Falsch, aus vielen Gründen. Anmerkungen zu Alexander van der Bellens Kopftuch-Statement

Foto des Autors

By Christoph Ulbrich

Wie man es auch dreht und wendet. Die Aussage von Bundespräsident Alexander van der Bellen war unlogisch und unklug. Und das aus mehreren Gründen. Das ändert sich auch nicht, wenn man sich die Langversion des Videos ansieht um VDBs Aussage in ihrem Kotext zu beurteilen. Ein Kommentar von Christoph Ulbrich.


In einem Gespräch mit Schülerinnen und Schülern meinte VDB, es würde – angesichts der um sich greifenden „Islamophobie“ – der Tag kommen, an dem man alle Frauen darum bitten müsse, aus Solidarität mit Musliminnen ein Kopftuch zu tragen. Die Aussage von Alexander van der Bellen wird auch im Zusammenhang des gesamten Redetextes leider nicht besser.

 

Van der Bellen erzählt dabei von Kopftuchträgerinnen am Land in den 1950er Jahren. Das Kopftuch sei für VDB das „Normalste der Welt“. Ähnlich hat sich in der Vergangenheit auch schon von Eva Glawischnig geäußert: „Ich bekämpfe kein Kleidungsstück; meine Oma hat auch jahrelang ein Kopftuch getragen.“

Grüne Sehnsucht nach dem Frauenbild der 50er Jahre

Dass etwas vor 60 Jahren in Österreich üblich oder Konvention war, ist ein völlig untaugliches Argument. Vor 60 Jahren war auch Homosexualität per Strafe verboten. Was damals „das Normalste der Welt“ war, bezeichnen wir heute zurecht als homophob. Auch verwundert es, dass sich gerade Grüne immer wieder auf das Frauenbild – und damit die Bekleidungskonventionen – der 1950er-Jahre in der österreichischen Provinz beziehen. Zumindest, wenn es ums Kopftuch geht.

Der Vergleich mit dem Bäuerinnen-Kopftuch ist aber vor allem deshalb falsch, weil das Kopftuch der Bäuerin eben kein religiöses Symbol war.

Das muslimische Kopftuch ist aber ein religiöses Symbol und nicht bloß ein Kleidungsstück. Die Argumentation, dass Kopftuch der Musliminnen sei „nur ein Kleidungsstück“ würde die ganze Diskussion von vornherein obsolet machen. So etwas ist im Berufsleben nämlich weder von der Religions-, noch von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt. Ein Arbeitgeber kann Bekleidungsvorschriften machen. In der Praxis haben viele Unternehmen „Dress-Codes“ und verbieten männlichen Mitarbeitern z.B. kurze Hosen während der Arbeit. In meiner Freizeit kann ich natürlich anziehen, was ich will. Wenn ich allerdings wiederholt mit kurzen Hosen oder dem T-Shirt eines Konkurenzunternehmens in die Arbeit komme, werde ich gekündigt. Und das ist arbeitsrechtlich auch haltbar.

Es herrscht in Österreich, wie VDB ausführt, Meinungsäußerungsfreiheit (und Bekleidungsfreiheit). Das stellt aber doch auch niemand infrage? Nicht einmal die FPÖ fordert ein generelles „Kopftuchverbot“ im öffentlichen Raum.

Religiöse Symbole raus aus staatlichen Einrichtungen

Wo VDB Recht hat, ist, dass ein „Kopftuchverbot“ in staatlichen Einrichtungen wie Gerichten, Schulen usw. zugleich ein Verbot aller religiösen und weltanschaulichen Symbole nach sich ziehen müsste. Christliche religiöse Symbole anders zu bewerten als muslimische – so wie FPÖ und ÖVP dies tun – ist rassistisch.

VDB meinte weiter, es würde – angesichts der um sich greifenden „Islamophobie“ – der Tag kommen, an dem man alle Frauen darum bitten müsse, aus Solidarität mit Musliminnen ein Kopftuch zu tragen.

Diese – bedingungslose – Solidarität mit Frauen, die freiwillig Kopftuch tragen, stößt vor allem eine Gruppe vor den Kopf, die in der Diskussion, insgesamt viel zu wenig Beachtung findet: Nämlich jene Frauen, die das Kopftuch gar nicht freiwillig tragen. Und Frauen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, um das Kopftuch endlich abnehmen zu können. Mit denen solidarisieren sich Linke und die Grünen leider viel zu wenig.

Der Bundespräsident sei darauf hingewiesen: Ja, es gibt durchaus Männer, die Kopftücher tragen. Und zwar im Iran. Aber sie tun dies aus Solidarität mit jenen Frauen, die vom iranischen Regime gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Das ist also genau das Gegenteil von dem, was VDB bei seiner Bemerkung im Kopf hatte.

„Islamophobie“ – ein problematischer Begriff

Auch die Verwendung des Begriff „Islamophobie“ ist durchaus kritisierenswert. Es sollte sich herumgesprochen haben, dass der Begriff für die Diskussion untauglich ist und selbst von Musliminnen abgelehnt wird. VDB Parteifreundin und Wiener Bezirksrätin Mahsa Abdolzadeh hat im Interview mit semiosis.at den Begriff ausdrücklich als Unwort bezeichnet. Auf die Frage, warum sich die Linke mit Religionskritik am Islam so schwer tut, antwortete sie damals:

Einer der Hauptgründe dafür ist das Unwort Islamophobie, was Menschen, die den Islam kritisch beäugen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterstellt wird. Viele WissenschaftlerInnen im deutschsprachigem Raum, die den Begriff der “Islamophobie” benutzt haben, stehen der Ideologie islamistischer Organisationen – wie z.B. der der Moslembrüderschaft – sehr nahe. Mit dieser Etikettierung wird jegliche Diskussion und progressive Auseinandersetzung im Keim erstickt, und die KritikerInnen des Islamismus werden mundtot gemacht.

„Die neuen Juden“?

Die wohl absurdeste Aussage macht VDB dann aber am Schluss seines Statements, indem er das Kopftuchträgerinnen mit JudInnen zu Zeiten des Nationalsozialismus gleichsetzt. Diese Gleichung ist derart falsch, dass sie einen schlicht fassungslos zurück lässt. Und sie ist eine unglaubliche Respektlosigkeit gegenüber den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung. JüdInnen wurden von einem menschenverachtenden, autoritären Regime gezwungen dieses rassistische Symbol zu tragen – und das gegen ihren Willen. Kein Mensch hat freiwillig einen Judenstern getragen. Ich hoffe doch, dass das auf die Trägerinnen des Kopftuchs (in Österreich) nicht zutrifft. Wenn dann trifft eine solche Bemerkung auf Frauen im Iran oder Saudi Arabien zu, die das Kopftuch nicht freiwillig tragen. Wobei das Kopftuch für Frauen im Iran angesichts all der anderen misogynen Repressalien das kleinste Problem darstellt. Dennoch ist es ein Symbol für diese Repressalien – und keinesfalls für Freiheit.

Es bleibt mir nur, mich dem Aufruf jener acht Frauen anzuschließen, die VDB einen offenen Brief geschrieben haben: „Herr Bundespräsident, gehen Sie in sich. Denken Sie über Ihre Aussagen nochmals nach.“

8 Gedanken zu „Falsch, aus vielen Gründen. Anmerkungen zu Alexander van der Bellens Kopftuch-Statement“

  1. VDB ist ja schon was doof, wenn er das gesagt hat…. mit den Landfrauen zu vergleichen ist gelinde gesagt urdumm. Das war einfach auch eine Sache des Schutzes vor all dem Staub, in Zeiten wo z.B. eine allabendliche, warme Dusche nebst Haarfön vllt noch nicht gängig war. Das Tragen hat eine völlig unterschiedliche Ursache. Das „nur Textit“ kann ich jetzt langsam nicht mehr hören, denn seltsam, vor noch einigen Jahren war es nicht so verbreitet. Ich werde sicher nicht ein Kopftuch tragen, damit gäbe ich denen die Steinzeitislam verbreiten. Die sog. Toleranz und Solidarität bewirkt das Gegenteil.

    Antworten
    • Ich würde nicht sagen das Toleranz das Gegenteil bewirkt. Was Solidarität anbelangt sollte man sich aber schon anschauen mit wem man sich solidarisch erklärt. Mit einer Ideologie (das ist jetzt im Islam genau so, wie im Katholizismus und im orthodoxen Judentum) die die Gleichheit und Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage stellt kann ich mich nicht solidarisieren.

      Antworten
  2. Endlich jemand, der nicht nur mit linker Rethorik versucht zu beschwichtigen
    was gesagt wurde, sondern haarscharf die wahren Hintergründe der Empörtheit
    analysiert, und gut erklärt was Sache ist, vielen Dank Christoph.
    Ich würde aber noch weitergehen, was das Kopftuch angeht, nämlich, dass ein
    großer Teil der jungen Muslimas zum Trotz den Hiqab(kein normales Kopftuch)
    freiwillig anzieht, um zu zeigen, wir sind anders, wir sind Muslime und ihr anderen
    nur Ungläubige(die auch oft mit Schweinen gleichgesetzt werden, denn wir sind alle unrein, so steht es im Koran, ich habe es gelesen!), es vermittelt die wahre Stärke des Islam, und dass sich die meisten selbst zu uns abgrenzen wollen!

    Antworten
    • Das denke ich auch, dass das ein relevanter Aspekt ist. Der Hijab ist da sicher ein Zeichen sich zu einer Gruppe zugehörig zu fühlen und von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen.

      Danke übrigens für den Hinweis. Es wäre besser gewesen schon im Ursprungstext Hijab statt „muslimusches Kopftuch“ zu schreiben. Ist einfach präziser.

      Antworten
  3. Guter Artikel! Der Begriff „Islamophobie“ wird ja schon einigermaßen kritisch rangenommen, auch, wenn man dieses Unwort besser erklären könnte, wie z.B. hier: http://www.heiko-heinisch.net/der-begriff-islamophobie/

    Aber wieso soll es rassistisch sein, wenn man religiöse Symbole unterschiedlich bewertet? Der Islam ist doch keine Rasse, wie manchmal mit dem Begriff „antimuslimischer Rassismus“ suggeriert werden soll.

    Haben sie schon einmal vom „antijüdischen Rassismus“ gelesen? Nein, dort heißt das „Antisemitismus“, also müsste es bei den Moslems korrekterweise „Antiislamismus“ heißen. Aber mit Islamismus haben ja viele ein Problem.

    Oder haben sie schon mal von „antichristlichem Rassismus“ gelesen? Wie nennt man es sonst, wenn Christen z.B. keine Kirchen in Saudi Arabien errichten dürfen?

    Die Lage in Saudi Arabien im Detail:
    Bibeln einführen: Verboten!
    christlichen Gottesdienst feiern: Verboten!
    christliche Symbole: Verboten!
    Kirchen: Verboten!
    Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion: Todesstrafe!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar