Wider die Statistik: Wien will den Lobautunnel – aber ist er notwendig?

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By Christoph Ulbrich

Zur gleichen Zeit, in der für den Straßenbahnausbau nach und nach die Mittel gekürzt werden, propagiert die SPÖ ein anderes Mega-Verkehrsprojekt: den Bau des Lobautunnels in Wien. Dabei ist dieser extrem teuer und wegen seiner ökologischen Auswirkungen umstritten. Und: Es ist fraglich, ob überhaupt ein Bedarf nach einer weiteren Donauquerung besteht. Die Statistiken der Stadt sagen nein. Die Stadtregierung sagt ja. Eine Recherche von Christoph Ulbrich.

Umweltverträglichkeit hin oder her. Der Tunnel kommt

Bereits im Februar 2017 sagte Bürgermeister Michael Häupl im Standard-Interview voraus: Der Tunnel wird definitiv kommen. Eine Ansage: Vor allem, wenn man bedenkt, dass nicht nur die politische Diskussion noch im Gange ist. Die Frage ob der Tunnel gebaut werden kann, beschäftigt auch noch unabhängige Gerichte. Ganz konkret ist das Verfahren zur Umweltverträglichkeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Wie dieser entscheiden wird, ist offen. Wie erst vor wenigen Monaten das Verfahren zur dritten Piste am Flughafen Schwechat gezeigt hat, entscheiden unabhängige Gerichte nicht automatisch so, wie es die Politik gerne hätte.
Auch Häupls Vizebürgermeisterin Renate Brauner baut medialen Druck auf das Gericht auf. Per Rathauskorespondenz kritisiert Brauner die Dauer der UVP: „Baubeginn-Verzögerung würde Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze kosten“.

Renate Brauner: „Der Lobautunnel sichert 25.000 Arbeitsplätze“

Und Brauner hinterlegt ihre Kritik auch mit konkreten Zahlen: „An der Umsetzung des Lobautunnels hängen 25.000 Arbeitsplätze, die man als Argument nicht einfach vom Tisch wischen kann.“
Dieses Argument hat allerdings zwei Schönheitsfehler. Auf die Zahl von 25.000 Arbeitsplätzen kommt die Vize-Bürgermeisterin durch eine Studie des WIFO. Auftraggeber der Studie ist allerdings nicht die Stadt Wien, sondern die Asfinag – also der Bauwerber selbst. Zweiter Schönheitsfehler: Diese 25.000 Arbeitsplätze entstehen laut der Studie des Wifi nur während der Bauphase. Außerdem ist anzunehmen, dass es diese Arbeitsplätze auch dann gäbe, wenn um die 1,9 Mill. Euro nicht in den Lobautunnel gebaut, sondern in Straßenbahnen oder Wohnungen investiert werden.

Nur 7.000 Arbeitsplätze sollen nachhaltig geschaffen werden.

Was Brauner dazu nicht sagt: Nur 7000 Arbeitsplätze sollen nachhaltig entstehen. Wenn man diese 7.000 Arbeitsplätze in Relation zu einer Investition von 1,9 Mill Euro setzt, werden für jeden einzelnen dieser 7.000 Arbeitsplätze 271.000 Euro investiert. Davon ließe sich ein stolzes Grundeinkommen finanzieren.
Brauner ist  dabei allerdings in guter Gesellschaft. Denn sowohl Arbeiter- als auch Wirtschaftskammer sprechen sich für den raschen Bau des Tunnels aus. AK-Präsident Rudolf Kaske führt Pendler ins Treffen, der Wiener WK-Präsident Walter Ruck den Wirtschaftsstandort. Der Lobautunnel sei ein wichtiger Schub für die Außenbezirke.

Das Argument Arbeitsplätze erinnert frappant an den Winter 1984. Damals wurde nach Protesten von Umweltschützern der Bau des Kraftwerk Hainburg gestoppt. Einer der größten Befürworter des Projekts war auch damals die Gewerkschaft, die um Arbeitsplätze fürchtete. Heute ist die Au ein Nationalpark. Der einzige Europas, der in einer Millionenstadt liegt.

19 Kilometer Autobahn oder 150km Straßenbahn?

Um die Kosten des Projekts einordnen zu können, lohnt sich ein Vergleich: Der Lobautunnel kostet alleine 1,1 Milliarden Euro, also 15 mal so viel wie das letzte Woche angekündigte Straßenbahn-Paket. Für den gesamten 19 Kilometer langen Autobahnabschnitt betragen die Baukosten laut ORF.at 1,9 Milliarden Euro. Um das gleiche Geld könnte man rund 150 Kilometer Straßenbahnschienenstrecke bauen – gerade in den Außenbezirken.

Zweifel, ob der Lobautunnel überhaupt sinnvoll ist

Gar nicht mehr thematisiert wird ob der Tunnel und damit eine zusätzliche Donauquerung überhaupt notwendig ist. Die Planung zieht sich seit über 10 Jahren hin. Seitdem haben sich allerdings die Vorraussetzugen in Sachen Verkehr geändert.

Laut Erhebungen der Stadt geht der Autoverkehr in den letzten Jahren in allen Teilen der Stadt zurück. Besonders in den Innenbezirken, aber auch in der Außenbezirken wird immer weniger Auto gefahren.

Verkehrszählung Wien
Entwicklung des Verkehrsaufkommens in Wien. Quelle:Verkehrszählung 2015

Die Grafik aus einer Verkehrszählung im Auftrag der MA 18 zeigt: Obwohl Wien in den letzten Jahren stark gewachsen ist, geht der motorisierte Verkehr zurück. Und das in allen Stadtteilen. Auch die Zahl der Donauquerungen ist um immerhin 4,8% zurück gegangen.

Noch deutlicher ist der Rückgang beim LKW-Verkehr.

Verkehrszählung LKW Wien. Grafik zur Verfügung gestellt von NEOS Wien
Verkehrszählung LKW Wien. Grafik zur Verfügung gestellt von NEOS Wien

Bei den Donauquerungen in der Stadt ist die Zahl der LKWs insgesamt deutlich zurück gegangen. Nur in Hirschstetten stieg der Verkehr. Der kommt aber wohl von der Donauuferautobahn und nicht von Donauquerungen – sonst wäre der Verkehr nicht nur in Hirschstätten, sondern auch in St. Marx auf der Südseite der Donau gestiegen.

Betrachtet man diese Zahlen scheinen jedenfalls Zweifel angebracht, ob überhaupt eine sachliche Notwendigkeit für den Lobautunnel besteht. Und falls diese Argumentation sich als schlüssig erweist, stellt sich dann die Frage: Warum überhaupt?

 

2 Gedanken zu „Wider die Statistik: Wien will den Lobautunnel – aber ist er notwendig?“

  1. Wenn Hainburg damals gebaut worden wäre, würde heute keiner mehr ein „Pfurz“ darüber verlieren und den Nationalpark könnte es trotzdem dort geben.

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  2. danke für die Möglichkeit zur Stellungnahme bezüglich Lobau-Tunnel:
    Bitte den Lobau-Tunnel forcieren!!
    Jeder, der im Früh- und Nachmittagsverkehr die Tangente benützen muss, weiß um die Wichtigkeit einer weiteren Nord-Südverbindung!!
    Hier wurde leider jahrzehntelang der Bau eines Wien-Umfahrungsringes von Land und Bund verabsäumt!!
    Ich kenne keine europäische Hauptstadt, wo der Verkehr noch quer durch die Stadt führt!
    Die Südost-Tangente ist über den Praterauen (dort laufe ich u.a. auch) trassiert, außerdem lag mein Arbeitsplatz, wie jener anderer hunderter Mitarbeiter der  Wiener Stadtwerke, Wiener Linien und Wienstrom auch gleich neben der Südost-Tangente, die Per-Albin-Hansson-Siedlung ebenfalls!! – ich sehe also das Problem nicht!, weil hier mit Kindergartennähe, Quartier Hausfeld und Blumengärten argumentiert wird!
    Eine Südost-Tangente könnte aus heutiger Sicht auch nicht mehr gebaut werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Manfred Stadler

    Manfred Stadler, BA, MA
    Kurt-Absolon-Weg 1/38/13
    1220 Wien

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