Straches Briefe

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Er habe den Brief im Internet gefunden. Da ihm der Inhalt gefallen habe, habe er diesen übernommen und angepasst. So rechtfertigte HC Strache seine jüngste „Abschreibeübung“ eines hetzerischen Textes, der im März 2017 bereits auf dem dubiose Portal JouWatch veröffentlicht worden war. So zufällig kann das aber alles nicht gewesen sein. Denn HC Strache hatte just auf diesem Portal bereits selber einen Brief publiziert: seinen Bürgerkanzlerbrief vom August 2016. Und auch bei diesem Text wurde fleißig kopiert. Eine Recherche über rechtspopulistische Textproduktion, über die Verbindungen von JouWatch zu Strache und über das Geschäftsmodell dieses Portals. Von A. Becker und Sebastian Reinfeldt.


Anfang der Woche berichteten wir im Zusammenhang mit Straches Wutbrief über das dubiose „Nachrichtenportal“ JouWatch. Von dort hatte HC Strache die Vorlage für seine Kritik an Erdogan-Anhängern bezogen. Die Wiener Zeitung und Der Standard bezogen sich dabei auf unsere Recherchen. Der Kurier kam zu ähnlichen Ergebnisse und berichtete zudem, dass die wirkliche Autorin des Textes mit der Veröffentlichung unter Straches Namen nicht einverstanden sei. Mag sein.

Straches Brief auf JouWatch vom August 2016

Jedenfalls ist es nicht das erste Mal, dass HC Strache sich auf dieses Portal bezieht. Er taucht dort sogar als Autor auf. Unter der Rubrik Autoren für Deutschland (sic!) publizierte er Ende August 2016 auf JouWatch einen offenen Brief. Auch damals forderte er unverholen Menschen dazu auf, Österreich zu verlassen. In diesem Fall sollten „Muslime, die unter dem ‚Islamischen Gesetz der Scharia‘ leben wollen“ das Land verlassen. Strache fordert überdies ein eigenes „Verbotsgesetz“. Somit würde das österreichische Verbotsgesetz gegen NS-Wiederbetätigung relativiert. Der Text richtet sich gegen Einwanderer, zielt aber im damaligen Zusammenhang auf Flüchtlinge. Menschen, die nachweislich vor dem Terror der radikalen Islamisten geflohen sind, werden mit NS-Wiederbetätigern gleich gesetzt.

Die Strache-Methode: Kopieren und Einfügen

Auch in diesem Fall hat HC Strache (oder sein Medienteam) kopiert, eingefügt und den Text um einiges länger gemacht. Die Vorlage von damals kursierte schon seit 2008 in rechten patriotischen Netzwerken. In verschiedenen Versionen und Übersetzungen. Der HeimatohneHass-Blog hatte Straches Bürgerbrief mit einer dem australischen Premier zugeschriebenen Fälschung verglichen und kam dabei zu dem Ergebnis:

Wir wollen – sein christlicher Gott bewahre – ihm nicht vorwerfen, er habe einige (oder viele) Anleihen an einem gefälschten Text aus 2008 übernommen – wir wollen nur höflich drauf hinweisen, dass es eine seltsame Ansammlung von zufällig gleich lautenden Passagen in den Texten gibt – quasi ZUR INFO!

Rechtspopulismus und Medienkritik – ein Geschäftsmodell

Texte wie diese passen gut zum ideologischen Gepräge von JouWatch. Da publiziert beispielsweise die Pegida-Rednerin Renate Sandvoss. Neben hetzerischen und/oder ausländerfeindlichen Sujets finden sich Verschwörungstheorien aller Art. Ein Potpourri von Anknüpfungspunkten für die rechtspopulistische Wut. Das Ganze funktioniert wie ein Magnet, um mit hetzerischen Texten KundInnen für verschiedene Geschäfte zu akquirieren. Für dubiose Rechtsberatungsfirmen etwa, und für einen privaten „Verbraucherschutz“.

Alles in einer Hand: Eine Familie – mit vielen Namen

JouWatch ist Teil eines familiären Geschäftsmodells der deutschen extremen Rechten. Das Portal gehört Marilla Slominski aus Naumburg. Chefredakteur ist ihr Ehemann Thomas Böhm. Die Adresse der Redaktion ist Löbdergraben 11 in Jena. Böhm, dessen Facebook-Freundesliste sich wie ein Who-is-Who des deutschen Rechtspopulismus liest, war 2011 Kandidat der rechtsextremen Kleinpartei „Die Freiheit“ für das Berliner Abgeordnetenhaus. Die Partei wurde teilweise vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet, hat sich allerdings Ende 2016 zugunsten der AfD aufgelöst.

JouWatch im Geflecht von „deutschen“ Firmen und Verbänden

An der Adresse der ehemaligen Partei residiert auch ihr ehemaliges Bundesvorstandsmitglieds Philipp Wolfgang Beyer – ein Rechtsanwalt. Dessen Kanzlei ist der Knotenpunkt eines verzweigten, undurchsichtigen Netzwerkes von Vereinen und Organisationen, von denen JouWatch ein wichtiger Teil ist.

So residieren unter der Adresse die „Gustav-Stresemann-Stiftung“ und ihr Portal „CitizenTimes“, die „Stiftung Deutscher Anlegerschutz“, der „Deutsche Schutzverband gegen Diskriminierung“, der „Deutsche Insolvenzschutzring“ sowie der „Deutsche Verbraucherschutzring“. Mit Letzterem stand die Kanzlei Beyer wegen ihres zweifelhaften Geschäftsmodells bereits 2010 im Fokus der Öffentlichkeit. Die „Zeit“ berichtete über das Geschäftsmodell, Massenklagen zu organisieren. Die Mandanten dafür werden über „Opfergesellschaften“ und „Interessengemeinschaften“ im Internet geworben. Das Portal JouWatch fungiert dabei als eine Art Werbeplattform. Auf der Startseite sind dauerhaft Werbeanzeigen für diese diversen Vereinigungen eingebunden. Wer also im August 2016 den Text von Strache auf dem Portal gelesen hat, wurde gleichzeitig zu den vielen Firmen und Vereinen gelockt. Alle residieren an derselben Adresse: Am Löbdergraben in Jena. Dort ist auch gleich ein Prozesskostenfinanzierer Acivo zu finden. Dessen Aufsichtsratsvorsitzender ist ebenfalls der Anwalt Wolfgang Beyer.

Sammelklage gegen Rundfunkgebühr vor dem Verfassungsgericht

Ein besonderer Coup dieses Organisationsgeflechts war die Sammelklage gegen die „GEZ-Gebühr„. Sie wurde über die Stiftung-Medienopfer (Domaininhaberin: Marilla Slominski) organisierte. Genau wie in der FPÖ-Propaganda gegen den ORF wird auch hier Misstrauen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesät. Öffentlichkeitswirksam unterstützt von JouWatch . Die Kanzlei Beyer, vertreten durch ihren Rechtsanwalt Sascha Giller, hat es damit bis vor das Bundesverfassungsgericht geschafft. Ein Verhandlungstermin steht derzeit noch nicht fest.

Politische Inhalte sind bei Jouwatch  eher Mittel zum Zweck. Straches Auftritt dort dürfte die klickzahlen nach oben getrieben haben. Vielleicht sind dem Firmengeflecht somit neue Kundinnen und Kunden zugeführt worden. Ob sich der österreichische Rechtspopulist über seinen Beitrag zum bundesdeutschen Bruttosozialprodukt bewusst ist?

 

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