Das neue Suchtmittelgesetz: Drogenpolitik durch den Boulevard

Foto des Autors

By Sebastian Reinfeldt

Heute tritt ein neues verschärftes Suchtgiftmittelgesetzes in Kraft. Das Gesetz geht in eine völlig falsche Richtung, meint Christoph Ulbrich. Denn es operiert mit veralteten und untauglichen Instrumenten. Und SPÖ und Grüne tun mit, trotz anders lautender Parteitagsbeschlüsse.


Die Drogenszene in Wien hat sich in den letzten Monaten entlang der Linie U6 sichtbar ausgebreitet. Von einer „vollkommen inakzeptablen Situation“ spricht deswegen der grüne (sic!) Bezirksvorsteher von Neubau, Thomas Blimlinger. SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim hat eine Verschärfung des Suchtgiftmittelgesetzes im Eiltempo durch den Nationalrat bekommen. Das verschärfte Gesetz tritt am 1. Juni in Kraft.
Das der Ruf nach härteren Gesetzen ausgerechnet von SPÖ und Grünen kommt, wundert insofern, als sowohl die SPÖ als auch die Grünen in ihren Parteiprogramm das Gegenteil fordern. Nämlich die Entkriminalisierung bzw. Legalisierung von Cannabis. Aber was ist schon das Parteiprogramm in der von der Boulevardpresse getriebenen Tagespolitik rund um die angebliche Drogenlinie U6.
Dabei wäre das Problem mit dem illegalen Drogenhandel eigentlich ganz leicht zu lösen. Der allergrößte Teil der gedealten Drogen ist Cannabis. Es wäre ein einfaches Cannabis zu legalisieren und in den Gürtelbögen ein paar Coffeeshops zu eröffnen. International geht der Trend in genau diese Richtung. SPÖ und Grüne wissen das natürlich. Aber wenn der Boulevard das Gegenteil fordert…

Dieser „War on Drugs“ ist nicht zu gewinnen

Vor mittlerweile drei Jahren kam die Global Commission on Drug Policy unter Leitung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zum Schluss: „Der Krieg gegen Drogen ist nicht gewonnen und wird niemals gewonnen werden.“ Die Kriminalisierungspolitik verringert den Drogenkonsum nicht, befeuert aber die organisierte Kriminalität.
Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am deutschen Bundesgerichtshof und damit einer der prominentesten Strafrechtler Deutschlands, sagte unlängst: „Suchtbekämpfung ist keine Aufgabe des Strafrechts.“ Der Chor der Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Mediziner, die eine andere Suchtpolitik fordern, wird international immer lauter.

In Amerika ist man längst zwei Schritte weiter. Immer mehr US-Bundesstaaten legalisieren Cannabis. Viele südamerikanische Staaten, die unter der Macht der Drogenkartelle leiden, schlagen den gleichen Weg ein, um die wichtigste Geldquelle der organisierten Kriminalität trocken zu legen. Die ersten Bilanzen zeigen, dass der Drogenkonsum durch die Legalisierung nicht zunimmt.

Was geht eigentlich den Staat der Drogenkonsum an?

Man kann die Frage der Legalisierung von (zumindest weichen) Drogen aber auch grundsätzlicher stellen: Eigenverantwortung ist zum Mantra der Politik geworden. Die Pensionsvorsorge, die Ausbildung, die eigene Gesundheit. Der „schlanke Staat“ hat die Verantwortung für immer mehr Lebensbereiche an seine Bürger ausgelagert. Umso merkwürdiger, dass der selbe Staat seinen Bürgern über das Strafgesetzbuch vorschreibt, was sie mit ihrem Körper nicht anstellen dürfen. Das kollektivistische Bedürfnis, Menschen vor sich selbst zu schützen, ist in Wahrheit längst anachronistisch.
Ein Verbot hält auch praktisch niemanden vom Konsum ab. Laut Statistik haben – trotz Verbot – 25% der über 15-jährigen ÖsterreicherInnen schon einmal Cannabis konsumiert. Die meisten davon hören dann aber auch bald wieder auf. (Anmerkung: Zu dieser Gruppe von Konsumenten zähle ich mich auch. Mein letzter Joint ist so lange her, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann. Was ich aber weiß ist, dass das die Frage legal oder illegal auf meine Konsumentscheidung keine Auswirkung hatte oder hat)

Oder anders gefragt: Würden Sie sich Heroin spritzen, wenn es nicht strafbar wäre?

Die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt nicht

Keine Frage, Cannabis ist nicht völlig harmlos. Kiffen kann in Einzelfällen schwere gesundheitliche Folgen haben, die das Gesundheitssystem belasten und persönliches Leid verursachen. Aber das gilt für Motorradfahren auch. Die Frage ist also: Stimmt die Kosten-Nutzen-Rechnung? Enorme Ressourcen werden jedes Jahr für die Verfolgung von Konsumenten aufgewandt. Wofür eigentlich? Die Zahl der Cannabis-Konsumenten ist – das zeigen die USA – mit oder ohne Legalisierung relativ gleich.
Die Kosten, die durch den Cannabiskonsum im Gesundheitssystem entstehen, entstehen also sowieso. Aus Sicht des Staates ist es somit ökonomisch sinnvoller, wenn die Konsumenten diese Kosten – so wie bei Zigaretten und Alkohol auch – über Steuer selbst tragen.

Es ist ziemlich sicher nur eine Frage der Zeit, bis man auch in Österreich Cannabis legal kaufen kann – auch wenn das heute in Kraft tretende Gesetz ein Schritt zurück ist. Bis dahin werden noch unzählige Staatsanwalts- und Richterstunden verbraucht werden, der Drogenhandel Milliarden in die Kassen der organisierten Kriminalität spülen und tausende harmlose Konsumenten Vorstrafen kassieren. Wozu eigentlich?

Foto: CC Fu-tography.com

2 Gedanken zu „Das neue Suchtmittelgesetz: Drogenpolitik durch den Boulevard“

Schreibe einen Kommentar