Das Desinformationsprojekt des russischen Militärgeheimdienstes

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By Redaktion Semiosis

Gelenkte Berichterstattung des Kremls mitten in Europa: Was die Plattform The Insider in Zusammenarbeit mit der Rechercheplattform Bellingcat herausgefunden hat, geht über das Anfüttern von Journalist*innen mit ausgewählten Dokumenten hinaus. Sie enthüllen eine organisierte Desinformationskampagne des russischen Militärgeheimdienstes über die Umstände des Abschusses von Flug MH17. Der Hintergrund: Laut der internationalen Strafermittlung stammte die Rakete, mit der die Maschine vom Himmel geholt wurde, von der in Kursk stationierten 53. Luftabwehrbrigade der russischen Streitkräfte. Von dort aus wurde die Lenkwaffe in die Ukraine zu einem von prorussischen Rebellen kontrollierten Feld in der Nähe von Perwomajskyj transportiert, dort abgefeuert und der Raketenwerfer am selben Tag zurück nach Russland gebracht. So die Zusammenfassung der Ermittlungen des Joint Investigation Teams (JIT) auf Wikipedia.

Niederländische Journalist*innen – die MH17 war auch ein Codeshare-Flug der KLM – verbreiteten Anfang 2020 dazu alternative Thesen. Ihnen zufolge hätte ein ukrainischer Kampfjet die Maschine abgeschossen; die Ergebnisse des JIT seien fragwürdig. Diese Kampagne erfolgte unter der Kontrolle und Führung des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Dies beweist die von unabhängigen Aktivist*innen gehackte Korrespondenz zwischen russischen Geheimdienst-Generälen. The Insider hat herausgefunden, dass die russischen Offiziere mit den niederländischen Bonanza-Medien kooperiert, Materialien erstellt und korrigiert haben. Semiosis dokumentiert mit Zustimmung von The Insider diese Recherche. Der fragliche niederländische Blogger hatte als Reaktion in Russland eine Zivilklage eingereicht, die als legale Fassade für eine Hausdurchsuchung des Mitbegründers von The Insider fungierte. Ihr ging voraus, dass das Medium und seine Mitarbeiter*innen – als 16. im Land – zu ausländischen Agenten erklärt wurden. Unsere Übersetzung, die Sebastian Reinfeldt angefertigt hat, folgt im Prinzip dem russischen Artikel von The Insider, wobei wir einige ergänzende Informationen aus dem Bellingcat-Beitrag eingefügt haben. Somit veröffentlichen wir als erstes deutschsprachiges Medium eine übersetzte Version dieser wichtigen und folgenreichen Recherche.


Was ist Bonanza Media?

Bonanza Media ist ein Medienprojekt, das sich der Veröffentlichung alternativer Versionen des Absturzes der Malaysia-Airlines-Flug MH17 verschrieben hat. Bonanza wurde Anfang 2019 von der ehemaligen Russia Today-Journalistin Yana Yerlashova gegründet – unterstützt vom niederländischen Blogger Max van der Werff. Yerlashova und insbesondere van der Werff waren zu diesem Zeitpunkt bereits bei Verschwörungstheoretiker*innen bekannt, die den Ergebnissen der offiziellen Ermittlungen des Joint Investigation Teams (JIT) nicht trauten. In ihrer Zeit beim staatsnahen Kanal Russia Today erstellte Yerlashova bereits Dokumentarfilme, die die niederländischen Ermittlungen kritisierten. Dabei warfen ihr niederländische Medien unter anderem vor, aus Gründen der Verschwörungserzählung ein Wrackteil des Flugzeugs in der Nähe der Absturzstelle drapiert zu haben. Max van der Werff, der die ukrainischen Behörden obsessiv kritisiert und mit den Separatisten im Donbass im Osten der Ukraine sympathisiert, tauchte auch als ein fixer Bestandteil in den Berichten russischer Staatsmedien auf. Dort verteidigte er die Behauptung, dass Russland nicht am Abschuss der Boeing beteiligt gewesen sei.

Die angebliche ‚wahre Wahrheit‘

Daher war es für diejenigen, die die Untersuchung des MH17-Absturzes verfolgten, keine Überraschung, als van der Werff und Yerlashova eine Kickstarter-Kampagne begannen. Sie sammelten Gelder für einen neuen ‚unabhängigen‘ Dokumentarfilm über den Absturz der MH17, der versprach, die ‚wahre Wahrheit‚ [the real truth] zu enthüllen. Für die relativ kleine, aber verschworene Gemeinschaft von Verschwörungstheoretiker*innen schien dieses Projekt eine lobenswerte Initiative zu sein. Das Projekt soll in 18 Tagen von 67 anonymen Sponsor*innen etwas mehr als 23.000 US-Dollar gesammelt haben. Der größte Teil der Finanzierung stammte wohl von niederländischen Spendern. So stellten es die Initiator*innen jedenfalls dar. Gleichzeitig beschwerten sie sich auf Twitter, dass aus Russland keine Gelder eingegangen seien.

Kleines Budget, überraschend große Wirkung

Im Laufe des nächsten Jahres gelang es Bonanza Media, dieses bescheidene Budget in überraschend großem Umfang einzusetzen: Das Team pendelte zwischen Malaysia, Russland, der Ostukraine und den Niederlanden hin und her und drehte eine Reihe von Dokumentationsfilmchen. In ihnen traten einige ‚Zeugen‘ des angeblichen Abschusses von MH17 durch einen ukrainischen Kampfjet auf. Außerdem veranstalteten sie mehrere Pressekonferenzen in den Niederlanden und Malaysia. Zudem gaben sie eine Studie eines Cybersicherheitsexperten aus Malaysia in Auftrag. Er sollte eine Untersuchung der abgehörten Telefongespräche im Strafverfahren durchführen. Nicht überraschend kam der ‚Experte‘ zu dem Schluss, die Audioaufnahmen seien manipuliert worden.

Resonanz nur in den Kremel-Medien

Trotz all dieser Bemühungen wurde das Bonanza-Projekt, abgesehen von den Kreml-Medien, kaum wahrgenommen. Ihre Pressekonferenzen besuchten nur eine Handvoll Leute. Die großen Medien und besonders die Angehörigen der Opfer ignorierten sie. Bonanza erregte erst im Januar 2020 Aufmerksamkeit, als sie bekannt gaben, zuverlässige Informationen zum MH17-Dossier erhalten zu haben, die bislang noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien. Wir dokumentieren den Ankündigungstweet vom 12. Januar 2020.

Dokumente, die der russische Geheimdienst leakte

In den nächsten zwei Monaten – kurz vor Beginn des MH17-Prozesses – veröffentlichte Bonanza dann eine Reihe von ‚Leaks‘ interner Dokumente des Joint Investigation Teams (JIT). Tatsächlich handelte es sich dabei um Dokumente, die von den JIT-Servern gehackt wurden. Sie enthielten indes nichts, was die Arbeit des JIT in ein schiefes Licht hätte rücken können. Allerdings versuchten die Medien und Funktionäre des Kreml, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate für angebliche Enthüllungen zu nutzen.

Woher stammt das Material?

Auf die Herkunft dieses Materials angesprochen, antwortete Max van der Werff, er könne die Identität der Quelle nicht preisgeben, um sich selbst und die Quelle zu schützen:

Bonanza Media äußert sich nur zum Inhalt der geleakten Dokumente. Fragen, die sich direkt oder indirekt auf die Quelle(n) beziehen, ignorieren wir. Das ist ein normales Verhalten professioneller Journalisten und lebenswichtig für die Quelle(n) und die Journalisten selbst. Siehe etwa das Beispiel von Julian Assange, WikiLeaks.

https://maxfromthewharf.com/nl/reactie-op-email-van-steven-derix/

In einer gemeinsamen Recherche haben The Insider und Bellingcat nun die Quelle dieser Dokumente ermittelt: Es war die Hauptverwaltung für Aufklärung, das leitende Zentralorgan des Militärnachrichtendienstes des russischen Militärs, kurz: GRU. Der russische Militärgeheimdienst steckte hinter dem illegalen Zugang und auch hinter der Verbreitung dieser Dokumente durch Yerlashova und Max van der Werff.

GRU-Oberst Sergei Chebanov
GRU-Oberst Sergei Chebanov. Quelle: The Insider

Kommunikation mit einem Handy unter falschem Namen

Als Yerlashova und van der Werff im Sommer 2019 die Arbeit an ihrem Dokumentarfilm beendeten und ihn auf öffentlichen Veranstaltungen zeigten, informierten sie zuvor regelmäßig den GRU-Oberst Sergej Chebanov über ihre Pläne. Dieser ist ein Absolvent der russischen Militärischen Geheimdienstakademie. Um heimlich mit dem Gründer und Geschäftsführer von Bonanza Media zu kommunizieren, besorgte er sich ein Telefon und eine SIM-Karte, die er auf den Namen einer nicht existierenden älteren Georgierin registrierte. So etwas ist die Standardpraxis für GRU-Beamte, wenn sie nicht möchten, dass ihre Anrufe zurückverfolgt werden können. Chebanov bekam beispielsweise vorab noch unveröffentlichte Entwürfe von Artikeln für die Website von Bonanza Media sowie Entwürfe von Werbematerialien für Bonanza-Events. In einer E-Mail vom 21. Februar 2020 schickte Yana Yerlashova an Chebanov einen Entwurf für einen Teaser eines Dokumentarfilms, der am 3. März 2020 in London uraufgeführt werden sollte. Der von dem Briten Theo Russell angefertigte Teaser wurde zunächst an Yerlashovas Medienassistentin Elena Plotnikova zur Genehmigung geschickt. Plotnikova wiederum ist eine aktive Unterstützerin des Kremls aus den Niederlanden und Mitglied einer undurchsichtig finanzierten Organisation namens Global Rights for Peaceful People, deren Hauptaufgabe es laut eigener Angaben ist, ‚Separatisten‘ in der Ostukraine zu schützen.

Schau dir bitte kurz den Text an 🙂

Eine halbe Stunde später:


Begleitmail: Schau dir bitte kurz den Text an. Quelle: The Insider

Schau dir bitte kurz den Text für Theos Werbung an 🙂

Wenn alles passt, dann wird er es verschicken und ein Event in den Sozialen Medien mit genau diesem Text ankündigen.

Ein weiteres Beispiel für die Interaktion mit dem russischen Geheimdienst GRU: Am 3. Mai 2020 schickte Yana Yerlashova ihrem GRU-Kontakt einen Entwurf eines Artikels des niederländischen Bonanza Media-Mitarbeiters Eric van de Beck per E-Mail. Der Artikel wurde am nächsten Tag auf BonanzaMedia.com veröffentlicht.

Kopie der Mail, die den Artikelentwurf enthält. Quelle: The Insider

Zwischen der Kopie, die Yerlashova dem GRU-Offizier vorgelegt hat, und der veröffentlichten Version wurden nur zwei wesentliche Änderungen an van de Becks Artikel vorgenommen. Beide Bearbeitungen haben die Kritik an der Rechercheplattform Bellingcat verstärkt.

Korrekturen im Artikelentwurf durch die GRU. Quelle: The Insider

Andere E-Mails in der Mailbox von Oberst Chebanov zeigen zudem, dass der Geheimdienst GRU ein besonderes Interesse an Bellingcat hatte. Die E-Mail vom 9. Oktober 2019, die aus dem ‚linken‘ Postfach an Oberst Chebanov gesendet wurde, enthält zwei Anhänge: einen mit der Bezeichnung Brief an Higgins und den anderen mit dem Titel Einladung an Higgins zur Konferenz 29102019. Die E-Mail enthält Bilder und den Text einer Einladung zur öffentlichen Vorführung des Dokumentarfilms von Bonanza in Den Haag, die für den 23. Oktober 2019 geplant war. Die Datei enthält zudem eine Auswahl des Einladungstextentwurfs, Screenshots von der Facebook-Seite Global Rights for Peaceful People und einen Link zu einem Tweet von Eliot Higgins, Geschäftsführer von Bellingcat. Higgins hatte 4 Tage zuvor eine E-Mail-Einladung zu der Veranstaltung erhalten und daraufhin kritisch über die Ursprünge der Organisation getwittert. Es scheint, dass diese Korrespondenz auf die Vorbereitung eines Phishing-Angriffs auf Higgins hindeutet. Davor hatte er, wie andere Mitarbeiter*innen von Bellingcat und The Insider, wiederholt Phishing-E-Mails von GRU-Hackern erhalten, die als APT28 und Fancy Bear bekannt sind.

Weihnachtstrubel

Am 6. Januar 2020, während Russland noch die Neujahrsferien verbrachte, liefen die Arbeiten im GRU-Hauptquartier an der Khoroshevskoye Shosse 76B auf Hochtouren. Vom Morgen an korrespondierte Chebanov mit Yana Yerlashova per Mail und SMS. Um 11:42 Uhr schickte Yana dem Oberst ein Foto ihres Passes und um 15:37 Uhr schickte sie auch einen Scan des Passes des Betreibers Bonanza Media, eines Mitarbeiters von RT, Vitaly Biryukov – ebenfalls per Mail.

Kurz darauf rief Oberst Chebanov seinen vorgesetzten Kollegen an. Dabei handelt es sich um Generalmajor Andrei Ilchenko, den Assistenten des Chefs der GRU, Igor Kostjukow. Handy-Metadaten zeigen, dass Ilchenko sich in der Nähe der Militärbasis des Radioelektronischen Geheimdienstes bei Moskau aufgehalten hat, in Schtscholkowo. Dort wird er die nächsten zwei Tage bleiben. Chebanov und Ilchenko kommunizierten die ganze Nacht weiter.

Am nächsten Tag begann Yana Yerlashova mit den Vorbereitungen für die Dreharbeiten. Sie rief zweimal an, kam aber nicht durch. Der 7. Januar ist ja in Russland noch ein freier Tag. Am 8. und 9. Januar kam es zu 10 Telefongesprächen zwischen Yerlashova und Chebanov. Das ergibt jedenfalls die Auswertung der Telefondaten. Ebenso sind drei Gespräche mit Ilchenko aufgeführt. Yerlashov und and Chebanovs letzter Kontakt am 9. Januar 2020 war spät abends um 22:22 Uhr, und zwar eine SMS. Chebanov wechselte für Gespräche mit Yerlashova und mit Ilchenko die Telefone. Für die Gespräche mit letzterem verwendete er sein normales Diensthandy.

Die GRU organisiert eine Reise

Am nächsten Morgen, dem 10. Januar um 10:16 Uhr, schickte Chebanov an Ilchenko per E-Mail zwei Kopien der Pässe, welche Yerlashova ihm zuvor geschickt hatte. Zwei Stunden später sendete Ilchenko eine Reihe von Textnachrichten an Anna Soroka, die stellvertretende ‚Außenministerin‘ der selbsterklärten Volksrepublik Lugansk und rief unmittelbar danach Yana Yerlashova an. Nach weiteren 2 Stunden, um 14:20 Uhr, übermittelte General Ilchenko an Anna Soroka die zwei Kopien der Pässe. Bald nach dem Gespräch mit Yerlashova verließ Ilchenko laut Telefonmetadaten auch das GRU-Hauptquartier.

Und nach anderthalb Stunden schickte er an Anna Soroka per E-Mail einen Scan des Passes von Max van der Werff.

Passkopie van der Werff, die an den GRU übermittelt wurde. Quelle: The Insider

Wer kontrolliert sie?

Das Foto von Max van der Werffs‘ Reisepasskopie enthielt Metadaten, die zeigen, dass es am selben Tag um 15:49 Uhr mit einem iPhone 6s aufgenommen wurde – 3 Minuten bevor Ilchenko es per E-Mail an seinen Donbass-Kontakt schickte. Andere Fotos, die Ilchenko zu verschiedenen Terminen geschickt hat, zeigen, dass er genau das iPhone-Modell verwendete, sodass er anscheinend selbst das Original oder zumindest eine Kopie von Max van der Werffs Reisepass fotografiert hat. Der Ort, an dem das Foto aufgenommen wurde, ist nur eine kurze Autofahrt vom GRU-Hauptquartier entfernt, was darauf hindeuten kann, dass Ilchenko Max van der Werff entweder persönlich getroffen hat oder jemanden, dem Max eine gedruckte Kopie seines Reisepasses anvertraut hat. Max van der Werff, den wir über Twitter kontaktierten, lehnte es ab, unsere Fragen zu den Umständen seiner Beziehung zu Ilchenko und der GRU zu beantworten.

Warum Ilchenko die Verantwortlichen der Volksrepublik Lugansk anrief und Scans von Pässen und Pässen schickte, wird aus der Antwort deutlich, die er später an diesem Tag von Anna Soroka erhielt. Um 16:32 Uhr antwortete sie ihm per E-Mail:

“ Ich müsste sie koordinieren. Wer sind die? Von welchem Sender sind sie? Wo werden sie ihren Bericht zeigen? Wer kontrolliert sie? Das sind jedenfalls die Standardfragen, die die Jungs vom FSB stellen werden. Ich kann nicht einfach so Journalisten hierher bringen. Wenn ich das versuchen würde, würden sie direkt an der Grenze verhaftet. Wir sollten sie so dem FSB und der AP (Russische Präsidentenverwaltung) präsentieren, dass sie sehen, was für sie dabei drinnen ist.

Ausschnitt der Mailkorrespondenz vom 10. Januar 2020. Quelle: The Insider

Aus dieser Korrespondenz geht hervor, dass der Assistent des Chefs der GRU, Ilchenko, Anna Soroka (die offenbar seine vertrauenswürdige politische Kontaktperson in der selbsterklärten Lugansker Volksrepublik ist) gebeten hat, dem Team von Bonanza Media die Erlaubnis zu erteilen, im Donbass zu drehen. Interessanterweise wendet sich Ilchenko nicht direkt an den FSB, was offensichtlich darauf hindeutet, dass die Desinformationskampagne über die abgeschossene Boeing vom Verteidigungsministerium unabhängig von anderen Sicherheitsbehörden durchgeführt wurde.

GRU-General Andrei Ilchenko, Assistent von Kostyukov
GRU-General Andrei Ilchenko, Assistent von Kostyukov- Quelle: The Insider

Nach der eher vorsichtigen Antwort von Anna Soroka führte Ilchenko eine Reihe von Telefonaten, unter anderem mit einem hochrangigen Zollchef und seinem Bruder, einem hochrangigen Beamten des russischen Außenministeriums. Am späten Abend, um 21:40 Uhr, rief er nacheinander Yana Yerlashova und Chebanov an, offenbar mit positiven Nachrichten: Der Reise stand nichts mehr im Wege.

Filmgesellschaft GRU

Am 12. Januar 2020 um 6 Uhr Moskauer Zeit postete Max van der Werff auf Facebook, dass er vertrauenswürdige Informationen über die abgeschossene Boeing erhalten habe, die eine zusätzliche Überprüfung erfordern. Er veröffentlichte Details für diejenigen, die sie unterstützen möchten, und kündigte den Stream an. Er versprach, dort die Einzelheiten zu berichten.

Facebook-Posting von Werff. Quelle: The Insider

Der versprochene Stream dauerte eine halbe Stunde, aber Yerlashova und van der Werff gaben dabei kaum Details bekannt. Sie wiederholten nur immer wieder, dass sie einige Informationen erhalten, die überprüft werden müssen und baten, sie finanziell zu unterstützen. Es ist unklar, wer und warum einen solchen Stream brauchen könnte. Aber er war wohl ein ein formeller Vorwand, um zu erklären, woher Yerlashova und van der Werff das Geld haben.

Am selben Abend reiste Yerlashova an die ukrainische Grenze und rief ständig Iltschenko an. Zur gleichen Zeit rief Ilchenko verschiedene russische Zollbeamte an.

Ilchenko flog nach Rostow. Um 16:15 Uhr rief ihn Yana Yerlashova auf der Hauptnummer an. Der Anruf war kurz und anscheinend sagte er ihr, dass er von seiner neuen Geheimnummer aus zurückrufen würde. 15 Minuten später rief er sie von einer neuen SIM-Karte aus an. Wieder dauerte der Anruf nur eine halbe Minute. Kurz nach diesem Anruf rief Yana eine Hotline an, um Tische in Rostower Restaurants zu reservieren. Um 21:30 Uhr rief sie ein Taxi – offenbar war dann das Treffen im Restaurant beendet.

Am nächsten Morgen, dem 16. Januar 2020, fand eine neue Gesprächsreihe zwischen Yana Yerlashova, General Ilchenko, Oberst Chebanov und dem Betreiber von Bonanza Media statt. Danach bewegte sich die Gruppe – nach den Telefondaten von den Telefonen von Yerlashova und Ilchenko zu urteilen – in Richtung der ukrainischen Grenze. Von dort kontaktierte Yerlashova dreimal Anna Soroka von der selbsterklärten Lugansker Volksrepublik an.

In den nächsten drei Tagen filmte das Team von Bonanza Media im Donbas. Sie interviewten angebliche ‚Zeugen des Kampfangriffs auf MH17‘ (und dies trotz der Tatsache, dass das russische Verteidigungsministerium seine vorherige Version mit dem ‚Kämpfer‘ offiziell schon zurückgezogen aufgegeben hatte). Ilchenko kehrte am 19. Januar von Rostow aus nach Moskau zurück. Nach mehreren Gesprächen zwischen ihm und Yerlashova am nächsten Tag reiste das Team von Bonanza Media am 20. Januar 2020 mit dem Auto wieder zurück.


Nur 10 Tage nach der Rückkehr des Bonanza Media-Teams aus der Ostukraine begannen wieder Anrufe von ihren GRU-Kontakten. Am 31. Januar 2020 um 15:00 Uhr erhielt Yana Yerlashova eine SMS von Ilchenko, gefolgt von einem Telefonanruf und sechs weiteren SMS mit Oberst Chebanov. Die beiden GRU-Beamten sprachen in den nächsten 24 Stunden 29 Mal mit ihr. 

Am nächsten Tag veröffentlichte der Twitter-Account von Bonanza Media dann unter dem Hashtag #BonanzaLeaks das erste seiner internen JIT-Dokumente. Mit Zitaten, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, wird so der Verusch unternommen, die Glaubwürdigkeit der internationalen Untersuchungsteams zu Untermininieren.


Titelfoto: Das GRU-Hauptquartier in Moskau Quelle: Wikipedia (2013)