Ein Fisch beginnt am Kopf zu stinken: Die Spur des Geldes führt auf die Treppen des Petersdoms

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By Tano Bojankin

Im ersten Teil unserer Ein Fisch beginnt am Kopf zu stinken-Recherche haben wir die dubiosen Umstände des Verkaufs geförderter Wohnungen staatsnaher Fonds beleuchtet. In der Fortsetzung folgt Tano Bojankin nun der Spur des Geldes. Wie und an wen sind die Erlöse dieser Verkäufe verteilt worden? Spoiler: Am Ende landet das Geld, zur Absolution der Sünden sozusagen, beim Opus Dei in Rom. Auch für diesen Teil der Geschichte gilt selbstverständlich eine ganz irdische Unschuldsvermutung.


Habibis in der Landstraße

2009 mietet der Integrationsfonds eine Immobilie für ein „Haus der Bildung und beruflichen Integration“ (Habibi) an. Das Objekt in der Landstraßer Hauptstraße 26 im dritten Bezirk hat eine Nutzfläche von rund. 3.458 Quadratmetern mit Nebenflächen von 1.183 Quadratmetern. Der Mietzins betrug in Summe 48.500 EUR netto pro Monat. Neben diesem monatlichen Mietzins wurden eine Mietvorauszahlung in der Höhe von 4,5 Millionen Euro und ein gegenseitiger Kündigungsverzicht für 15 Jahre vereinbart. Die wirkte sich auf die finanzielle und wirtschaftliche Disponibilität des ÖIF negativ aus. Aber das Unternehmen, von dem diese Liegenschaft vom ÖIF angemietet wurde, war dasselbe, das für den ÖIF die Schätzgutachten für den Verkauf der Objekte Stromstraße und Trinkhausstraße erstellt hatte (siehe Teil eins der Recherche). Laut Rechnungshofbericht aus 2015 hatte das Objekt Landstrasse schon bei Bezug zahlreiche Mängel. Genannt werden eine unzureichende Isolierung, einer unterdimensionierte Heizungsanlage ferner Schimmelbildung und Risse in den Wänden und einiges mehr. Trotz Urgenzen des ÖIF waren diese Mängel bis zur Erstellung des Rechnungshofberichtes nicht behoben worden.

Das ÖiF-Gebäude in der Landstraße, dritter Bezirk in Wien

Per 1. März 2014 wanderten mit der Bestellung von Sebastian Kurz zum Außenminister die Angelegenheiten der Integration vom Innenministerium zum Außenministerium (BMEIA).

Klandestine Operationen im Burgenland

Auch nach dem Verkauf aller Liegenschaften des Stadterweiterungsfonds erfolgte keine ordnungsgemäße Auflösung samt bestimmungsgemäßer Verwendung der verbliebenen Erlöse.

Im Jahr 2009 erwarb der Stadterweiterungsfonds – in einer Art Geheimaktion über einen Treuhänder  – um 179.858 Euro in der Gemeinde Eberau im Burgenland eine Liegenschaft zur Errichtung einer neuen, zusätzlichen Erstaufnahmestelle (Asylzentrum) im Süden Österreichs. Als das Projekt scheiterte wurde das Grundstück im August 2015 um 110.000 Euro wieder verkauft. Neben dem Verlust aus der nicht satzungsgemässen Grundstücksspekulation verzögerte dies die Auflösung des Stadterweiterunsgfonds um weitere Jahre. Auch wegen dieser Transaktion ermittelt die Staatsanwaltschaft seit 2010 gegen drei Personen und unbekannte Täter wegen Amtsmissbrauch.

Aber: Wer brav und artig war, der kriegt Geschenke, das ist doch klar…

Der Stadterweiterungsfonds entwickelte in der Folge eine rege Spendentätigkeit außerhalb des ursprünglichen Zwecks der Bautätigkeit an der Wiener Ringstrasse. Von den Erlösen aus der Verschleuderung der Liegenschaften des Fonds – in Summe immerhin 4.440,800 Euro – wurden zwischen 2005 und dem 1. Halbjahr 2012 in Summe rund 3,81 Mio. Euro gespendet. Der höchste Anteil der ausbezahlten Spenden entfiel auf die Jahre 2008 bis 2010.

Im Fall der Spenden an die Empfänger im Bereich des BMI (etwa ein Benefizturnier), den Österreichischen Integrationsfonds (unter anderem eine runde Million für  Habibi) und an eine private Bildungsinstitution (dazu später) bestand ein Naheverhältnis zwischen Spendenempfängern und Kuratoriumsmitgliedern beziehungsweise dem Geschäftsführer. Hinsichtlich der Mittelverwendung durch die begünstigten Institutionen liegt keine lückenlose Dokumentation vor.


Ausriss: Spendentätigkeit Stadterweiterungsfonds. Quelle: Rechnungshof Bund 2013/4

Aus Liebe – aber keinesfalls umsonst

Auch die Geliebte des ehemaligen Kabinettchefs Christoph Ulmer bekam Beratungsaufträge des Stadterweiterungsfonds, berichtet das profil vom 13.10.2014. Aber nicht etwa „die“ Geliebte, mit der er vorher auch kurzzeitig verheiratet war und die von den Kontrahenten des BMI – der Staatsdruckerei, der Telekom und Motorola – als Beraterin bezahlt wurde, sondern ihre Nachfolgerin. Wobei Ulmer, als sich diese Nachfolgerin selbstständig machte (und noch nicht wusste, wie man dies bewerkstelligt) ihr Kunden aus seinem Netzwerk zugeführt hat: unter anderem neben den schon erwähnten Stadterweiterungsfonds, den Integrationsfonds, das Innenministerium, die Staatsdruckerei und auch einen Einzelkunden namens Mensdorff-Pouilly. Dies sei zunächst ein unentgeltlicher Liebesdienst gewesen, erläuterte Ulmer später. Erst als die Beziehung zu Ende war, stellte er dafür Rechnungen. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen diese Geliebte in der Causa Stadterweiterungsfonds wurde mittlerweile eingestellt.

Satzungsänderungen um Spenden zu legalisieren

Als Silvio Berlusconi in Italien eine Anklage und Verurteilung wegen Bilanzfälschung drohte, ist dort per Parlamentsmehrheit einfach die Strafbarkeit für dieses Delikt aufgehoben worden.  So plump muss in Österreich nicht vorgegangen werden. Mit den Satzungsänderungen 2006 und 2009 wurden beim Stadterweiterungsfonds die Richtlinie 1962 i.V.m. dem Kaiserlichem Handschreiben von 1857 abgeändert. Die Mittelverwendung wurde damit räumlich und sachlich ausgeweitet. Dass diese Änderungen weder dem ursprünglichen Willen des kaiserlichen Stifters entsprachen noch rechtskonform waren und sind, ändert nichts an der damit geschaffenen Rechtmäßigkeit der nach den beiden Satzungsänderungen erfolgen Spenden. Clever! Oder nicht?
Dem für die Fonds-Kontrolle zuständige Sektionschef Matthias Vogl, der eine Abteilungsleiterin im Innenministerium angewiesen hat, die Satzungsänderung zu genehmigen, droht dafür schlimmstenfalls eine Verurteilung wegen Amtsmissbrauch.

Juristische Peanuts also. Problematisch sind nur mehr die 1,1 Millionen Euro an Spenden, die VOR den Satzungsänderungen an Personen und Organisationen, die dem Fondschef und den drei Sektionschefs nahestanden, ausbezahlt wurden.

Wenn der Gulden in Tetzels Kasten klingt – die Seele in den Himmel springt!

Wer sündigt, muss Buße tun. Seit dem Frühkapitalismus ist dies auch mittels einer Zahlung an die Katholische Kirche möglich – dem sogenannten Ablass. Die Sektionschefs und der Fondschef spendeten für die Renovierung der zum Opus Dei gehörigen Wiener Peterskirche. Die Zahlung über 100.000 Euro erfolgte vom Stadterweiterungsfonds. Eine weitere Spende über 110.000 Euro – ebenfalls vom Stadterweiterungsfonds getätigt – ging an die Päpstliche Universität Santa Croce des Opus Dei in Rom. Dort ist der ehemalige Kabinettchef von Innenminister Ernst Strasser – Christoph Ulmer – Vorsitzender des Verwaltungsrat des Forschungszentrums der Päpstlichen Universität. Direktor des Forschungszentrums ist übrigens Monsignore Martin Schlag, der an der Universität Santa Croce auch eine Professur für Moraltheologie und Sozialethik inne hat. Schlag war bis 2008 Regionalvikar der Prälatur des Opus Dei für Österreich und Ungarn.

All diese frommen Spenden werden den Sektionschefs Franz Einzinger, Karl Hutter und Mathias Vogl sowie Alexander Janda und Kabinettchef Christoph Ulmer dereinst das Fegefeuer ersparen. Zu Lebzeiten brachten diese ihnen allen im September 2011 – auf Fürsprache von Schlag – das Ritterkreuz des päpstlichen Silvesterordens ein. Dieser Orden verschafft den Trägern das Privileg, jederzeit mit eigenen Silvesterschwert und Uniform mit einem Pferd die Treppen des Petersdoms in Rom hinaufzureiten.


Fortsetzung der Recherchen

Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken: Das System Pilnacek (Teil drei)


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Titelbild: Von Islandoftrees – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44515937

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