Parteien im Wahlkampf: Wir holen uns, was uns nicht zusteht!

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By Sebastian Reinfeldt

436.000 Euro spendet KTM-Chef Stefan Pierer an die Liste Sebastian Kurz. Das ist eine direkte Zuwendung eines Industriellen. Dieser verbindet damit im Kurier-Interview auch den Wunsch nach politischen Initiativen, die er als Unternehmer gerne sähe. Genau genommen unterstützen also die Käuferinnen und Käufer von KTM– oder Husqvarna-Motorrädern indirekt die ÖVP-Politik. Wenn wir es noch genauer fassen, so trägt auch die Produktivität der weltweit rund 2900 MitarbeiterInnen der KTM-Group ihr Scherflein zur Pierer-Spende bei. Weder KundInnen noch MitarbeiterInnen wurden dabei gefragt, ob sie mit der Spende einverstanden seien. Ihr Beitrag „klebt“ förmlich am Markennamen KTM. Und der wiederum macht den Reichtum von Pierer aus.

Ebenso wenig werden die Steuerzahlenden gefragt, welche politische Partei wie viel Zuwendungen bekommen sollte. Gleiches gilt für die Wählenden. Ihre Stimme wird ungefragt und automatisch in Geld aufgewogen. Die Parteienfinanzierung in Österreich baut auf der Anzahl derjenigen Personen auf, die eine Partei gewählt haben. Ihre Stimmen werden mit dem Faktor 9,7 (Bund) bis 32 (Wien) in Euro bewertet. So kommen 209 Millionen Euro zusammen, die die Parteien nur im Jahr 2017 (!) insgesamt an Zuwendungen aus Steuermitteln erhalten werden. Im letzten Wahljahr 2013 waren es hingegen „nur“ 127 Millionen Euro. Demgegenüber nehmen sich die 436.000 Euro von Pierer geradezu mickrig aus. Ein Blick in die finanziellen Angelegenheiten des Wahlkampfs in Österreich von Sebastian Reinfeldt.


Die Parteien leben in erster Linie von staatlichen Geldern

„Seit langem ist aber bekannt, dass die staatliche Parteien-Finanzierung den Grundpfeiler der Parteifinanzen bildet.“ Was Parteienforscher Hubert Sickinger hier feststellt, beginnt ab einem Prozent Anteil an WählerInnenstimmen: Das ist die Wahlkampfkostenrückerstattung, die Kleinparteien erhalten. Ab diesem Prozent ist eine Partei im Wahljahr dazu berechtigt, öffentliche Finanzierung zu lukrieren. Sie kann dann mit 2,5 € pro Stimme rechnen.

Zieht sie ins Parlament ein, dann kommt sie fortlaufend in den Genuss öffentlicher Gelder. Allerdings werden die mit einem Vielfachen der 2,5 Euro bewertet: für die Partei, für den Parlamentsklub und für eine Parteiakademie. Mittlerweile sind fast alle Parteien von staatlicher Förderung abhängig. Nur die NEOS stechen hier heraus. Denn sie haben Big Spender. Jedenfalls ist die Höhe der öffentlichen Förderungen im internationalen Vergleich mehr als großzügig. Der Standard hat Anfang des Jahres diese Unterstützung mit der Situation beim wesentlich größeren Nachbarn Deutschland verglichen. Die bereits etablierten Parteien in Österreich leben deutlich komfortabler als drüben.

Beispielsweise liegt die absolute Obergrenze für die Parteienförderung im fast zehnmal größeren Deutschland mit 160,5 Millionen Euro nur knapp über der Parteienförderung von Bund und Ländern in Österreich (142,4 Mio. Euro).

Nur leben in Deutschland zehn Mal so viele Menschen wie hier.

Crowdfunding und Spenden sind in erster Linie PR-Meldungen

Auch Landtags- und Nationalratswahlkämpfe werden hauptsächlich weder aus Spenden noch aus Crowdfunding-Mitteln finanziert. Diese dienen mehr der PR als dass sie die tatsächlichen Kosten abdecken würden. Die Botschaft lautet: „Hej, wir kommen aus der Mitte der Gesellschaft! Seht nur unsere Spenderinnen und Spender!“ Jüngstes Beispiel dafür ist „Omi Anni„. Sie hat als „einfache Frau aus dem Volk“ 20 Euro für Sebastian Kurz gespendet. Wertvoller als die 20 Euro ist aber die PR, die „Omi Anni“ bringt. Über das Video, das das Kurz Team dazu gedreht hat, berichteten zahlreiche Medien.

Sieben Millionen Euro darf ein Nationalrats-Wahlkampf maximal per Gesetz kosten. Keine Partei kommt auch nur in die Nähe dieser Summe durch Spenden und Crowdfunding. Die ÖVP hat (vor allem durch Großspender wie Pierer) allerdings schon jetzt die 1-Million-Euro-Grenze durchbrochen. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Gesamtkosten. Gerade im Vergleich zu den anderen Parteien aber eine erkleckliche Summe. 47,6 Millionen kostete 2013 der Nationalratswahlkampf insgesamt. Diese Summe ergibt sich zumindest aus den Rechenschaftsberichten aller Parteien. Sie mussten an den Rechnungshof übermittelt werden. Dieser hat sie dann ausgewertet. Das meiste Geld wurde für Plakate und Inserate aufgewendet.

Fehler im System: Deckelung bezieht Klubs und nahestehende Institutionen nur ungenügend ein

Die sieben Millionen Grenze bezieht sich aber nur auf die Parteien, und nicht auf Vorfeldorganisationen und parteinahe Institutionen. Auch sie werden im Wahlkampf aktiv. Indes wurden hier bereits im Vorfeld der Gesetzesänderungen Umgehungskonstruktionen vorbereitet. Der Rechnungshof erwähnt hier ausdrücklich Satzungsänderungen, die die SPÖ im Jahr 2012 durchgeführt hat. Im Bericht steht auf Seite 72:

Bspw. änderte die SPÖ im Jahr 2012 ihre Statuten in Bezug auf Vorfeldorganisationen, wodurch diese nicht mehr an der Willensbildung der Partei mitwirkten und folglich im Jahr 2013 keine nahestehenden Organisationen mit entsprechenden Meldepflichten mehr darstellten. (…)  Die nach wie vor bestehenden Vorfeldorganisationen (wie z.B. Pensionistenverband), die u.a. auch mehrere Unternehmensbeteiligungen umfassen, sind nicht mehr enthalten.

Die Parlamentsparteien halten sich selbst im Spiel

Ebenfalls gesetzlich nicht erfasst ist der indirekte Wahlkampf, den die Parlamentsklubs betreiben. Diese haben ja ein ureigenes berufliches Interesse am Wiedereinzug der Partei. Genau hierzu gibt es aktuell Beispiele: Parteinahe Blogs von SPÖ und FPÖ, die direkt durch die Parlamentsclubs finanziert und auch ideologisch kontrolliert werden. Auch etwaige Anzeigengeschäfte in Boulevard- oder Parteimedien durch nahestehende Institutionen oder durch Stadt- oder Landesregierungen fließen in die Gesamtwahlkampfrechnung nicht mit ein. Die Rechercheplattform Dossier bringt hier immer wieder Licht in dieses Dunkel. Aktuell etwa das Beispiel der oberösterreichische ÖVP-Parteizeitung Neues Volksblatt, die durch Anzeigen der ÖVP-geführten Regierung Oberösterreichs am Leben erhalten wird.

Wahlkämpfe auf Pump

Wahlkämpfe kosten natürlich Geld, viel Geld sogar. Überwiegend wird dafür Steuergeld eingesetzt. Ein Bruchteil davon wird dann in Form von Kugelschreibern, Luftballons und sonstigem Zeugs verteilt. Wahlkampfgeschenke sind das alles nicht, die „Beschenkten“ haben sie nämlich bereits bezahlt. 2013 etwa wendete die ÖVP 11,3 Millionen für den Wahlkampf auf und musste eine Strafe zahlen. Ausgerechnet die Wirtschaftspartei ÖVP hatte sich verkalkuliert und die gesetzliche Grenze deutlich überschritten. Die etablierten Parteien können zusätzlich kurzfristig Geld locker machen, da sie einfach an Darlehen und Kredite heran kommen. Nach der Wahl zahlen sie diese aus der Parteienförderung zurück. Sie dient nämlich auch als Absicherung für Kredite und Darlehen.

2013: 127 Millionen Förderungen für Parteien ergibt Kredite in der Höhe von 53 Millionen

Demokratie wird durch Parteien materiell. Sie sind die Maschinen, die die politische Diskussion am Laufen halten. Dafür brauchen sie Geld, öffentliches Geld. Insofern ist das nachzuvollziehen und auch sinnvoll. 2013 waren dies 127 Millionen Euro. 2017 werden es 209 Millionen werden. Eine enorme Erhöhung.

Damals, im vergangenen Wahljahr, wurden die 127 Millionen noch durch weitere Kredite in der Höhe von 53 Millionen (!) aufgefettet. Wenn man davon die 24 Millionen abzieht, die alleine das Team Stronach erhalten hat, so bleiben immer noch 29 Millionen für Kredite über. Das machte damals – wiederum abzüglich Stronach – insgesamt 156 Millionen Euro für den laufenden Betrieb und für den Wahlkampf: eine enorme Summe. Tatsächlich haben die Parteien das Geld für Werbung ausgegeben. Der Löwenanteil – nämlich 84 Millionen (wiederum minus Team Stronachs 7,1 Millionen) – floss in die jeweiligen Budgetposten „Öffentlichkeitsarbeit“.

Spenden im vergangenen Wahljahr 2013

Betrachten wir nochmals das Spendenaufkommen im Wahljahr 2013. Spendenkönig war damals das Team Stronach, das ja von der politischen Bildfläche verschwinden wirdVon den mehr als 23 Millionen an Spenden, die alle Parteien zusammen genommen bekamen, flossen alleine 18,752.640 Euro von Frank Stronach in sein gescheitertes politisches Abenteuer. SPÖ und ÖVP lagen übrigens fast gleichauf bei rund 1,4 Millionen Euro Spendenaufkommen. Bei beiden kam ebenfalls der Löwenanteil auf der Gemeindeebene an (819.00 bei der SPÖ, 762.00 bei der ÖVP). Die Grünen erhielten etwas mehr als 48.000 Euro an Spenden – und die FPÖ lediglich knapp 11.000 Euro.

Bei den NEOS kam der Grundstock der Finanzen im letzten Wahlkampf 2013 von privaten Spendern. Ohne die großzügigen Zuwendungen von Hans Peter Haselsteiner und Veit Dengler wäre es der Partei wahrscheinlich nicht möglich gewesen, ihren erfolgreichen Wahlkampf als Newcomerin zu finanzieren. Für 2017 hat Haselsteiner bereits 198.000 € überwiesen, bei einem Wahlkampfbudget von rund 2,5 Millionen, das größtenteils über Kredite und Darlehen finanziert wird.

„Ich würde niemandem raten, es mit weniger als 1,5 Millionen zu versuchen.“

Big Spender versprechen sich Einfluss auf die Politik. In der SpenderInnenliste von Sebastian Kurz scheinen neben Pierer noch Firmen wie MAM Babyartikel (40.000 €) auf, ferner 35.000 € von Happy-Foto, 30.000 € von IGO Industries oder von der Immobilienfamilie Muzicant (gesamt 55.000 €). Überraschend sind dabei die 5.000 € von Kurzzeitjustizminister Michael Krüger (damals FPÖ). Die Spendensumme der ÖVP erzielt die SPÖ jetzt übrigens durch Überweisungen aus den Landesparteien. Durch sieben Euro pro Mitglied käme man so auch auf eine Summer von über einer Million. Das berichtet SPÖ-Geschäftsführer Niedermühlbichler treuherzig. Deshalb werbe die SPÖ nicht zusätzlich um Spenden.

Aber was ist eigentlich mit der Liste Peter Pilz? Aus dem angekündigten Crowdfunding wird sicherlich keine relevante Summe für den Wahlkampf heraus springen. Der Politikberater Rudi Fussi ließ diesbezüglich mit dem demokratiepolitisch bedenklichen Diktum aufhorchen:

Ich würde niemandem raten, es mit weniger als 1,5 Millionen zu versuchen. Außer, er hat ein großes Medium hinter sich und/oder ist eine starke Marke. Würde Andreas Gabalier in Österreich antreten, er würde keinen Euro brauchen.

Doch woher sollte eine solche Summe zusammen kommen? Da Peter Pilz nicht Andreas Gabalier ist, stehen die Chancen auf einen erfolgreichen Wahlkampf seiner Liste nicht gut. Gleiches gilt natürlich auch für KPÖ Plus, die größte der kleineren Parteien. Beide Gruppierungen werden aufgrund ihrer politischen Ausrichtung kaum die Spenden-Summen von NEOS oder Kurz lukrieren können. Öffentliche Gelder – über die sich die Grünen fast ausschließlich finanzieren- stehen auch nicht zur Verfügung. Nicht zufällig trifft diese Benachteiligung zwei Wahlparteien, die den Zustand des politischen Systems in Österreich recht deutlich kritisieren. Im Wahlkampf zahlt sie dafür einen, undemokratischen, Preis.


In den Text ist eine Recherche von Lukas Oberndorfer zur Pierer-Spende und die Artikelserie auf nzz.at zur Parteinfinanzierung von Hubert Sickinger eingeflossen. Ich danke beiden für das Überlassen.

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