Dirty Campaigning: Der SPÖ beim Flunkern zugeschaut

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By Sebastian Reinfeldt

Plötzlich war der SPÖ-Blog politiknews.at vom Netz. Ohne eine Erklärung durch die Herausgeber, die Chapter2 Medien GmbH oder durch ihren Geschäftsführer Robert Neiger. Ausgelöscht, auch auf Facbook und Twitter, offenbar auf direkte Anweisung Christian Kerns. Mit diesem versuchten Befreiungsschlag hat sich die SPÖ allerdings selbst widersprochen. Denn bis Juli 2017 bestand die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße noch darauf, dass sie einfach ein gutes unabhängiges Projekt unterstützen wolle. Der Semiosisblog hatte (neben anderen) daraufhin die Hintergründe des Blogs recherchiert: Die betreibende Werbagentur ist in Wien permanenter Auftragnehmer der Partei und partei-naher Institutionen. Die SPÖ blieb dennoch bei ihrer Version der Unabhängigkeit – bis vergangenen Freitag. Sebastian Reinfeldt schaut der SPÖ nochmals beim Flunkern zu.


Kern: „Logistische Unterstützung“ für politiknews.at eingestellt

Es ist der Versuch eines Befreiungsschlags von Christian Kern. Mit der Trennung vom skandalumwitterten Wahlkampfberater Tal Silberstein vollzieht er zugleich einen Strategiewechsel im Wahlkampf. Von Mister Schmutzig zu Herr Saubermann. Das ist äußerst seltsam. Denn es scheint fast so, als ob dieser Berater, der eine beinharte Linie gegen politische Gegnerinnen vorgegeben hatte, dem Kanzler förmlich aufgezwungen worden war. Eine Schutzbehauptung – oder einfach wahr? Wenn es die Wahrheit ist, dann kann eigentlich nur Altkanzler Alfred Gusenbauer dafür verantwortlich gewesen ein. Bis heute ist er nämlich mit Silberstein geschäftlich verbunden.

Als „Zeichen gegen Dirty Campaigning“ hat die SPÖ die „logistische Unterstützung“ der Website politiknews.at nunmehr eingestellt, berichtet der ORF. Der Partei hatte die Internet-Domain gehört, diese wurde offenbar einfach abgedreht. Gleiches gilt für den Facebook- und Twitterzugang. Kern meinte laut ORF weiterhin, er fühle sich „in seinen politischen Zielen“ vom Blog „nicht unterstützt“, sondern „geschädigt“. Das ist einerseits eine deutliche Aussage. Aber sie passt andererseits zu keiner der Erklärungen, die die SPÖ zuvor zu diesem Projekt abgegeben hat.

Version von April 2017: Keine direkte Einflussnahme, nur Domain

Wir haben die Domain der Werbeagentur zur Verfügung gestellt, weil uns das Projekt gefällt,

entgegnete SPÖ-Geschäftsführer Niedermühlbichler auf die öffentliche Kritik, bei politiknews.at handele es sich um ein verkleidetes „owned medium“. Zur Erklärung: Jede Partei baut eigene Kommunikationskanäle auf, auf denen sie ungefiltert ihre Botschaften verbreitet: Webseiten, Facebook-Profile und Twitter-Kanäle. Diese „owned media“ senden ohne journalistische Einordnungen und Recherchen. Sie haben in der Regel keine überaus große Reichweite. Hinter Blogs wie politiknews.at, dem Kontrast-Blog oder unzensuriert.at verstecken sich die betreibenden Parteien: zwei Mal SPÖ, ein Mal FPÖ. Diese Kanäle erzielen eine weitaus größere Reichweite als reine Parteiseiten – eben weil sie nicht als Parteimedien rüberkommen.

Im Falle von politiknews.at konnte nachgewiesen werden, dass hinter dem Blog eine Agentur steckte, die sich in einem vielschichtigen Abhängigkeitsverhältnis zur Partei und parteinahen Institutionen befunden hat. Hier wurde also politische Unabhängigkeit nur simuliert, um größere Reichweite für ÖVP- und FPÖ-Kritik zu erzielen. Ein schmutziger Trick, findet nicht nur die ÖVP.

Juni 2017: politiknews.at als linkes unzensuriert.at

Deshalb hatte VICE sowohl bei der SPÖ als auch bei der herausgebenden Werbeagentur nachgefragt. Auch hier dasselbe Bild. Wir unterstützen nur, so die Linie der SPÖ-Sprecher. Und die laut Impressum Verantwortlichen beharren auf ihrer Unabhängigkeit:

Redet man mit Robert Neiger, könnte man sofort glauben, dass es sich bei Politiknews um das Projekt zweier engagierter und überzeugter Sozialdemokraten handelt, die einen Blog betreiben, der die SPÖ zwar sicher nicht stört, von dieser aber auch nicht aktiv unterstützt oder gar initiiert wird.

SPÖ-Geschäftsführer Niedermühlbichler im Juli 2017: „Zentrale Rolle“ von politiknews.at im Wahlkampf

Doch auch kritische Recherchen führten nicht zum Umdenken in der SPÖ. Noch im Juli 2017 verkündete der SPÖ-Geschäftsführer in einem ausführlichen ORF-Gespräch, dass die zwei SPÖ-freundlichen Blogs Kontrast-Blog und politiknews.at eine „zentrale Rolle“ im Wahlkampf einnehmen werden:

Es ist wichtig, dass wir Inhalte ungefiltert präsentieren können. Wir haben uns zum Ziel gesetzt: Die Information, die wir verbreiten, ist überprüfbar und stimmt zu 100 Prozent und da wird nichts dazu gedichtet oder weggelassen.“

Dass in den Blogtexten auch mal über die Wahrheit hinaus geschrieben wird, stört Niedermühlbichler im Interview dabei nicht:

Wie im guten Journalismus kann man auch als Journalist einmal vermuten, was in Zukunft passieren könnte.

Dennoch: Die Texte auf den Blog würden auch nicht mit der Partei abgesprochen. Die AutorInnen arbeiteten unabhängig.

Ich habe noch keinen einzigen Inhalt vorab gesehen.

Statt Fake-Medien: Presseförderung für unabhängige Blogs!

Diese Aussagen geben tatsächlich Anlass zu spekulieren: Ist Niedermühlbichler in der SPÖ am absteigenden Ast? Offenbar stand der Parteigeschäftsführer hinter der Linie des Dirty-Campaigning, die Christian Kern jetzt verlassen möchte. Oder aber ist das Ganze nur eines der vielen taktischen Manöver, die Kern im Vorwahlkampf vollführt hat? Irgendwann werden SPÖ-Insider diese Fragen schon beantworten. Fest steht jedenfalls: politiknews.at war ein Medium, das völlig unter der Kontrolle der sozialdemokratischen Partei stand. Die Verkleidung als unabhängiger Blog war verlogen, und die Entgegnungen auf die kritischen Berichte waren nicht ganz bei der Wahrheit. Statt die unabhängige Blogosphäre in Österreich so zu diskreditieren, könnte die SPÖ dafür sorgen, dass auch unabhängige Blogs in den Genuss von Presseförderung kommen können.

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