Kanzler Kern, die KPÖ und die Glaubwürdigkeit

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Warum Glaubwürdigkeit das Lebenselexir linker Politik ist, erklärt unser Gastautor Franz Parteder. Er ist der „strategische Kopf“ hinter dem Erfolg der Grazer KPÖ. Sie erzielt nicht nur gute Wahlergebnisse von rund 20 Prozent. Sie gestaltet nach den Wahlen auch Politik der Stadt.


I.  SPÖ-Geschäftemacherei und Politik unter falscher Flagge

Wie verantwortungslos die Gruppe um Christian Kern in der SPÖ agiert, sieht man an folgenden Meldungen: Die Sozialmärkte in Graz melden am 3. Oktober, dass sich die Zahl der armen Menschen, die dort einkaufen müssen, um 20 Prozent erhöht hat. In den Medien wird die Lohnforderung der Metaller von 4 Prozent als große Gefährdung für die Wirtschaft bezeichnet.

Und gleichzeitig fliegt die enge Verflechtung des SPÖ-Spitzenteams mit unsauberen Geschäftemachern auf. Der Verdacht erhärtet sich, dass die schmutzigen Wahlkampfteams auch den Zweck hatten, das Geschäftsmodell von Gusenbauer, Schweighöfer, Benko oder Schlaff über die Runden zu bringen.
Nach außen redet man von sozialer Gerechtigkeit. Im inneren Kreis sucht man nach hochprofitablen Anlagemöglichkeiten. Da macht es – um nur ein Beispiel zu nennen – auch nichts mehr, dass die Ehefrau des Kanzlers eine Firma betreibt, die Software zur Überwachung von Kunden der E-Wirtschaft über intelligente Stromzähler entwickelt hat.

Das alles geht auf keine Kuhhaut und ist jetzt aufgeflogen. Aber nur, weil diese Leute zusätzlich zu ihren „normalen“ Geschäften mit üblen Tricks im Wahlkampf mitmischen wollten.
Jetzt will sich die Gruppe um Kern damit herausreden, dass die Leute ganz andere Sorgen haben als Internetauftritte unter falscher Flagge.
Das stimmt: Die große Mehrzahl der Menschen hat Probleme: Vom Wohnen bis zur Sorge um den Arbeitsplatz. Die Gruppe um Kanzler Kern ist aber nicht in der Lage, auch nur eines dieser Probleme zu lösen. Wer Anteile an international agierenden Firmen besitzt oder im Aufsichtsrat eines Immobilienriesen sitzt, der hat kein Interesse daran, die Ursachen dieser Probleme aus der Welt zu schaffen. Ernest Kaltenegger betonte deshalb:

Ich finde, es gibt aber auch einen Sachzwang zur Glaubwürdigkeit. Wenn ich jetzt vor der Wahl sage, ich bin gegen Privatisierung, und nach der Wahl Privatisierungen zustimme, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen nicht mehr zur Wahl gehen.

Man darf sich nicht wundern, dass die klassischen Parteien des Kapitals jetzt zulegen. Ich wundere mich auch nicht darüber, dass es in Österreich bisher noch keine starke Reaktion von links auf die Versumpfung der aktuellen SPÖ-Spitze gibt.

Jede Diskussion über die KPÖ endet bei Nordkorea oder Stalins Verbrechen

Wenn jemand über Jahrzehnte hinaus in Österreich einem „dirty campaigning“ ausgesetzt war, dann war dies die gesellschaftliche Linke – und im Speziellen die KPÖ. Man merkt das auch in diesem Wahlkampf. Fast jede Diskussion im Internet endet bei Nordkorea oder bei Stalins Verbrechen. Und ich bin überzeugt davon, dass die SPÖ-Wahlkämpfer in ihrer Verzweiflung auch jetzt zu diesem Mittel greifen. Sie hoffen, dass Menschen, die sonst KPÖplus ankreuzen würden, noch einmal – ein letztes Mal – SPÖ wählen, um Schlimmeres zu verhindern.
Was Gusenbauer und Kern aufführen, das ist aber schon schlimm genug.

II. Warum Glaubwürdigkeit so wichtig ist – über den Wahltag hinaus

Trotzdem wird diese Wahl für die KPÖ nicht leicht werden. Das ist klar. Aber es gibt Hoffnung über den 15. Oktober hinaus. Für die KPÖ und die Linke.
Das ist einmal die Glaubwürdigkeit der Mandatarinnen und Mandatare der KPÖ.
Beispiel Graz: Mit Ernest Kaltenegger, Wilfriede Monogioudis, Elke Kahr und Robert Krotzer ist die KPÖ seit fast 20 Jahren in der Grazer Stadtregierung vertreten – ohne einen einzigen Skandal. Die KPÖ hat in Wahlkämpfen nie versprochen, was nicht zu halten war. Und man hat sich nicht angreifbar gemacht. Wer all die Jahre dabei war, weiß, dass man jeden Tag aufpassen muss. Nur ein Beispiel: Wenn ein stadtbekannter Immobilienentwickler das Angebot macht, eine namhafte Summe völlig uneigennützig für soziale Zwecke zu spenden, dann muss man das ablehnen.

Beispiel Junge Grüne: Ich muss gestehen, dass ich anfangs große Vorbehalte gegenüber der Kandidatur von Flora Petrik und anderer auf unserer Liste hatte. In der Zusammenarbeit mit ihnen habe ich aber herausgefunden, dass es dieser Gruppe nicht nur um einen Wahlkampf geht. Sondern um die grundlegende Umgestaltung der Gesellschaftsordnung in Richtung Sozialismus. Es war in Wirklichkeit für die Jungen Grünen auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, mit den Parlamentsgrünen zu brechen und die Zusammenarbeit mit der KPÖ zu suchen. Dort winkt kein leicht zu bekommendes Mandat, sondern harte Arbeit ohne große finanzielle Unterstützung.

Glaubwürdigkeit kann man wählen. Das war eine der Losungen von Elke Kahr im Gemeinderatswahlkampf. Glaubwürdigkeit kann man wählen: Auch am 15. Oktober. Wie viele Menschen das Angebot von KPÖplus annehmen werden, das ist die große Frage.


Franz Stephan Parteder (69), war Landesvorsitzender der steirischen KPÖ (1991 – 2010) und Bezirksvorsteherstellvertreter. Lebt in Graz.

1 Gedanke zu „Kanzler Kern, die KPÖ und die Glaubwürdigkeit“

  1. Lieber Franz Stefan Parteder!

    Zuerst einmal vielen Dank für deinen Beitrag, dem Argument, warum Glaubwürdigkeit vor allem für linke Politik so wichtig ist, kann ich absolut folgen. Für mich ist die KPÖ fern der Verbrechen des stalinistischen Regimes und will auch sicher keine nordkoreanischen Zustände in Österreich. Es gab aber immer wieder Vorfälle, bei denen ich nicht so recht wusste, was ich nun von der KPÖ halten soll:

    * Bei den Nationalratswahlen 2006 gab es die Ankündigung, die unterschiedliche Namensgebung des BZÖ in den verschiedenen Bundesländern als Anlass zu einer Wahlanfechtung zu nehmen. Schlussendlich wurde es eine Anfechtung der 4% Hürde, bei der die Aussicht auf Erfolg extrem niedrig lag. Ich verstehe noch immer nicht, wie es zu so einer sinnlosen Anfechtung gekommen ist – falls man drauf kommt, dass eine Anfechtung wegen des ursprünglichen Grundes nichts bringt, ist es doch ehrlicher, offen zu sagen, dass das Geldverschwendung wäre.

    * Ich kann absolut verstehen, dass der Konflikt mit seinen BewohnerInnen durch den Verkauf des EKHs beigelegt werden wollte. Warum es aber relativ günstig an einen Immobilienverwalter mit rechtsradikalen Kontakten (die dann im EKH auch immer wieder mal „aufzuräumen“ versuchten) verkauft wurde, verstehe ich nicht. Durch den Verkauf an die Stadt Wien hat dieser Verwalter (wenn ich den Wikipedia Artikel zur KPÖ richtig lese) auch noch über eine Million Euro Gewinn gemacht…

    * Die Aufnahme der Jungen Grünen: es war ohne Zweifel ein riesiger Fehler der Grünen, diesen Konflikt so aufzulösen. Ich bin aber ehrlich gesagt überfragt, wie ich mit einer Politikerin umgehen sollte, die mit der Jugendorganisation eine Konkurrenzveranstaltung zur eigenen Studierendenliste bei den ÖH Wahlen finanziert, obwohl es klar war, dass die Bundespartei diese nicht finanzieren will. Wenn eine Mitarbeiterin die gesamte Gruppe so unter Zugzwang stellt, ist für mich sämtliches Vertrauen verspielt.

    Die ersten beiden Punkte liegen für mich hauptsächlich im Einflussbereich der Wiener KPÖ, aber der dritte liegt für mich stark bei der (mir eigentlich sympathischeren) Grazer KPÖ. Rein subjektiv kann ich sagen, dass eine KPÖ mit mehr Frauen wie Juliana Okropiridse für mich wesentlich wählbarer sind also eine KPÖ mit Frauen wie Flora Petrik. Bei der Wahl wirds für mich jedenfalls eine schwere Entscheidung, trotzdem wünsche ich euch alles Gute,

    Martin

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