Wien Anders in der Krise

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By Sebastian Reinfeldt

Seit Monaten schleppt sich die linke Wahlallianz Wien Anders mehr schlecht als recht dahin. Im Außenauftritt ist keine klare Linie erkennbar, die gute Zusammenarbeit der vier Zugänge (KPÖ, PiratInnen, Unabhängige, Jugend) seit der Gründung im März 2015 ist vorüber. Seit dem durch ihre Bundespartei erzwungenen Austritt der Wiener PiratInnen aus dem Bündnis muss Wien Anders neu erfunden werden. Eine Einschätzung.

Wien Anders? Ein Anhängsel der KPÖ?

Vier Bezirksräte und eine Bezirksrätin hat die Wahlallianz Wien Anders bei den Wiener Gemeinderatswahlen 2015 gewonnen, weitere Mandate in Meidling, in der Josefstadt und in Mariahilf wurden nur ganz knapp verfehlt. Wienweit waren es 1,1 Prozent der WählerInnenstimmen, alle Wien Anders-BezirksrätInnen sind Mitglieder der KPÖ. Kein berauschendes Resultat, das aber dennoch einige Möglichkeiten bieten würde, daraus etwas zu machen. Bislang ist das allerdings nicht passiert.

Denn es stehen sich zwei verschiedene Politikkonzepte gegenüber. Seitens der KPÖ und einiger PiratInnen soll die Allianz offenbar zu einem Anhängsel der KPÖ verwandelt werden. Als Beispiel dieser Strategie mag ein Video des KPÖ-Bezirksrates Didi Zachs gelten, das zuerst als Wien Anders-Komentar zur Lage der Nation auf der Facebook-Seite veröffentlicht worden ist, Bildschirmfoto vom 2016-05-20 08:25:39und danach auf Google+ als Beitrag der KPÖ weiter verwertet wird. Die amateurhafte Qualität des Videos mag ja noch verzeihlich sein, die Doppelbespielung allerdings macht eine strategisch-politische Linie deutlich. Wien Anders ist demnach ein Hülse, in der beliebig politische Inhalte mit und ohne Wienbezug verbreitet werden. Die große Wien Anders-Facebook-Community, die während des Wahlkampfs entstanden ist, soll damit „bespielt“ werden. Wien Anders ist in dieser Version eine Art Durchlauferhitzer für die KPÖ. Die politische Linie wird dort bestimmt und dann – vielleicht leicht modifiziert – von Wien Anders nachvollzogen.

Oder Öffnung nach links?

Der andere Zugang wird von den Unabhängigen, von einigen anderen PiratInnen und von dem großen und derzeit lebendigsten Zugang formuliert, der Jugendgruppe bzw. der Jungen Linken. Demnach sollte sich Wien Anders für linke Initiativen aus und in der Stadt öffnen, mit ihnen zusammenarbeiten und gemeinsam Projekte bzw. Kampagnen entwickeln. Ziel ist es, konkret Politik zu machen, um durch eine Kombination aus außerparlamentarischer Bündnisarbeit und Kooperationen in den Institutionen (Bezirksversammlungen, vielleicht sogar auf Gemeinderatsebene) in den kommenden Jahren politisch wirksam zu werden. So etwas passiert bereits in einigen Bezirken.

Außerdem wird eine Feminisierung der Allianz eingefordert. Die Diskussionskultur in der Allianz ist männlich geprägt, und auch die Besetzung von Positionen hat oftmals den Charakter linker Männerbünde.

Die linke Allianz muss sich neu erfinden

Zugleich stellt sich unausweichlich eine interessante organisatorische Aufgabe, denn nach dem Ausstieg der PiratInnen ist die Allianz so oder so neu zu erfinden. Die Sitze im Leitungsgremium (nicht ganz unironisch „Rat“ genannt) waren bislang nach Proporz verteilt worden, entsprechend dem Verteilungsschlüssel: 3 (KPÖ), 2 (PiratInnen), 2 (Plattform der Unabhängigen) sowie ein Jugendsitz. Die jeweiligen Zugänge haben die Personen selber bestimmt, gewählt wurde niemand. Eine solche Konstruktion war sicherlich während des Wahlkampfs nützlich und sinnvoll, nun allerdings muss sie auf demokratische Beine gestellt werden – sagen die einen. Die anderen finden, dass das bisherige Prozedere gut und bewährt ist und eine demokratische Erweiterung von Wien Anders nicht machbar (da es ein Parteienbündnis ist) – und auch nicht wünschenswert sei, weil sehr leicht ein Prozess entstehen könne, der letztlich zum Zerfall des Bündnisses führen würde.

Innerhalb der Allianz ist aufgrund der momentanen Dominanz der KPÖ-Kader die autoritäre Linie bestimmend, was zum (stillen) Aussteigen unabhängiger AktivistInnen geführt hat und führt. Zu diesen zähle auch ich. Seit März 2016 habe ich meine Funktionen bei Wien Anders nieder gelegt und mache auch die Pressearbeit nicht mehr. Im Zusammenhang mit der Re-Organisierung der österreichischen Linken im Aufbruch und bei Diem25 würde ich mich freuen, wenn auf die interne Krise von Wien Anders von Außen Bezug genommen würde. Soll das ganze Projekt weiter bestehen, dann müsste es auf einer breiteren Basis stehen. Gibt es überhaupt einen Bedarf für ein kommunales, linkes und unabhängiges Projekt in Wien? Falls dem nicht so ist, fände ich es korrekt, Wien Anders der KPÖ offiziell zu übergeben. Sie sollten dann das Erbe übernehmen, und sie werden es sicherlich anständig verwalten.

Wer allerdings eine demokratische Neugründung von Wien Anders wünscht, sollte sich schleunigst melden und einbringen. Es wäre schade drum.

2 Gedanken zu „Wien Anders in der Krise“

  1. Es wäre für alle besser gewesen, wenn die KPÖ 2015 selbständig kandidiert hätte. Erweitert um fortschrittliche Einzelpersonen. Das Wahlergebnis wäre eher besser gewesen, weil KPÖ eine eingeführte Marke ist.

    Das Herumhacken auf eine angeblich autoritäre Partei bringt jetzt nichts. Ich glaube hingegen, dass bei Dr Wiener KPÖ ein Umdenken einsetzt und unsere Politikkonzepte aus der Steiermark nicht von vornherein abgelehnt werden.

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  2. Lieber Franz Parteder, du machst da eine wie ich finde „falsche“ Alternative auf. Politikkonzepte aus der Steiermark sind ein interessanter Ansatzpunkt, sie sollten nur auch offen diskutiert werden. Meine Einladung zu einer solchen Veranstaltung spreche ich hiermit mal aus. Aber wenn man schon ein Bündnis eingeht, und dann dieses nach den Wahler bestätigt, muss man sich schon auf einen gemeinsamen Politikentwicklungsprozess einlassen. Einen solchen fordere ich ein, auch die steirische KPÖ kann nicht Politik einfach dekretieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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