Opposition in Österreich: Down to Zero

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Das Jahr 2017 war – politisch gesehen – kein Jahr wie jedes andere: Es markiert einen politischen Zeitenwechsel, der wahrscheinlich lange andauern wird. Die parlamentarische und die – seit Oktober 2017 durch die Grünen gewachsene – außerparlamentarische Opposition befindet sich am Nullpunkt. Dabei haben die österreichischen Rezepte gegen Rechtspopulismus – die FPÖ auf Extremismus festnageln, sie skandalisieren und zugleich die soziale Karte spielen – eigentlich schon länger nicht funktioniert. Denn sie haben den Aufstieg der FPÖ nicht aufgehalten, und auch nicht den polit-taktischen Rechtsruck der ÖVP verhindert. 2017 kam dann die Quittung: Eine deutliche rechte Mehrheit und politisch kaum handlungsfähige Parteien, Grüppchen und Zirkel auf der anderen Seite, deren gesellschaftliche Resonanz und Bedeutung gering ist. Eine Analyse von Sebastian Reinfeldt.


Die Ergebnisse der aktuellen  Umfrage vom Market-Institut im Auftrag des Standards zeigen deutlich auf, warum es keine Empörung der Regierung gegenüber gibt und auf mittlere Sicht auch nicht geben wird. Diese Koalition aus ÖVP und FPÖ ist von der deutlichen Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher genau so gewollt. Die Regierungsbeteiligung der FPÖ ist akzeptiert.

Die geplante Strafverschärfung für Sexualdelikte finden 69 sehr gut und weitere 25 Prozent immerhin gut. Ähnlich hoch ist die Zustimmung zum Vorhaben, dass alle Kinder Deutsch lernen müssen, bevor sie in die Schule kommen (65 plus 27 Prozent). Die geplante Aufstockung der Polizei kommt ebenso wie die angepeilte Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent und das Versprechen, keine neuen Steuern einführen zu wollen, auf eine insgesamt mehr als 80-prozentige Zustimmung.

Brutale politische Fakten

Diese Umfrageergebnisse bestätigen, was sich auch in Gesprächen am Arbeitsplatz und in Freundeskreisen abzeichnet. Ausgerechnet diejenigen Themen, bei denen die Linke eher schwach ist, weil sie vernünftige Verhandlungslösungen und menschenrechtliche Mindeststandards reklamiert, kommen in Österreich gut an. Lediglich bei der Ausdehnung der Arbeitszeit – einem klassisch gewerkschaftlichen und lebensnahen Thema – liegt die neue Regierung daneben. Es ist aber gut vorstellbar, dass es hier am Ende zu einer soften Kompromisslösung kommen wird, in die die Gewerkschaften eingebunden sind.

Das Ende der rot-schwarzen Koalitionen

Auch die politische Landkarte wurde durch diese Regierung, und durch die Art, wie sie sich formiert hat, umgestaltet. Eine rot-schwarze Koalition, einzig mit dem Ziel gebildet, die FPÖ von der Macht fernzuhalten, scheint auf längere Sicht hin keine politische Option mehr zu sein. Gewählt wurde im Oktober die einzig realistische politische Alternative dazu. Und diese war und ist nun mal eine Rechtsregierung.  Irgendwelche Mitte-links Bündnisse befinden sich nicht nur in Mandaten und Wahlprozenten gesehen in weiter Ferne, sondern auch von den politischen Konzepten her. So etwas wie ein oppositioneller Block, der gegen den Regierungsblock steht, scheint „undenkbar“. Aus heutiger Sicht jedenfalls.

Rechte Hegemonie

All diese Dinge bedeuten auf einen Begriff gebracht: Es handelt sich um eine kompakte rechte Hegemonie. Untechnisch ausgedrückt: Diese Regierung verfügt nicht nur über eine parlamentarische Mehrheit, sondern maßgebliche Interessensgruppen, Klassenfraktionen und Intellektuelle in einem weiten Sinn unterstützen aktiv diese politische Konstellation. An diese Regierung wird geglaubt und ihr wird geglaubt. Opposition ist im Sinne von demokratischer Kontrolle und dem Sorgen für Transparenz durchaus gewollt – aber nicht als eine Regierung im Wartestand. Dafür besteht derzeit kein Bedarf.

Das rechte Narrativ

Natürlich wird es in der Regierungskonstellation zukünftig nicht ohne Brüche und Konflikte abgehen. Doch glauben sowohl Regierte als auch Regierende offenbar an dasselbe Narrativ: Eine härtere Gangart gegen Flüchtlinge, Arme und Kriminelle sei notwendig, damit der Wohlstand und das Lebensniveau in Österreich zumindest gehalten werden könne. Zu dieser Verteidigungserzählung kommt aber noch etwas hinzu: Die Regierung solle einfach ihren Job erledigen, statt sich in Grabenkämpfen um Posten, Pöstchen und Prestige zu erschöpfen. Der medial geschickt inszenierte und immer wieder betonte Respekt im Umgang miteinander ist also nicht nur ein rhetorisches Accessoire. Er markiert die Distanz zur Regierungsweise der Vorgänger-Regierungen aus SPÖ und ÖVP.

Wer ist der charismatische Führer?

Eine mögliche Bruchstelle der neuen Regierung liegt vermutlich nicht in sozialpolitischen Fragen. Spannend wird es stattdessen sein zu beobachten, wie das Männer-Match um die Figur des charismatischen Führers der Regierung ausgeht. Auf der einen Seite bemüht sich der adrette, junge Slimfitträger Sebastian Kurz um Anerkennung. Immerhin hat der 31-jährige die bislang prägenden Netzwerke der ÖVP zurecht gestutzt und sich somit auch intern eine gute Machtbasis geschaffen. Eine politische Leistung, die eine ganze Reihe gestandener Politiker – von Schüssel über Spindelegger bis hin zu Mitterlehner – nicht vorweisen können.

Keine Machtergreifung, sondern Machtpolitik

Auf der anderen Seite kämpft der altersmilde erscheinende HC Strache, der nicht nur von der Linken deutlich unterschätzt wurde, weiterhin um politische Anerkennung. Klug hat er die Regierungsbeteiligung der FPÖ vorbereitet. Dass nun so viele Burschenschafter aus rechtsextremen Netzwerken in Machtpositionen kommen, ist einerseits politisch ein Skandal. Die Regierung bietet damit eine permanente Kritikfläche an. Andererseits sind die potentiell rebellischen rechten Milieus somit in die Regierung eingebunden. Bundesbrüder in Machtpositionen werden nicht so leicht kritisiert und sie können eine Loyalität einfordern, die über die eher lose und wankelmütige Gefolgschaft in einer Partei hinausgehen. Solange jedenfalls der Kampf um die Rolle als charismatischer Führer still geführt wird, kann er die Regierung nicht gefährden. Sollte er entschieden sein, so wird es interessant werden zu sehen, wie der Unterlegene damit umgeht. Hier könnte sich eine tiefe Bruchstelle der Regierung auftun.

Und die Opposition?

Ich habe den Eindruck, dass die Akteurinnen und Akteure das Ausmaß ihrer Niederlage erst langsam realisieren. Im Grunde ist die Opposition down to Zero. Unsere Niederlage wird sich nicht wegdemonstrieren lassen. Die Regierung ist nämlich stabil und verankert. Und weil das alle wissen oder zumindest ahnen, werden die Protestdemonstrationen keine Massenbasis bekommen, und sie werden sehr schnell zu einer politischen Pflichtübung werden. Und versiegen  Solange es kein anderes Narrativ gibt, das die Vision einer Gesellschaft enthält, in der allen Gerechtigkeit widerfährt, und das wirksam einen politischen und gesellschaftlichen Block formt. Dieser müsste wesentliche Teile der Gewerkschaften umfassen und bis hin ins liberale Bürgertum und den liberalen Flügel der ÖVP reichen. Alles andere wird reine Oppositionsfolklore bleiben.

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