Wiener Bauen in Rot: Die Renditen des Investors am Heumarktareal

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By Sebastian Reinfeldt

Das hat schon etwas von verkehrter Welt: Ausgerechnet in der liberal-konservativen deutschen Börsenzeitung FAZ wird über die Städteplanung der Stadt Wien festgestellt:

Aus einer städtebaulichen Beschäftigung mit dem Ort und seinem Umfeld
wurde eine immobilienwirtschaftliche Beschäftigung mit den Renditevorstellungen des Investors.

Es geht dabei um das Areal rund um den Heumarkt, also um das Hotel Intercontinental und den Wiener Eislaufverein. Ein Projekt, das zur „Selbstzerstörung einer Kulturstadt“ führen wird, so der FAZ-Autor Reinhard Seiss. Seine kritischen Worte zielen auf  das Vorhaben der Stadt Wien und des Projektentwicklers WertInvest, das jetzt schmucklose Intercontinental abzureißen und im modernen Gewand wieder aufzubauen. Um einige Meter erhöht allerdings. Zugleich soll der Platz für den Eislaufverein verbreitert sowie das gesamte Gelände städteplanerisch gestaltet werden. Die für das Weltkulturerbe zuständige UNESCO-Kommission hat bereits angekündigt, dass diese Erhöhung der Wiener Innenstadt den Status als Weltkulturerbe kosten würde. „Das ist uns egal“, sagt wiederum die Stadt Wien unisono mit dem Investor. Aber warum beharren Stadt und Investor so auf der Überschreitung der Bauhöhe? Welche Interessen stehen hinter diesen Planungen, fragt Sebastian Reinfeldt im zweiten Teil unserer Bauserie „Wiener Bauen in Rot„.


Stadt und Investor gehen Hand in Hand

„Wir sind über fünf Jahre Hand in Hand diesen Prozess gegangen.“ So lobt Daniela Enzi in einem Pressegespräch die gute Kooperation mit der Stadt Wien. Hand in Hand gehen – das ist überhaupt ein gutes Bild für die Beziehungen der Wiener Bauwirtschaft mit der Stadt Wien. Enzi spricht für den Heumarkt-Projektentwickler WertInvest. Zuvor war sie entscheidend an der Umgestaltung des Museumsquartiers beteiligt. Dabei agiert Enzi immer stadtnah. Zugleich gilt sie als parteinah. Auch diesmal geht es um Extraprofit, der offenbar aus der Aufstockung der Geschosshöhen erwächst. Ästhetische und städtebauliche Grundsatzdiskussionen über die Schönheit oder Nicht-Schönheit von Hochhäusern sind demgegenüber nachrangig.

Lizenz zur Extra-Rendite gegen Zuckerl für das Gemeinwohl

Beim Hand in Hand Gehen scheint es aber so, als schleife der Investor die Stadt hinter sich her. Das Muster der Planungen – und in der Folge auch der öffentlichen Diskussionen – wiederholt sich: Jeder Meter, den ein Gebäude zusätzlich nach oben wachsen kann, erhöht den Profit der Investoren. Die Erlaubnis dafür lässt sich die Stadt abkaufen, indem ein angeblicher „Mehrwert“ für die Allgemeinheit produziert wird. Sei dies ein mickriger öffentlicher Kinderspielplatz wie am Beispiel der Danube-Flats, der für die Flächenumwidmung und Baugeschosserhöhung „rausgeschlagen“ wurde. Oder sei dies die „Erhaltung und Modernisierung“ des traditionsreichen Wiener Eislaufvereins. Das Grundstück hatte der Stadterhaltungsfonds übrigens 2008 verscherbelt. Zusätzlich dazu werde noch ein öffentlicher Durchgang zur Verfügung gestellt, heißt es. Diese Benefits sollen durch 50 Luxuswohnungen und 40 Appartements für Langzeit-Hotelgäste finanziert werden: „Wohnen bleibt das Vehikel,um den öffentlichen Nutzen zu finanzieren“, fasst die Sprecherin Enzi das Konzept zusammen.

Luxuswohnungen finanzieren Infrastruktur

Also soll der Wohnraum im Luxussegment die öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur finanzieren, so das privat-öffentliche Geschäftsmodell nach Wiener Art. Angesichts der Wohnungsnot in der Hauptstadt ein Modell, das reichlich absurd anmutet. Denn es fehlt an leistbarem Wohnraum. Ganz offen wirbt die Stadt Wien damit, dass diese Absurdität im Interesse aller sei. So lobt die zuständige grüne Planungsstadträtin Maria Vassilakou das Projekt:

Herausgekommen ist dabei: die Erhaltung des Wiener Eislaufvereins mit rund 6.000 Quadratmeter Eisfläche. Umfassende Erneuerung und Erweiterung der Infrastruktur. Zusätzlich eine 1.000 Quadratmeter große Ganzjahreseishalle. All das wird vertraglich auf die nächsten 99 Jahre gesichert.

Was an der Stellungnahme der politisch Verantwortlichen so irritiert: die völlige Abwesenheit von Politik. Politische Steuerung findet nicht statt. Stattdessen trottet die städtische Politik den Investoren hinten nach. Sie verteidigt das Projekt, indem sie auf die öffentlichen Benefits verweist. Doch: Warum gab es seitens der Stadtregierung keine Vorgabe, die von der UNESCO vorgeschriebene Höhe von 43 Metern einzuhalten? Warum sind diese Benefits nicht auch bei niedrigerer Bauhöhe zu erreichen? Wie genau lautet denn die Gesamtrechnung des Investors?

Die „Operation Goldesel“

Die Bauhöhe wird nicht eingehalten, weil offenbar im Hintergrund mehrere lukrative Tauschgeschäft abgelaufen sind. Das lässt sich bereits an der Stellungnahme des immowirtschaftsnahen Forums Wohn-Bau-Politik ablesen. Der Investor Michael Tojner habe sich „bei den Verhandlungen zu den städtebaulichen Verträgen außerordentlich kooperativ“ gezeigt. Und ein „belastetes“ Grundstück erworben. Dieses Entgegenkommen müsse jetzt belohnt werden.

Michael Tojner hatte ein Grundstück mit enormem Potenzial und einigen Beschränkungen gekauft – darunter die nicht unwesentliche des Pachtvertrags mit dem Wiener Eislaufverein, der bis 2058 nicht kündbar ist und damit den Wert der Liegenschaft mindert. Kooperation mit der Stadt war dringend geboten.

Diese Darstellung entspricht allerdings nicht ganz den Tatsachen. Das Grundstück, das der Wiener Eislaufverein pachtet und nutzt, hatte 2008 jemand ganz anderes erworben. Und das für 4,2 Millionen Euro von der öffentlichen Hand, zu einem Spottpreis. Was bereits zur Rechnungshofkritik führte. Dieser meinte, der Verkauf durch den Stadterweiterungsfonds hätte so niemals stattfinden dürfen. Denn für das Grundstück habe es zur selben Zeit Angebote für 9 Millionen gegeben, was immer noch deutlich unter seinem Schätzwert liegt.

Was wollte Buntes Wohnen mit dem Areal?

Der damalige Käufer, eine Firma mit dem schillernden Namen Buntes Wohnen, wurde niemals aktiv. Ihre Homepage ist tot, in den städtischen Verzeichnissen gemeinnütziger Bauträger scheint sie noch als Relikt auf. Ein abgewickelter gemeinnütziger Zombie also, der seit den 1950er Jahren aktiv war. Ihr Sitz lag im siebten Bezirk, in der Burggasse. Es ist im nachhinein völlig rätselhaft, wie ein so zentrales Areal in die Hände einer zwielichtigen Wohnbaufirma gelangen konnte. Über Umwege wurde das Ganze 2012 an den jetzigen Investor Michael Tojner übertragen. Dieser brachte auch das benachbarte Hotel Intercontinental in seinen Besitz, noch im selben Jahr. Dafür musste er 50 Millionen hinblättern. Nun hatte er das gesamte Ensemble beisammen. Die konservative Zeitung Die Presse, die diese Zusammenhänge 2013 recherchiert hat, bezeichnete das Vorgehen bis dahin schlicht als „Operation Goldesel„. Ungeduldig drängt der Investor nun darauf, dass der Esel endlich sein Geschäft verrichten kann.

Wer ist der Investor? WertInvest in Potenz

Michael Tojner heißt der Mann, bei dem die finanziellen Fäden des Projektes am Heumarkt zusammen laufen. Nach seinen eigenen Angaben verdient er mit Industriefirmen das Geld, mit dem er dann Immobilien „entwickelt“. Politisch eher unorthodox tritt er für eine Erbschaftssteuer ein, um Arbeitseinkommen zu entlasten. Sein Geschäftsmodell beschreibt er in einem Presseinterview als das Aufziehen einer Kette, an deren Ende er selber steht: „Man hat auch ständig Sorgen, weil man in der Kette der letzte Verantwortliche ist“, meinte er 2014 etwas Mitleid erheischend in einem Interview mit der Zeitung Die Presse. Diese Kette ist aber nicht nur eine Verantwortungskette, sie ist in erster Linie eine Verwertungskette. Im Falle des Heumarkt-Projektes scheint der Name Tojner in mehreren Gliedern der Kette auf.

Denn die WertInvest-Kette ist recht lange gewirkt. Fast alle Firmenbestandteile tragen den Namen WertInvest – allerdings mit Zusätzen. So ist der derzeitige Hotelbetreiber des Intercontinental die WertInvest Hotelbetriebs GmbH, mit dem Geschäftsführer Michael Tojner und der Geschäftsführerin Daniela Enzi. 2015 waren dort 279 Menschen beschäftigt. Es scheint der einzige Betrieb zu sein, in dem derzeit gearbeitet wird.

Der Hotelbetrieb gehört fast vollständig der Michael Tojner Finance-Beratung, mit denselben GeschäftsführerInnen. Hier ist das Finanzkapital geparkt, und zwar rund 83 Millionen € im Jahr 2016 bei 3 Beschäftigten. Die Finance-Beratung wiederum gehört der WertInvest Park Holding mit Sitz am Getreidemarkt im 6. Bezirk. Hier ist Michael Tojner nurmehr alleiniger Geschäftsführer.

Damit ist die Kette noch nicht am Ende: Denn die Park Holding befindet sich im Besitz der WertInvest Immobilien Beta GmbH, ebenfalls mit Sitz am Getreidemarkt. Sie hat keine Beschäftigte und führt als einzigen Gesellschafter Michael Tojner auf, der im Firmenbuch zugleich als Geschäftsführer verzeichnet ist. In dieser Gesellschaft, die sich am Ende der Verwertungskette gereiht ist, liegen lediglich 35.000 Euro Kapital, bei einer Bilanzsumme von knapp 3 Millionen Euro.

Zurück zu Buntes Wohnen – der Investor mischt auch dort mit

Am Anfang des Geschäftes von WertInvest am Heumarkt stand der Verkauf an die dubiose Firma Buntes Wohnen durch die öffentliche Hand. Mit der hatte Tojner eigentlich gar nichts am Hut. Warum aber hat diese Firma mit diesem spottbilligen Grundstück gar nichts angefangen? Wurde es etwa nur erworben, um damit schnelles Geld zu verdienen?

Das Rätsel um die nicht mehr bestehende Wohnbaugesellschaft Buntes Wohnen hat sich nach unseren Recherchen zumindest teilweise gelüftet. Auf überraschende Weise. Jedenfalls kam Buntes Wohnen nach dem Erwerb des Areals des Eislaufvereins ins Gerede, weil sie mit gemeinwirtschaftlichem Vermögen dubiose Geschäfte betrieben hat. Der Vorwurf lautete: Sie habe Wohnungen zu billig verkauft, berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten 2011. Daraufhin wurde der Firmensitz mehrfach verlegt. Mit der letzten Verlegung nach Eisenstadt nannte sich die Firma in Pannonia um.

Nachdem ihr die Gemeinnützigkeit aberkannt worden war, löste sich die GmbH am 24.09.2013 einfach auf. Was mit dem Kapital von 1.190.000 Euro passierte, ist nicht klar. Jedenfalls macht der ehemalige Geschäftsführer Herr Hadj-Abdou Saad-el-Din weiterhin in Immobilien: als Gesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Immobilienverwertungsfirmen. Wie viel schließlich von Michael Tojner für die Überlassung des Eislaufvereinsgeländes bezahlt wurde, darüber wurde Stillschweigen vereinbart. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Denn Buntes Wohnen hatte noch einen nicht-gemeinnützigen Zwilling: die Immobilienverwaltungs GmbH gleichen Namens.

Sie besteht weiter. Und wie! Nun residiert sie nicht mehr im siebten, sondern unter bester Adresse am Kohlmarkt im ersten Bezirk. Ihr neuer Name: Lothringerstraße 22 Projektentwicklungs GmbH. Das ist nicht ganz zufällig die Adresse des Eislaufvereins im dritten Bezirk. Laut Firmenbuch hat die Firma keine MitarbeiterInnen. Aber es verzeichnet als Gesellschafter unter anderem die WertInvest Park Holding GmbH zu 55 %. Und so schließt sich der Kreis der Geschäfte des Michael Tojner mit dem Heumarkareal. Er hat Buntes Wohnen einfach seiner Mehrwert-Kette hinzugefügt.