Die FPÖ in Oberösterreich – eine normale rechte Partei?

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Es würde einen gemäßigten FPÖ-Flügel geben. So die Mär, die immer wieder dann in den Medien erzählt wird, wenn eine Koalition mit der rechtsextremen Partei zur Debatte steht. Wie in Oberösterreich, wo die ÖVP aktuell auf Landesebene mit dieser Partei koaliert. Die über 80 Organisationen, die sich im oberösterreichischen Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus zusammengetan haben, sehen das anders. Ihr Vorsitzender Robert Eiter ist bekennender Sozialdemokrat. Die Kassiererin des Netzwerks kommt aus der Katholischen Jugend. Das politische Spektrum dieses Zusammenschlusses reicht von Kommunist*innen bis hin zu engagierten ÖVPlern, die das „Nie wieder“ ernst nehmen.

Beim diesjährigen Jahrestreffen der Organisation referierte der Autor Hans-Henning Scharsach über die ideologischen Hintergründe der angeblich gemäßigten FPÖ Oberösterreich. Freundlicherweise hat er uns sein Manuskript überlassen. Wir haben zu seinen Aussagen Belege und Originalzitate hinzugefügt: weil das Gesagte kaum zu glauben ist – aber eben doch wahr. Von Hans-Henning Scharsach


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Burschenschaften bilden das FPÖ-Personalreservoir

Die FPÖ in Oberösterreich ist das Thema. Die Freiheitliche Partei dieses Bundeslands wird nahezu ausschließlich von Burschenschaftern geführt. Wie sehr diese deutschnationalen, schlagenden Verbindungen die FPÖ dominieren, zeigt ein auf einem Linzer Burschenbund-Ball aufgenommenes Foto der Arminia Czernowitz: Von 21 auf dem Bild erkennbaren Ballgästen sind nicht weniger als 16 – also mehr als drei Viertel – als Funktionäre der FPÖ identifizierbar. Das beginnt mit Linzer Gemeinderäten über Bezirksvorsteher, Ortsparteiobmännern, Mitglieder der Bezirksparteileitungen bis hin zu Gemeindevorständen. Natürlich gehören auch FPÖ-Chef und Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner und Landesrat Günther Steinkeller einer Burschenschaft an.

Traditionsmerkmal: Antisemitismus

Die Burschenschaften waren einst Wegbereiter der nationalsozialistischen Rassen- und Vernichtungspolitik. Sie haben Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle organisiert, sie haben den nationalsozialistischen Juliputsch in Wien angezettelt und sie haben sich als Organisatoren und Exekutoren der Massenmorde in den Vernichtungslagern besonders hervorgetan.
Das alles hätte in Vergessenheit geraten können, wären die Burschenschaften ihren nationalsozialistischen Traditionen nicht bis heute treu geblieben.
Zu den wichtigsten Merkmalen dieser Tradition zählt der Antisemitismus. Man kann das als aufgeklärter Demokrat kaum glauben: Burschenschaften halten bis heute am Arier-Paragrafen der Nazis fest.
Österreich hat sich in seiner Bundesverfassung dazu verpflichtet, alle Spuren des Nationalsozialismus aus Gesellschaft und Politik zu tilgen. Spuren bedeutet: auch kleinste Teile.

Der Arierparagraf

Der Arier-Paragraf ist indes kein kleiner und auch kein unbedeutender Teil des Nationalsozialismus. Er war Ausgangspunkt dessen, was im industriell organisierten Massenmord in den Vernichtungslagern endete.
Als gemäßigte deutsche Burschenschafter vor ein paar Jahren den Antrag stellten, den Arierparagrafen zu streichen und die Aufnahme nicht von der Abstammung, sondern von „Staatsbürgerschaft und Bekenntnis“ abhängig zu machen, zählte die bereits erwähnte Arminia Czernowitz zu jenen Burschenschaften, die eine Protestresolution verfassten, in der es hieß, mit diesem „Verrat“ würden sich die Burschenschaften „ihrem inneren Wesen nach selbst aufgeben“. Der Antrag wurde später zurückgezogen. Der Arierparagraf war gerettet.

Also haben wir es schriftlich: Antisemitismus und Arierparagraf beschreiben das „innere Wesen“ der Burschenschaften. Sie seien, so das Burschenschafts-Zitat oben, ein „wesentliches Merkmal der Volkszugehörigkeit“.

Immer noch aktuell: Forderung nach Anschluss an Deutschland

Burschenschaften fordern den Anschluss an Deutschland. Auch damit verstoßen sie eindeutig gegen Österreichs Bundesverfassung, die jede Werbung für Großdeutschland verbietet. Der oberösterreichische Burschenschafter und FPÖ-Parlamentarier Werner Neubauer begann im Jahr 2010 (!) seine Rede bei einer Demo in Deutschland mit den Worten:

Liebe deutsche Landsleute, ich darf das sagen, weil ich Deutscher bin.

Quelle: https://amp.nachrichten.at/politik/landespolitik/Ich-darf-das-sagen-weil-ich-Deutscher-bin;art383,417221

Das sagt ein österreichischer Parlamentarier, der für Österreich Politik machen soll. Als die Wiener Burschenschaft Olympia 1996 den Vorsitz jenes Dachverbandes übernahm, dem auch die oberösterreichischen Burschenschaften angehören, da forderte sie

Österreich und Teile Polens (!) in die deutsche Wiedervereinigung einzubeziehen.

Quelle: https://cdn1.vol.at/2008/10/olympia_doew.pdf

Deutlicher lässt sich Verfassungsfeindlichkeit nicht artikulieren. Dass die Burschenschaften trotz solch eindeutiger Tatbestände nicht verboten wurden, ja, dass es nicht einmal Ermittlungen gab, das halte ich für Rechtsverweigerung.

Stand der Wissenschaft: Schlagende Burschenschaften sind rechtsextrem

Wissenschaftliche Definitionen weisen die deutschnationalen, schlagenden Burschenschaften eindeutig als rechtsextreme Organisationen aus, die zum Teil tief in den Neonazismus hineinreichen. Man darf die Burschenschafter Manfred Haimbuchner und Günther Steinkellner entsprechend diesen Definitionen also als Antisemiten, als Rechtsextremisten und als Verfassungsfeinde bezeichnen.
Das gilt auch für den Präsidentschaftskandidaten der FPÖ, Walter Rosenkranz. Dieser ist Mitglied der Burschenschaft „Libertas“, die von Georg Ritter von Schönerer, dem Erfinder des Rassen-Antisemitismus, gegründet wurde.


Hintergrund: Ein Redeauszug von Schönerers

Das Gefühl des christlichen Volkes (sträubt) sich mit Recht dagegen, dass sich an christlichen Schulen jüdische Lehrer oder gar Schulleiter befinden. Die Volksschule ist für das praktische Christentum bestimmt, es sollte überall gleich unterrichtet werden. Ich bin eben bestrebt, allen fremden Elementen entgegenzuarbeiten, vor allem jenen vaterlandslosen Spekulanten, welche sich die Korruption der germanischen Rasse schon in der Volksschule zum Ziel gesetzt haben.

Quelle: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110671995-011/pdf, S. 224

Im ZiB 2-Interview mit Martin Thür Ende September 2022 nannte Rosenkranz einen weiteren berüchtigten Antisemiten und (wie er) Burschenschafter der Libertas, Julius Sylvester, ausdrücklich als sein Vorbild.

Walter Rosenkranz am 26.9.2022 in der ZiB2

Haimbucher und der WITIKO-Bund

Zurück nach Oberösterreich: Manfred Haimbuchner war über lange Jahre hinweg auch Landesvorsitzender des WITIKO-Bundes, dessen Mitgliederverzeichnis sich wie ein Who-is-Who der deutschsprachigen Neonazi-Szene liest. Der WITIKO-Bund tritt nicht nur für das verfassungsfeindliche Ziel eines Großdeutschlands in den Grenzen Hitlerdeutschlands ein. In seinen Publikationen finden sich Textstellen wie diese:

Zu den gewaltigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit zählen die sechs Millionen ermordeten Juden.

Zum Witikobund und zu diesem Zitat: http://www.klick-nach-rechts.de/gegen-rechts/2001/04/witiko02.htm

Haimbuchner selbst meint in einem Kurier-Interview von 2013 zur Verteidigung seiner Mitgliedschaft im WITIKO-Bund Österreich verharmlosend und relativierend:

Dem Witikobund geht es nur darum, das Unrecht der Vertreibung zu thematisieren.

https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/manfred-haimbuchner-horst-wessel-ist-bei-uns-schon-lange-kein-mitglied-mehr/3.834.279

Mitgliederlisten der Burschenschaften führen NS-Größen

Als nach Kriegsende das ganze Ausmaß der NS-Verbrechen sichtbar wurde, da haben die Burschenschafter keinen einzigen der prominenten Nazis und Nazi-Verbrecher ausgeschlossen. Die Mitgliederliste der Burschenschaft Alemannia Wien zu Linz, der Haimbuchner und Steinkellner angehören, enthält bis heute den Namen von SA-Sturmführer Horst Wessel, Verfasser des Kampflieds der SA, das zur Parteihymne der NSDAP wurde.

Beim alljährlichen Totengedenken würdigen Burschenschafter die besonderen Verdienste ihrer verstorbenen Mitglieder. Eigentlich unfassbar: Da werden die „besonderen Verdienste“ von Burschenschaftern wie die des Oberösterreichers Ernst Kaltenbrunner gewürdigt, der als Chef des Reichssicherheitshauptamtes die zentrale Figur in Hitlers Terror- und Tötungsmaschinerie war. Oder von Burschenschaftern wie Irmfried Eberl, Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka.

Tod der Lüge

Unter Haimbuchners Parteiführung wurde es Mitgliedern des Ringes Freiheitlicher Jugend ermöglicht, gleichzeitig Mitglied im neonazistischen Bund Freier Jugend zu sein. Wie Verfassungsrechtler Heinz Mayer dokumentiert, werden dort „NS-Verbrechen zynisch geleugnet“ und „NS-Ideen verherrlicht“. In „hetzerischer Sprache werde Rassenhass geschürt“ und damit „massiv gegen das Verbotsgesetz verstoßen“. Bei diesem Bund freier Jugend hatte der FPÖ-Nachwuchs dann Gelegenheit, sich mit prominenten Neonazis wie Gottfried Küssel fotografieren zu lassen.

Die schon mehrfach erwähnte Arminia Czernowitz, deren Mitglieder zum Großteil für die oberösterreichische FPÖ tätig sind, zählt zu den radikalsten Burschenschaften Österreichs. Sie lädt – wie andere Burschenschaften auch – zu ihren sogenannten „Bildungsveranstaltungen“ die schlimmsten antisemitischen und neonazistischen Brandredner ein, um die akademische Jugend zu indoktrinieren.
Dabei stellt diese Linzer Burschenschaft ihre Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus auch noch stolz zur Schau. Als Einladung zu einem ihrer Vortragsveranstaltungen verwendet sie ein Originalplakat der Nazizeit, auf dem nur das Hakenkreuz übermalt war.

Vortragseinladung Arminia Czernowitz für Linz
Das Original: NS-Plakat

In den Internet-Auftritten der Freiheitlichen Jugend werden die Ergebnisse solcher „Bildungsveranstaltungen“ sichtbar. Da finden sich Nazi-Symbole, Nazi-Sprüche, Werbung für Neonazi-Foren und Neonazi-Bands. Unter Haimbuchners Parteiführung ist aus dem Ring Freiheitlicher Jugend eine rechtsextreme Gruppierung entstanden, die sich des Schutzes der FPÖ bedient, um das juristische Risiko ihrer neonazistischen Aktivitäten zu minimieren.

Aufklärung über Rechtsextremismus unerwünscht

Als der Extremismus-Experte und Buchautor Thomas Rammerstorfer vor Maturaklassen über politischen Extremismus sprach und dabei auch die Burschenschaften erwähnte, sorgte der über Handy informierte Vater eines der jugendlichen Zuhörer für einen Eklat. Der oberösterreichische Burschenschafter und Abgeordnete zum Nationalrat Roman Haider erzwang mit telefonischen Drohungen den Abbruch des Vortrages. Semiosis hat über diesen Vorfall berichtet.
Die Freiheit der Wissenschaft blieb auf der Strecke. Haimbuchner rief sogar eine Online-Plattform ins Leben, die Schüler dazu aufforderte, Lehrer zu bespitzeln und „parteipolitische Beeinflussungen“ anonym zu melden.

Rechtsextremisten-Kongress in Oberösterreich

Da ist es kein Wunder, dass der berüchtigte Rechtsextremisten-Kongress der „Verteidiger Europas“ schon zweimal in Oberösterreich stattfinden konnte. Burschenschafter, Identitäre, Neonazis, Herausgeber rechtsextremer Medien und prominente FPÖ-Politiker durften bei dieser Veranstaltung den Verschwörungstheorien rechtsextremer Einpeitscher applaudieren, während Journalisten seriöser Medien ausgesperrt blieben.
Wer sich trotzdem Zutritt verschaffen konnte, erfuhr beispielsweise, dass die USA afrikanische Flüchtlingsströme nach Europa lenken, um durch Rassenmischung den Intelligenzquotienten der Europäer zu senken. Oder dass Assad angegriffen wurde, weil er keine Rothschild-Bank in Syrien haben wollte.

Der Journalist Werner Reisinger, der den Kongress von innen erlebt hat, fasste in der Wiener Zeitung seine Eindrücke so zusammen.

Drei Ziele, so der Eindruck am Ende des Tages, verfolgten die Kongressveranstalter: Die Grenzen zwischen der Neuen Rechten, dem klassischen Rechtsextremismus und dem Rechtspopulismus sollen verschwimmen; die eigenen Medienkanäle beworben und die Ablehnung der „Mainstreammedien“ gestärkt werden; gemeinsam, mit dem Segen der Landesregierung, will man ein Stück aus dem rechten Eck heraus.

Wiener Zeitung, 1. November 2016: Ein Kongress der „ganz normalen Leute“

Burschenschaften bilden den intellektuellen Oberbau des Rechtsextremismus

Aber wir sollten uns von skurrilen Beispielen exemplarischer Dummheit nicht täuschen lassen: Die Burschenschaften bilden den intellektuellen Oberbau des institutionalisierten Rechtsextremismus. Sie stehen an vorderster Front der so genannten Revisionisten, also jener braunen Geschichtsfälscher, die versuchen, NS-Verbrechen zu verharmlosen. Sie wollen Menschenrechte auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen. Auf einer Website des von Burschenschaftern geführten „Freiheitlichen Akademikerverbandes“ bezeichnet ein Burschenschafter die Demokratie als (Zitat) „Fehlgeburt der Geschichte“ und „Hure des Westens“.
Die Burschenschaften sind zu Stichwortgebern der primitiven braunen Gewaltszene geworden, die diesen ideologischen Leitbildern folgt. Unser von der FPÖ mitregiertes Land ist zu einem Zentrum des Neonazismus in Österreich geworden: Antisemitische Schmierereien, zerstörte Gedenktafeln, Hakenkreuze in einer Linzer Kirche, Nazi-Devotionalien auf Flohmärkten, rassistische Schmierereien wie „Sieg Heil“ oder „Wir töten Türken“ – und vieles mehr.

Das Objekt 21

In diesem von FPÖ-nahen Burschenschaften geprägten politischen Klima konnte die Neonazi-Bande im „Objekt 21“ im oberösterreichischen Desselbrunn in einem Bauernhof von Polizei und Verfassungsschutz weitgehend unbehelligt schwere Straftaten begehen. In diesem Klima wurde bislang keine einzige von mehr als 20 Schändungen der Gedenkstätte Mauthausen aufgeklärt. Und unser Freund, der Daten-Forensiker und Aufdecker Uwe Sailer hat ermittelnde Beamte als Sympathisanten der rechten Szene geoutet.
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagt, für Extremismus gebe es in Oberösterreich „null Toleranz“. Aber er koaliert mit einer Partei, deren führende Exponenten man unter Berufung auf wissenschaftliche Definitionen und die Publikationen ihrer Burschenschaften als Rechtsextremisten, Antisemiten, Rassisten und Verfassungsfeinde bezeichnen darf.

Semiosis zum Thema

Thomas Rammerstorfer „Landesschulrat und Direktion haben nicht mal meine Präsentation“
Das rechte Burschenschafter-Netzwerk des FPÖ-Abgeordneten Roman Haider (Aktualisiert!)
Werner Reisinger: Ein Kongress der „ganz normalen Leute“, Wiener Zeitung, 1. 11.2016

Titelbild: Screenshot der Homepage der FPÖ Oberösterreich vom 16. Oktober 2022

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