Nun ist es passiert. In Oberösterreich wird mit MFG eine Impfgegner-Partei in den Landtag einziehen. Seit Wochen zaudert und zögert die österreichische Regierung dabei, auf die vierte Welle angemessen zu reagieren. Mit Hinweis auf die Wahlen in Oberösterreich. Außerdem gibt es immer noch keine Impfkampagne, die diesen Namen verdient. Vor Volksschulen verteilen die Impfgegner Material. Seriöse Informationen in den Schulen gibt es keine. Die ÖVP in Oberösterreich veranstaltete im Wahlkampf indes Zeltfeste, die Normalität vortäuschen, wo es keine gibt. Denn: Die Pandemie ist vorbei. Dieser Ausspruch von Kanzler Sebastian Kurz ist weitaus fataler als all seine Unwahrheiten und Erinnerungslücken im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Dass die Partei der Grünen bei diesem Treiben nur Begleitschutz spielt, können wir ihr durchaus übel nehmen. Von Sebastian Reinfeldt
Eine Nachtwächter-Regierung
Was genau die strategischen Überlegungen waren, wissen wir nicht. Ob die ÖVP bei der impfkritischen Stimmung wahltaktisch mit einigen Prozentchen mitnaschen wollte? Oder ob die ÖVP unbedingt eine weitere Wahlalternative rechts von ihr verhindern wollte? Wir werden es in den kommenden Tagen schon noch herausfinden. Jedenfalls erschien die Corona-Politik der Bundesregierung in den vergangenen Woche wie unter einem Glassturz zu sein. Die Inzidenzen stiegen – und nichts geschah. Wie durch Zauberhand sollten sie von alleine wieder sinken. Effektive Maßnahmen gab es jedenfalls keine, auch wenn die FPÖ andauernd das Gegenteil behauptet. Auch Interessierte kennen sich nicht aus, welche Regeln wann und wo nun gelten.
Herrschende Medien im Duckmäuser-Modus
Um die kritische Stimmung in der Bevölkerung festzustellen, braucht es keine Umfragen, die das Team von Kurz wöchentlich studiert und entsprechend die politischen Signale justiert. Nachbar*innen, Freund’innen, Kolleg*innen, Verwandte…, viele haben die Erfahrung gemacht, dass und wie sie wegkippen: Alternative Fakten glauben, Verschwörungs-Erzählungen verbreiten oder sich einfach schweigend ihren Teil denken. All das ist mit den Händen greifbar. Und wie reagieren die Medien darauf? Statt aufzuklären, verstärken sie diese Stimmungen überwiegend, unter anderem durch False balancing. Demnach werden wissenschaftlich falsche Aussagen oder krasse Minderheitsmeinungen andauernd als mögliche andere Fakten präsentiert. Damit werden sie bestätigt und weiter verbreitet.
Alternative Medien auf der Rechten
Der Erfolg der Gruppierung MFG in Oberösterreich ist auch das Resultat einer beständigen Agitation rechter, alternativer Medien. Ein Beispiel: Der Wochenblick aus Oberösterreich (Brunnenthal im Innviertel) etwa titelt andauernd eine Corona-Diktatur herbei, um die dürftigen Maßnahmen der Regierung seit Sommer zu bezeichnen.

Kein Vergleich ist dabei zu dämlich, um nicht gezogen zu werden. Der Sprecher der Partei MFG, Gerhard Pöttler, konnte exakt in diesem rechts-rechten Medium die Falschaussage verbreiten, dass die Intensivstationen voll mit Geimpften seien. Auch redet er im Stile von Qanon von einem Deep State in Österreich, um die Machtfülle der ÖVP zu bezeichnen.
Aufklärung muss unbequem sein
Der Wochenblick wird mit öffentlichen Mitteln gefördert, nicht nur durch bezahlte Anzeigen der FPÖ, berichtet unter anderem der ORF. Doch wie gehen die öffentlich-rechtlichen Medien mit dieser Stimmungslage in der Bevölkerung um? Faktenchecks nach Talkshows und Meinungsrunden kommen immer zu spät. Generell trippelt Aufklärung den Grobsprecher*innen hinterher. Das ist so. Warum also hat der ORF noch vergangenen Sonntag der maßnahmenkritischen (so der Standard) Psychologin Judith Raunig eine Bühne geboten? Jeder Auftritt dort ist für diese Bewegung wie ein Jackpot. Statt in der Szene mit der Stimme der Vernunft anzuecken, verstärkt man sie noch. Warum?

Es ist sicher nicht die einzige Antwort darauf. Aber es ist eine Antwort. Stärkt die Stimmen der Vernunft, damit sie lauter klingen können. Wir haben uns entschlossen, wieder auf Werbung zu verzichten. Für weitere Recherchen sind wir auf euren Support angewiesen.
Zum Beispiel: Unsere Recherche zur Impfgegner-Plattform Respekt
Schwurberl-Propaganda vor den Schulen: Plattform Respekt
Erst nachdem wir vergangenes Wochenende damit herausgekommen sind, haben auch andere Medien berichtet. Unsere Arbeit wirkt.