„An diesem Tag gedenken wir nur unserer Aufopferung“ – Gedanken einer Alleinerziehenden zum Muttertag

Foto des Autors

By Kathi Rohrauer

Muttertag. Eine seltsame Erfindung. Ein Tag, bei sich bei der Mutter bedankt werden soll. Heute morgen beim Bäcker standen die Kids Schlange, um noch so ein Muttertags-Herz aus Kuchenteig abzustauben. Mit blutroter Fülle. Sie werden heute Danke sagen. Doch was denkt ihre Mutter eigentlich über den Tag? Wir haben eine alleinerziehende Mutter gebeten, ihren Alltag und ihre Gedanken zum Muttertag aufzuschreiben. „Anstatt drüber zu reden, dass wir weniger Pension bekommen, dass Kinder Karrieren verhindern, dass wir ohne Ernährer potentiell armutsgefährdet sind, dass wir täglich einen Spagat machen müssen, dass wir ständig von wildfremden Menschen bewertet und in frage gestellt werden, posten wir seltsame Sprüche, freuen uns über bald verwelkte Blumen.“ Von Katharina Rohrauer


Alles gleichzeitig tun (müssen)

Seit 8 Jähren bin ich Mutter. Bis ich vor acht Jahren selber Mutter wurde. Das heißt für mich: Jeden Tag stehe ich vor der Herausforderung, meine Kinder zu „erziehen“ und ihre schier unendlichen Bedürfnisse zu stillen (Wieso wachsen sie eigentlich so schnell? Haben nie Socken, die zusammenpassen?), ich mache mir ständig Sorgen (Mach ich alles richtig oder mach ich sie kaputt?), bin ständig mit ihren Problemen (Mama, ich brauch aber das rosa Teller, vom weißen kann ich unmöglich essen, das musst du verstehen), ihren Freuden, ihren Terminen und ihrem Leben (Es ist unvorstellbar, welche Dramen sich im Leben einer 8-Jährigen an einem Schultag abspielen…) beschäftigt.
Parallel dazu muss ich im Berufsleben bestehen, muss professionell sein, 100% konzentriert, von mir wird verlangt, während eines Arbeitstages gute Arbeit zu leisten. Immerhin werde ich ja dafür bezahlt. Durch meine Kinder kann ich aber nicht 40 Stunden arbeiten, ich nehme Altersarmut, weniger Einkommen und eine – nicht wegzuleugnende- gläserne Decke in Kauf. Im Gegenteil, ich versuche sogar besser zu sein als die anderen, ich gebe 120%. Ich muss ja einen guten Eindruck beim Chef hinterlassen, damit die Ausfälle durch Krankheiten oder sonstigekiinderbedingte Termine keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Außerdem will ich ja beweisen, dass ich „anders“ bin, dass ich es locker schaffe, Kinder und Beruf zu vereinen. Das können alle anderen ja auch.

Am Ende des Tages

Als Alleinerziehende warten auf mich am Ende des Tages dann auch Wäsche -und Geschirrberge, Einkaufslisten und ein Haushalt, der zumindest rudimentär geführt werden will. Außerdem wollen die Kinder auch noch ernährt werden. Das Kochen bleibt mir nicht erspart.
Am Ende eines normalen Tages in meinem Leben sitz ich völlig ermattet und zwischen einzelnen Socken, deren Gegenstücke in den Tiefen meiner Waschmaschine verschwunden sind auf der Couch. Oder ich finde mich am Küchentisch wieder. Zwischen Kalendern, Einkaufs – und sonstigen Listen und brüte über die Vereinbarkeit von Elternabend und Gute Nacht Geschichte, sende Stoßgebete ans Universum und hoffe, dass die Babysitterin Zeit hat. Ich organisieren Weihnachts- und Geburtstagsfeste, Spielnachmittage und Parkrunden, überleg mir Small Talk Themen, über die ich mit Müttern, mit denen ich eigentlich wenig gemein hab, mit denen ich aber Zeit verbringen muss, weil die Sprösslinge sich nun Mal lieben, reden kann.
Und jeden Abend frag mich, wie ein einzelner Mensch das denn alles schaffen soll, ohne zu verzweifeln.

Bin ich die Einzige, die „so“ ist?

Dann frag ich mich, ob ich denn die einzige bin, die das nicht auf die Reihe kriegt, die manchmal das Gefühl hat, in jeder Hinsicht und total zu versagen und mit fliegenden Fahnen unterzugehen. Ob ich der egoistischste Mensch der Erde bin, weil ich nach wie vor ein wenig auf mich und meine Bedürfnisse achte und in kauf nehme, dass die der Kinder dann manchmal hinten anstehen (müssen).
Wenn ich dann mit anderen Müttern rede, dann stell ich fest, dass ich nicht allein bin. Wir gehen alle unter. Wir stoßen alle an unsere Grenzen. Wir reden nur nicht darüber, weil wir nicht die VersagerInnen sein wollen.
Aber sind das unsere Grenzen? Stoßen wir an Grenzen, die wir in uns haben oder stoßen wir an Grenzen, die von Außen gezogen wurden? Von der Gesellschaft, unseren Mitmenschen, der Politik, dem Zeitgeist? Glauben wir nur, das alles schaffen zu müssen, weil es uns so vermittelt wird? Weil wir so aufgewachsen sind?
Vielleicht ist es ja tatsächlich unschaffbar. Vielleicht ist es tatsächlich unmöglich, Kinder, Haushalt, Beruf, Sozialleben und alles andere unter den mütterlichen Hut zu bringen.

Ich stehe zu meiner Unzulänglichkeit

Dann rapple ich mich auf und steh zu meiner -vermeintlichen – Unzulänglichkeit. Steh dazu, dass meine Kinder manchmal vom TV essen dürfen, weil ich keine Lust hab, mir nochmal zwei Stunden Geschichten aus der Schule anzuhören, sondern einfach mal allein am Balkon sitzen und nichts tun will. Ich nehme mir heraus, kein Kind zum Ballett zu schicken oder stundenlang am Spielplatz Sandburgen zu bauen, sondern glotz mal eine halbe Stunde ins Handy. Dann verabrede ich mich Müttern, die ich mag und es ist mir wuascht, ob die jeweiligen Kinder das auch tun. Ich lese Bücher anstatt diese blöden Socken zu sortieren. Dann leiste ich mir den 120 € Friseurbesuch und investiere das Geld nicht in Kinderzeugs. Ich mach den Kindern Pommes Frites zum Abendessen und tanze mit ihnen durch die Wohnung. Ich pfeife auf „kindgerecht“ und lese Harry Potter oder Herr der Ringe zum Einschlafen, nehme die folgenden Alpträume in Kauf, schimpfe und fluche vor den Kindern, ohne mir danach den Mund mit Seife zu waschen oder ich mich zu schämen. Anstatt des öko-bio-gendersensiblen Holzpferd von glücklichen Bäumen gibt’s dann das plastik-glitter-rosa-Pony. Wir schlunzen dann zwischen den Wäsche- und Geschirrbergen und ignorieren, dass es grad das pure Chaos bei uns ist. Dann bleib ich daheim, wenn Kind krank ist oder komm ab und an zu spät, weil wir den Morgentaumel nicht geschafft haben. Ich sag dann auch mal „nein, ich schaff das nicht“, wenn wer was von mir will. Dann frag ich nach Hilfe und sage, dass ich überfordert bin. Dann sag ich auch, dass ich die Kinder manchmal gern im Wald aussetzen würde und dass sie mir mitunter den allerletzten Nerv rauben.
Es ist mir bei all dem dann auch völlig egal, ob mich wer schief ansieht, ob mich wer für eine schlechte Mutter hält oder das Jugendamt verständigt. Ich merke, dass mich das entspannt und es mir besser geht, zu meiner Nicht Perfektion zu stehen.

Muttertag wundert mich

Mich wundert Muttertag immer wieder aufs Neue. Ich verstehe nicht, warum der Tag so wichtig für die Mütter ist. An diesem Tag gedenken wir nur unserer Aufopferung und nehmen uns einen vermeintlichen tag Urlaub davon. Wir lassen uns loben und aufs Kopferl greifen, dass wir uns in ein System eingliedern und es so stützen, dass uns weder achtet noch fördert oder unterstützt. Wir freuen uns, dass uns „geholfen“ wird, anstatt diese „Hilfe“ an jedem Tag zu verlangen und darauf zu bestehen, dass sie keine Hilfe sondern eine Selbstverständlichkeit wird. Wir posten Fotos von den tollen Geschenken und dem tollen tag, wohl wissend, dass morgen wieder alles so wie immer ist. Wir kämpfen nicht für unsere Rechte, wir stellen das Mutterbild, das uns an diesem Tag (und allen anderen) aufgedrückt nicht in Frage. Anstatt drüber zu reden, dass wir weniger Pension bekommen, dass Kinder Karrieren verhindern, dass wir ohne Ernährer potentiell armutsgefährdet sind, dass wir täglich einen Spagat machen müssen, dass wir ständig von wildfremden Menschen bewertet und in frage gestellt werden, posten wir seltsame Sprüche, freuen uns über bald verwelkte Blumen und lassen zu, dass unsere Kinder, die Mütter und Väter von morgen, lernen, dass es genug is, an einem Tag ihm Jahr Blumen und Selbstgebasteltes zu überreichen, damit wir an alle den anderen Tagen funktionieren.

Vorbilder: Lorelay Gilmore – oder doch Mutter Beimer?

Ich hab lange nachgedacht, welche Art Mutter ich sein möchte. March Simpson oder eher Lorelay Gilmore? Peggy Bundy, Roseanne oder Mutter Beimer? Und dann irgendwann festgestellt, dass es genau das ist, was ich falsch mache. Ich vergleiche mich, ich eifere etwas nach. Und ich weiß, dass viele von uns das tun. Also lass ichs bleiben. Ich bin einfach ich. Unzulänglich und überfordert. Stark und mutig. Lustig und belustigt. Oder, wie meine Tochter es in ihrem Muttertagsplakat geschrieben hat: Nett und lieb. Aber auch peinlich und nervig.
Und hey, es is gut so. wir sind alle gut so wie wir sind. Wir brauchen weder Blumen noch Geschenke. Keine Pralinen und Essenseinladungen. Wir brauchen Unterstützung und Achtung. An jedem Tag, nicht nur am Muttertag.


Katharina Rohrauer ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, Deutschlehrende und Betriebsrätin.

Schreibe einen Kommentar