Sanitätsdirektion Tirol am 10. April 2020 zum Corona-Virus: Das Übertragungsrisiko von Mensch zu Mensch ist relativ gering

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By Sebastian Reinfeldt

Nicht nur in der aktuellen Ausgabe der Stadtzeitung Kitzbühl, sondern auch an einer Corona-Test-Station in Innsbruck informiert die Landessanitätsdirektion Tirol missverständlich über das Übertragungsrisiko des Virus. Sebastian Reinfeldt hat beide Fälle recherchiert. Wir stellen Kopien der Dokumente im Text als Download zur Verfügung.

Im offiziellen Tirol scheint ein Verständnis für die Tragweite des Corona-Virus und für die Auswirkungen der eigenen, unterlassenen Maßnahmen bis heute nicht zu bestehen. Mit gravierenden Folgen für die Tirolerinnen und Tiroler – jedenfalls dann, wenn sie den Mitteilungen ihrer Landesregierung Glauben schenken.


Aktuelle Ausgabe des Mitteilungsblattes der Stadtverwaltung Kitzbühel

Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung Kitzbühl

Die Tiroler Behörden hätten ja bekanntlich „alles richtig“ bzw. das „Menschenmögliche“ gemacht, meinen unisono Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg und Landeshauptmann Günther Platter. Allerdings: Noch am 16. März (also Tage nachdem die Quarantäne über das Paznauntal verkündet worden war) veröffentlichte das Land Tirol ein Allgemeines Covid Informationsblatt. Wie die Tiroler Tageszeitung am Wochenende berichtet, gibt diese Information vom 16. März offenbar bis heute die Einschätzung der Lage durch die Landesregierung wieder. Sie findet sich nämlich in der aktuellen Stadtzeitung Kitzbühl vom April 2020. Diese Zeitung ist das Mitteilungsblatt der dortigen Stadtverwaltung. Darin lesen wir die folgende Aussage:

Nach bisher vorliegenden Informationen besteht die Möglichkeit einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch eine Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Das Übertragungsrisiko von Mensch zu Mensch ist relativ gering und liegt nach derzeitigem Informationsstand etwas höher als jenes der Influenza. Vergleichsweise sind Masernviren 5–7x leichter übertragbar.

AGES und Gesundheitsministerium: Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung stellt den wichtigsten Infektionsweg dar

Zum Vergleich: Die AGES, die eng mit dem Sozial- und Gesundheitsministerium zusammenarbeitet, veröffentlicht auf ihrer Internetseite zu diesem Thema folgende Aussagen:

Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung stellt den wichtigsten Infektionsweg dar. Neben den Sekreten des Atmungstraktes und Speichel könnten auch Ausscheidungen (Harn, Stuhl) und Körperflüssigkeiten (Blut, Rippenfellflüssigkeit, Gelenkspunktate, usw.) infektiös sein.Viele Menschen haben jedoch nur leichte Symptome. Dies gilt insbesondere in den frühen Stadien der Krankheit. Es ist daher möglich, sich bei einer erkrankten Person anzustecken, die beispielsweise nur einen leichten Husten hat und sich nicht krank fühlt – die Symptome sind aber trotzdem vorhanden, wenn auch nur leicht.

Während die Tiroler Landesregierung also ernsthaft kommuniziert, dass das Übertragungsrisiko von Mensch-zu-Mensch „relativ gering“ sei, stuft die AGES dies als den „wichtigsten Infektionsweg“ ein.

Offizielle Information beim Corona-Screening in Innsbruck am 10. April 2020

Man könnte einwenden, dass die Kitzbühler Stadtzeitung ungeprüft eine veraltete Version eines Infoblattes übernommen habe. Aus Versehen, wie zur Zeit in Tirol so viel passiert. Aber noch am Freitag, 10. April, wurde derselbe Text in Innsbruck an der Screening-Station bei der KFZ-Werkstatt Anzengruber in der Rossaugasse von 9 bis 11 Uhr verteilt. Titel: COVID-19 – Informationsblatt für eine erkrankte abklärungsbedürftige Person. In der Test-Station arbeiten das Rote Kreuz samt ÄrztInnen mit der Feuerwehr, der Mobilen Überwachungsgruppe Innsbruck und der Polizei zusammen. Zum Test fahren dürfen nur diejenigen, die zuvor die Hotline 1450 kontaktiert haben. Auf der ersten Seite der Information lesen sie dann ebenjene fatale Einschätzung:


COVID-19 – Informationsblatt für eine erkrankte abklärungsbedürftige Person

Die Rückseite dieses Infoblatts Verdachtsfall enthält allgemeine Ratschläge, wie sich eine „erkrankte, abklärungsbedürftige Person“ verhalten sollte. Es stellt sich die Frage, wer für das Verteilen solcher Informationen an so seniblen Orten verantwortlich ist. Außerdem ist aufklärungsbedürftig, wie es passieren kann, dass die Landesregierung weiterhin beschwichtigt, statt dass sie korrekt informieren würde.


Unsere Recherchen zum Fall Tirol:


 

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