Ischgl am Wörthersee?

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By Sebastian Reinfeldt

Wir machen Urlaub in Österreich. So lautet die Devise der Bundesregierung. Denn der ist sicher. Das Virus komme vom West-Balkan, daher erschwert die österreichische Bundesregierung die Einreise von dort. Schau auf dich, schau auf mich. So ähnlich tönt es derzeit aus den Radios und Fernsehapparaten. Doch ist der Urlaub in der Heimat wirklich sicher? Sebastian Reinfeldt hat sich an einen Urlaubs-Hotspot begeben: nach Velden an den Wörthersee. Der Ort ist in vielerlei Hinsicht mit Ischgl vergleichbar, denn er ist eng, lebt fast ausschließlich vom Tourismus und ist für seine Partynächte bekannt. Und das nicht nur beim Jet-Set. Eine Reportage.


Flugblatt in Velden

Als ich am Nachmittag in Velden ankomme, ist noch alles ruhig. Die Sonne steht hoch am Himmel, jede und jeder sucht irgendwo Schatten. Ein Café an der Hauptstraße bietet zu dieser Zeit ein ruhiges Plätzchen. Die Kellnerin, die mir einen Kaffee bringt, trägt ein Schutz-Visier. Ich sitze an einem Ort, der innerhalb der Veldener Corona-Schutzzone liegt. Ab 21 Uhr herrscht hier Maskenpflicht für alle, die auf der Straße schlendern. Das sagt ein Plakat, das auf dem Gehsteig steht und darüber informiert ein Flugblatt. Vorher ist es in dieser Zone also sicher, meint die Behörde. Am Nachmittag im schattigen Kaffeehaus scheint das auch zu stimmen. Alles ist auf Abstand. Also: Haben sie in Velden alles richtig gemacht?

Im Strandbad an der Bar: Null Abstand

Ab in den See. Für 3 Euro 40 geht das sogar überraschend preiswert. Auf der Wiese des Veldener Strandbads tummeln sich Leute ohne dicke Brieftasche, die baden wollen. Das Bad ist bereits etwas in die Jahr gekommen. Auf der Liegeweise achten sie auf Abstand. Doch schon an der Bar in der Mitte des Areals steht man zu dieser Uhrzeit bereits eng an eng. Und trinkt.
Unter der Woche kommen rund 700 Menschen. An den Wochenenden mehr„, erzählt die freundliche Dame an der Kasse. Da können es schon mal um die 1000 Personen werden. Dann wird es auch auf der Wiese definitiv eng. Dennoch: „Es sind schon weniger als sonst„, sagt sie. Und weiter:

Man merkt, dass es anders ist. Mehr junge Leute. Bei denen ist es dann ja nicht so gefährlich, wenn es eine Ansteckung gibt.

Das Virus ist also in den Köpfen präsent. Zumindest hier.

Auf der Promenade am Schiffsanleger: Warten ohne Abstand

Das Konzept eines Urlaubs in Velden erschließt sich mir, ehrlich gesagt, nicht wirklich. Was tut man dort den ganzen Tag? Am Tag ist man am See und betreibt irgendein Wasserschi-Vergnügen. Ok. Und am Abend zeigt man sich auf der Promenade und feiert irgendwas in einer der Bars. Zum Flanieren ist die Promenade in diesem Ort am Wörthersee sehr schmal. Das geht sich nur eine Spur in jede Richtung aus. Bis 21 Uhr trägt dort praktisch niemand Maske. So hat sich vor dem Schiffsanleger eine Menschenansammlung gebildet. Die Leute warten dicht gedrängt, bis dass der Dampfer anlegt.

Schiffsanleger in Velden

Sie warten ohne Maske. Denn die muss man ja erst auf dem Schiff tragen. In Velden ist wohl auch die Logik auf Urlaub.

Ab 18 Uhr wird es belebter im Ort. Ich gehe zurück zu meinem Nachmittagscafé. Die Jungs mit den dunklen Sonnenbrillen cruisen bereits mit ihren Wagen den Coros entlang, auf der engen Promeande schlängeln sich die Menschen Richtung Abendessen in eines der Restaurants. Hier geht ohne Vorrreservierung nichts. Wie gesagt, das Konzept eines Urlaubs in Velden erschließt sich mir nicht. Abends geht es wohl wirklich nur um das Sehen und Gesehen-Werden.

Disco, Disco, Party, Party

Partynacht in Velden. Quelle: ZDF-Magazin Frontal 


Die Maskenpflicht gilt ab 21 Uhr. Aber nur, wenn man auf den öffentlichen Flächen im Stadtzentrum unterwegs ist. Sie gilt nicht, wenn man in einer der Bars sitzt und etwas konsumiert. Ein Bier oder ein Cocktail in einer Bar fungiert als eine Art Masken-Ablasshandel. Mit Konsumation ist man maskenfrei und kann also das Virus nicht übertragen? Nur: Ob sich auch das Virus an diese Art weltliche Gegengeschäfte hält, ist fraglich. Die Kollegen vom ZDF-Magazin Frontal waren ein paar Tage zuvor nach 21 Uhr in den engen Gassen Veldens unterwegs. Ihr Resümee: Es gelten null Abstandsregeln, und ein großes Areal rund um die Bars wurde weiträumig zur maskenfreien Partyzone erklärt. Die Ordnungskräfte sind hilflos und völlig überfordert. Im Grund genommen haben sie Ischgler Verhältnisse am Wörthersee vorgefunden.

Die Veldener Gäste sind Schuld

Grund genug für eine Nachfrage. Was ist der Hintergrund dieser Verordnung, die bis Freitag dieser Woche noch gilt? Die Veldener Gäste seien Schuld. Das meint jedenfalls die Kärntner Landesregierung in einer Stellungnahme auf Semiosis-Anfrage zu den Gründen der seltsamen Maskenpflicht nach 21 Uhr.

Das Verhalten einiger Besucherinnen und Besucher hatte Diskussionen und Besorgnis ausgelöst. Politik, Gastronomiebetriebe und Tourismusverantwortliche appellierten daraufhin eindringlich für die Einhaltung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen und insbesondere der Abstandregelungen im öffentlichen Raum.

Natürlich ist jede und jeder selbst Schuld, wer sich in Zeiten von Corona in Gefahr begibt und an diesen Corona-Partys teilnimmt. Dem lässt sich nicht widersprechen. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass die Tourismusverantwortlichen in Velden genau dieses unvernünftige Verhalten nicht nur dulden, sondern provozieren. Dass der Massentourismus nachts in den Bars entlang der Hauptstraße landet, ist doch genau so gewollt. Der Jet-Set hat seine eigenen Seezugänge, auf denen auch tagsüber Abstandhalten kein Problem ist.

 

Denn sie sind groß genug und die Zahl der Gäste wird durch die Übernachtungspreise geregelt. Eine Nacht in einem der entsprechenden Hotels kostet schließlich bis zu 700 Euro.

Wer profitiert?

Die Region ist Pilotregion für das Corona-Testprogramm im Tourismus, erläutert die Kärtner Landesregierung in ihrer Stellungnahem weiterhin stolz. Bislang sind mehr als 1000 Tests durchgeführt worden. Dieses sind für die Mitarbeiter in den Betrieben vorgesehen, nicht für die Gäste. Der Plan im Infektionsfall lautet, so die Landesregierung:

Infizierungen durch ein schnelles Contact Tracing und die Containment-Strategie entgegenzuwirken.

Ein Blick hinter die Kulissen lässt erkennen, wer im Ort das Sagen hat. An der zentralen Veldener Tourismusgesellschaft sind die Casinos Austria mitbeteiligt, die vor dem Casino  eine der großen Bars in der Innenstadt betreiben. Unter dem Dach der Veldener Fremdenverkehrsförderungsgesellschaft wiederum treffen sich die Seegemeinden und einige der großen Hotels.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass in Velden eine Wette läuft. In den wenigen Wochen Urlaubszeit so viel Umsatz zu machen wie möglich. Und danach? Dann kommt das Contact Tracing.

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