur der „Kindermörder Israel“ über den angeblichen „Holocaust in der Westbank“ bis zur „internationalen Verschwörung“ hat die Rednerin kein Stereotyp ausgelassen. Mit links im Sinne von emanzipatorisch hat dieser Diskurs allerdings gar nichts zu tun.

„Land without a people…“

Die Freiheit ist kostbar, und das „Heimatland“ auch. Dieser Aussage, die am Anfang des Wiener Referates von Khaled stand, würden noch viele Menschen zustimmen. Von der FPÖ bis hin zu einigen linken Gruppen. Die Palästinenser seien in dieser Weltsicht so etwas wie die universellen Flüchtlinge, das unterdrückte Subjekt unserer Zeit. Wie die Flüchtlinge weltweit würden sie nur in Zelten leben, und gebrauchte Kleidung tragen. Ohne ihre Heimat lebten sie in Lagern, und für ihre Lage gebe es nur eine verantwortliche Kraft: Israel.

Denn das Land für die PalästinenserInnen sei ja da. Es gebe ihnen gegenüber aber eine Gruppe, die behaupte: „a land without a people, people without a land.“ Damit paraphrasiert sie eine Formulierung, die der zionistischen Bewegung zugeschrieben wird. So jedenfalls setzt sie den Selbstverteidigungsdiskurs auf, in dem Gewalt niemals als pure Aggression auftaucht, sondern als legitime Gegenwehr. Der erste Gewaltakt wird dabei dem Gegenüber zugeschrieben, und sei er noch so konstruiert wie im vorliegenden Fall. ** Es gebe ein angestammtes, exklusives Recht auf das Stück Land seitens der Palästinenser. Der israelische Staat hingegen sei künstlich (eine zentrale semantische Opposition: natürlicher Staat versus künstlicher Staat), da er auf einer Lüge aufgebaut sei, die von den Imperialisten weltweit unterstützt würde.

Drei antisemitische Argumentationsfiguren

Seit 1967 ist es das erklärte Ziel der Person Leila Khaled und ihrer Gruppe PFLP, Israel zu bekämpfen. Dabei sei der Einsatz von Waffen jeder Art legitim. Der Befreiungskampf, für den Khaled steht, führt aktuell direkt zur Boykott-Bewegung des BDS. Diese würde von Tausenden unterstützt, diese Kampagne ist das zentrale politische Instrument gegen die Existenz Israels.

Dieser Kampf wird gleich durch drei antisemitische Argumentationsfiguren gerechtfertigt. Zum einen der Behauptung, Israel sei ein Apartheid-Staat so wie Südafrika dies war. Doch Südafrika war nicht der Zufluchtsort einer Minderheit, die in den Gaskammern von Auschwitz fast vollständig ausgemerzt worden waren. Die Rassentrennung in Südafrika war die direkte Konsequenz eines Kolonialrassismus, der die universelle Überlegenheit der weißen Rasse behauptet hatte, eines Kolonialrassismus mit handfesten ökonomischen Interessen an der Ausbeutung der Bodenschätze des Landes. Nichts davon trifft auf Israel zu. Jüdische Identität hat nichts, aber auch gar nicht mit einer Rassenzugehörigkeit zu tun. Das hat zuletzt die völkische Rassenkunde behauptet und es scheint nunmehr die Meinung einiger Linker rund um BDS und der PFLP zu sein. Die Gleichsetzung Israels mit Südafrika ist sachlich absurd, sie ist in dieser Absurdität eindeutig eine antisemitische Tat, insofern BDS ja reale Auswirkungen in der Welt hat.

Die zweite antisemitische Argumentationsfigur ist die, dass die Palästinenser Opfer eines zweiten Holocaust seien, der nun in der Westbank ausgeübt werde. Auch das behauptet Khaled in ihrer Wiener Rede. Die Erinnerung an die Shoa würde von „den Juden“ instrumentalsiert, meint sie: „Ein Holocaust. Ich heiße ihn nicht gut. Aber sieht denn niemand, was mit uns passiert, mit den Palästinensern?“ Die früheren Opfer würden jetzt Täter, dadurch relativiert sich das Einzigartige, was ihnen angetan wurde. Israel tilge die Schuld der früheren Täter, indem es als imperialistischer Brückenkopf in der Region fungiere.

Die dritte antisemitische Argumentationsfigur führt direkt in den deutschen Idealismus, der dem Nationaloszialismus den Weg bereitet hat: Es gebe nämlich, so Khaled, einen jüdischen Geist bzw. Charkter: „Der jüdische Geist [jewish mind] fühlt sich überlegen, zerstört jedes Land in seiner Umgebung, das eine Zivilisation hat. […] Aber nun gibt es ein Hindernis für ihre Zerstörung: die Flüchtlinge.“ Hier wird wiederholt die Figur des heimatlosen palästinensischen Flüchtlings konstruiert, der dem zerstörerischen jüdischen Geist gegenüber steht.

Nun darf es nicht verwundern, dass all diese Figuren in einer universellen Verschwörungstheorie enden. Die arabischen Frühlinge seien von den USA befeuert worden. Syriens Machhaber Assad wird von diesen als ein Diktator hingestellt, und auch der IS/Daesh sei eine Erfindung der USA.


* Das ist insgesamt ein antisemitisches Gesudere, das mit Analyse und möglicherweise berechtigter Kritik nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Völkische und antisemitische Figuren werden in einer Rede zu einer grauenhaften Melange vermischt, in der über ein normales manichäisches Denken weit hinaus gegangen wird. Für eine aufgeklärte, auch radikale Linke, kann es nur eine Antwort geben: Das hat mit uns nichts, aber auch gar nichts zu tun.

** Diese Passage wurde aufgrund eines Hinweises geändert. Die Anspielung geht offensichtlich nicht in Richtung Volk ohne Raum, sondern in Richtung der zionistischen Bewegung.

In dieser Audiodatei hat eine Besucherin den Vortrag von Khaled aufgrund ihrer Mitschriften auf 15 Minuten zusammengefasst. Der Text gibt gut den Inhalt und den Duktus der Rede wieder. Danke sehr, dass wir das hier verwenden dürfen!

 

 

 

 

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