Identitäre Medienstrategien – und warum ich die große Vermischung will!

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By Sebastian Reinfeldt

„Um der journalistischen Aufgabe einer gründlichen Einordnung nachzukommen, braucht es eine Auseinandersetzung mit den neuen Ausprägungen von Rechtsextremismus. Springerstiefel und Hitlergrüße sind schon lange nicht mehr einzige Indikatoren für rechtsextreme Taten und faschistoides Gedankengut.“ Da hat Olivera Stajic in ihrem Standard-Kommentar Recht. Die Darstellung der Identitären in den Medien ist deshalb problematisch, weil die medialen Bilder und ihre Berichterstattung ein wesentlicher Bestandteil der rechtsextremen und rassistischen Inszenierung sind. Das lässt sich an Beispielen belegen. Wir müssen hier die Scheinobjektivität aufgeben, denn die rechtsextreme Inszenierung rechnet mit ihr! Eine Intervention von Sebastian Reinfeldt.

Als Beispiel dient mir hier die Berichterstattung der Zeitung Die Presse über die Attacke an der Universität Klagenfurt. Damit verbindet sich aber keineswegs die Aussage, dass es in den Redaktionsräumen dieser Zeitung SympathisantInnen der Identitären gäbe, sondern es sind „ganz normale“ Kolleginnen und Kollegen, die im Falle einer Information, nämlich dass an der Uni Klagenfurt etwas passiert sei (und die nicht vor Ort waren), die Geschehnisse in kürzester Zeit in sprachliche und bildliche Bilder kleiden müssen. Sie arbeiten dabei mit Material der Agenturen.

Rechtsextreme Aktionen als performative Akte

Die aktive Gruppe wird in der Überschrift zwar distanzierend in Anführungsstriche gesetzt, die Aktion selber als „Sturm einer Vorlesung“ in Klagenfurt eingeordnet.

Aktivisten der „Identitären“ haben am Donnerstagnachmittag eine Vorlesung an der Universität Klagenfurt gestürmt.

Als Bild wird ein Foto, offenbar der Gruppe selber, verwendet, das von der APA verbreitet worden ist. Es zeigt die identitäre Performance. Die Strategie der rechtsextremen Gruppe ist es offenbar, durch ihre Aktionen eine Gegengeschichte zu erzählen, eine Geschichte vom angeblich untergründigen Kampf einer Avantgarde der weißen Rasse gegen die liberale Vermischung von Menschen und Gedanken. Sie wollen die Geschichte eines Rassenkrieges erzählen, der unter der Oberfläche tobe, und den sie zur Sichtbarkeit bringen. Doch wird dieser Rassenkrieg erst durch ihre Inszenierung in Kraft gesetzt. Sie kapern eine Veranstaltung, die thematisch zur geplanten Inszenierung passt, und führen eine künstlerische Performance auf. Im Falle des Angriffs auf eine Ringvorlesung zum Thema Flucht und Asyl wurde dabei folgendes in Szene gesetzt:

Die Identitären waren auf unterschiedliche Weise verkleidet. Einer hatte sich laut Rektor Vitouch ein mittelalterliches Holzjoch umgeschnallt, ein anderer trug eine Burka. Nach Angaben der Polizei inszenierte die rechtsextreme Gruppe in dem Hörsaal mit Steinen aus Styropor eine Steinigung. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Die Bilder, die dabei gezeigt werden, stellen nicht irgendetwas Störendes dar, sie setzen eine andere Lesweise in die Realität um, indem sie eine ganz andere Lesweise zum Thema Flucht und Asyl anbieten, nämlich die einer kulturellen Umwertung, in der die Geflüchteten als Träger einer fremden und bedrohlichen Kultur bedeutet werden. Damit knüpfen die Identitären an die momentane politische Debatte um Flucht und Asyl an. Sie unterscheiden sich von dem Deutungsmuster, das der österreichische Außenminister Sebastian Kurz oder dem Verteidigungsminster Hans Peter Doskozil anführen, indem sie die Bedrohung nicht als Sicherheits- und Kapazitätsproblem darstellen, sondern als Bedrohung für eine von den Identitären konstruierte weiße, männlich konnotierte österreichische Identität. Man beachte nur die Kleidung des Mannes, der in der Inszenierung das Joch trägt.

Rassistische Erzählungen in Hörsälen durch Attacken auf Menschen

Die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltungen werden somit zum Publikum einer rassistischen Erzählung umfunktioniert. Das Überraschungsmoment – die Zeit, die es braucht, bis das Publikum begreift, was gerade passiert – hilft dabei, diese rassistische Erzählung störungsfrei vorzustellen. Die Geschehnisse sind jedoch keine Kunstaktion, sondern eine politisch motivierte Attacke gegen Menschen, nämlich die Geflüchteten und diejenigen, die sie unterstützen.

Auch die in den Medien folgende Diskussion um die Einordnung der Aktion ist Teil der Inszenierung. Die Presse spielt dieses Spiel denn auch mit, unter dem Zeichen vorgeblicher Objektivität wird das rhetorische Pingpong zwischen dem Rektor der Klagenfurter Uni und der aggressiven Gruppe wiedergegeben.

 Es habe kein aggressives Verhalten der „Aktivisten“ gegeben, sagte Identitären-Sprecher Patrick Lenart. Im Gegenteil habe der Rektor „äußerst aggressiv“ auf die friedliche Aktion reagiert. Im Zuge dessen sei ein T-Shirt komplett zerrissen worden, ein „Aktivist“ habe eine leichte Verletzung erlitten. Dies sei „einem Rektor unwürdig“. Die Einbringung der Anzeige wurde für den Nachmittag angekündigt. Lenart bestätigte am Freitag auch, dass ein Teilnehmer der Störaktion ein ehemaliger FPÖ-Kommunalpolitiker aus Graz gewesen sei. „Ja, er war dabei“, sagte Lenart auf die Frage, ob entsprechende Medienberichte korrekt seien.

Hier wird der ganze konstruierte Charakter der Aktion und der folgenden Kommunikationsstrategie sichtbar. Aus Tätern werden Opfer, die Angreifenden verteidigen sich und ihre Kultur nur, und so weiter. Durchschaubar Nietzscheanisch wird nach Lust und Laune zynisch umgewertet und umgedeutet. Und die Presse? Sie spielt einfach mit, indem sie das verbale Pingpong scheinbar „neutral“ und „objektiv“ wiedergibt. Man kann das hämische Lachen des Herrn Lenart dabei ganz gut erahnen.

Ja. ich bin für die große Vermischung!

Ich denke, dass den Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen schon klar sein sollte, dass sie Teil einer medialen Inszenierung sind. Das ist natürlich nichts Neues und  Teil des Geschäfts, gleich ob es um den Bundeskanzler Kern und seine Liebe zu Bildern geht, oder um die Identitären. Kritische Hintergrundartikel alleine, die dies aufzeigen wollen, bewirken aber nicht viel. Wenn wir die Inszenierung der Identitären Ernst nehmen, dann stellt sie jede und jeden auf eine Seite. Sie fragt: „Bist du für oder gegen die große Vermischung?“ JournalistInnen wollen natürlich dieser erpresserischen Frage ausweichen, und ihre Neutralität bewahren. In dem Fall ist das aber unmöglich. „Ja, ich bin für die große Vermischung. Deshalb haben mich die Identitären zum Gegner gemacht.“ Sie können daher nicht damit rechnen, dass ich bei ihren Inszenierungen mitmache. Und ihr so?

 

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