Wer verdient an unseren KFZ-Daten?

Foto des Autors

By Sebastian Reinfeldt

Wer ein Auto hat, muss ein gültiges Pickerl (amtsdeutsch: Begutachtungsplakette) auf seinem Fahrzeug haben. Nur dann darf das Auto im Straßenverkehr bewegt werden. Seit 2013 werden die Ergebnisse der Pickerl-Überprüfung (amtsdeutsch: 57a-Gutachten) in einer privaten Datenbank erfasst – im Auftrag des zuständigen Verkehrsministeriums. Seit kurzem ist es den Unternehmen, die die Datenbank betreiben, erlaubt, mit diesen Daten Geld zu verdienen. Sie dürfen die Erkenntnise aus den Begutachtungen verkaufen. Diese Daten sagen nämlich einiges über das Fahrverhalten der Besitzerinnen und Besitzer aus, daher sind sie wertvoll. Und die Einnahmen aus dem Datenverkauf verschwinden in einem Firmengeflecht. Sebastian Reinfeldt hat die seltsamen Privatisierung öffentlicher Daten nachrecherchiert.


Jänner 2013: Der Nationalrat beschließt einstimmig eine „Begutachtungsplakettendatenbank“

Am 31. Januar 2013 hat der Nationalrat die 31. Novelle des Kraftfahrgesetzes (KFG) beschlossen. Die Diskussion im Plenum ging dabei so unspektakulär über die Bühne, wie es der Tagesordnungspunkt erahnen lässt. Besonders der Plan, eine zentrale „Begutachtungsplakettendatenbank“ zu errichten, stieß auf keinen Widerstand. Die damals zuständige Ministerin Doris Bures erläuterte in der Diskussion im Plenum, dass es sich um eine „Verwaltungsvereinfachung“ und eine „Sparmaßnahme“ handelt. Und wer will nicht sparen und vereinfachen? Der Gesetzesvorschlag wurde also einstimmig angenommen. Im Text heißt es im Paragrafen 57c wörtlich:

(1) Verfahren und Amtshandlungen nach diesem Bundesgesetz betreffend Herstellung, Verteilung und Ausgabe der Begutachtungsplaketten sind mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung in Form einer zentralen Datenbank (Begutachtungsplakettendatenbank) durchzuführen. Die ermächtigten  Plakettenhersteller (§ 57a, Abs.7)  haben eine zentrale  Begutachtungsplakettendatenbank einzurichten und zu führen. Zu diesem Zweck können sich die ermächtigten Plakettenhersteller zu einer Vertriebsgesellschaft zusammenschließen. Die ermächtigten Plakettenhersteller haben diese Begutachtungsplakettendatenbank über den Preis der Begutachtungsplakette zu finanzieren.

Mai 2013: Die ZBD Verwaltung GmbH & Co KG wird gegründet

Zu eben diesem Zweck, nämlich dem der „Einrichtung und Führung einer zentralen Begutachtungsplakettendatenbank„, erblickt im Mai 2013 die ZBD Gmbh und Co Kommanditgesellschaft das Licht der Welt. Sie hat zwei Geschäftsführer und als notwendige Komplementär-GmbH eine fast gleichnamige ZBD Verwaltung GmbH. ZBD Gmbh und ZBD Gmbh und Co KG haben praktischwerweise dieselbe Wiener Adresse (in der Perfektastraße) und dieselben beiden Geschäftsführer. An der ZBD Verwaltung Gmbh sind zwei weitere Firmen beteiligt: Aus Wien die Georg Ebinger Gesellschaft m.b.H, und aus Graz die Schilcher & Sohn GmbH & CO KG. Beide Firmen produzieren KFZ-Kennzeichen. Verbindendes Glied dieses Firmengeflechts sind zudem seine Geschäftsführer: Da ist zum einen der ZBD-Geschäftsführer Hanns-Jürgen Krenn. Er ist Geschäftsführer von insgesamt 15 verschiedenen Firmen. Krenn vertritt sozusagen die Grazer Linie. Ihm gegenüber steht ZBD-Verwaltungs-Geschäftsführer Wolfgang Hammer (die Wiener Linie), Geschäftsführer von insgesamt 11 Unternehmen.

Hoheitliche Aufgaben sind privatisiert

In anderen Worten: Durch den unscheinbaren Gesetzesbeschluss im Januar 2013 wurden hoheitliche Aufgaben in ein Firmenkonsortium hinein privatisiert. Und das hat weitreichende Konsequenzen. Privatisiert wurden nämlich die Speicherung und Verarbeitung von Informationen, die Voraussetzung sind, um legal ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu bewegen. Über die zwei Ecken – von der ZBD Gmbh und Co KG über die ZBD Gmbh – gelangt man im Firmengeflecht beispielsweise zur Grazer Firma Schilcher & Sohn. Sie produziert nicht nur Nummerntafeln, sondern auch die Prüfplaketten selbst.

Am nunmehrigen Standort in der Hergottwiesgasse 31 werden jährlich zirka 100.000 KFZ-Tafeln und rund 1,5 Millionen Prüfplaketten produziert. Zu den Hauptkunden zählen neben den österreichischen KFZ-Versicherungsgesellschaften auch die 32 Zulassungsbehörden in der Steiemark, Kärnten und Vorarlberg sowie zirka 6.000 KFZ-Überprüfungsstellen in Österreich,

So feierte man das 50jährige Firmenjubiläum auf der Homepage des Landes Steiermark. Überreicht wurde ein Landeswappen zum Jubiläum übrigens im April 2013. Das war ein Monat vor der Gründung der neuen Einnahmequelle des steierischen Traditionsbetriebs: der zentralen Begutachtungsdatenbank.

Ein Monopol entsteht: Alle KFZ-Daten in einer privaten Hand

Alle „Pickerl“-Gutachten werden nun von der Firma ZBD Verwaltung GmbH & Co KG gespeichert und verwaltet. 2015 wurde beschlossen, die existierende Datenbank durch eine Erhöhung des Pickerl-Preises von € 1,46 auf € 1,90 zu finanzieren. Die ZBD erhebt Daten, die von keiner staatlichen Stelle mehr geprüft werden. Bezahlt wird sie trotzdem über den Pickerl-Preis von allen Autofahrern. Mit Januar 2019 tut sich nun eine weitere Einnahmequelle auf.

Die ZBD darf die Daten nämlich verkaufen. Wohlgemerkt: Es handelt sich dabei um Einnahmen aus Daten, die jede und jeder produzieren muss. Und für deren Speicherung jede und jeder über die Pickerlgebühr bereits bezahlt hat. Der Staat erhebt also Daten und verlangt für die Speicherung eine Gebühr. Und dann werden die Daten an ein privates Konsortium übergeben, das damit Profit macht. Das ist schon ein lässiges Geschäftsmodell.

Januar 2019: Die Betreiber der Datenbank können nun Daten verkaufen

Entstanden ist es durch die mittlerweile 36. Novelle des Kraftfahrgesetzes. Sie fand sich im Januar 2019 im Nationalrat auf der Tagesordnung. Ihr zufolge ist vorgesehen, dass die privaten Betreiber der Datenbank wesentliche Informationen zu den Begutachtungen nach Paragraf 57a zur Verfügung stellen müssen. Gegen „einen angemessenen Kostenbeitrag„, wie es im Gesetzestext heißt. Der nun zuständige Minister Norbert Hofer versicherte in der Parlamentsdebatte, dass keine personenbezogenen Daten gespeichert würden. Er argumentierte damit, dass die neue Regelung die Sicherheit der Konsumentinnen und Konsumenten hebe, um beispielsweise keine Fahrzeuge zu erwerben, an denen „Tachomanipulationen“ vorgenommen wurden.

Der ungehemmte Datenfluss

Alle Personendaten seien pseudonymisiert. So hieß es beruhigend im Parlament und so steht es ausdrücklich auch im Gesetzestext. Bei der Pseudonymisierung werden Namen oder andere Identifikationsmerkmale z.B. durch eine Zahlenkombination ersetzt, damit man die Identitäten hinter den Daten nicht oder nur schwer erkennen kann. Kurz: der Halter eines jeweiligen Autos soll für Dritte auf der Pickerl-Datenbank unerkannt bleiben. Wenn man aber Zugriff zu weiteren Datensilos hat und die jeweiligen Datensätze zusammenzieht, kann man sehr wohl ein Profil einer Person basteln und herausfinden, wer diese Person im wirklichen Leben ist. Das heißt, die Daten sind nicht wirklich sicher.

So ein Profil zu erstellen, ist technisch durchaus möglich. Versicherungsgesellschaften etwa könnten, wenn sie eine Daten-Flat bei der privaten ZBD buchen, relevante Informationen über das Fahrverhalten ihrer Zulassungsbesitzer erwerben – mit Daten wohlgemerkt, die alle Fahrenden gezwungen sind, abzugeben.

Statt unsere Daten vor einem Zugriff durch Dritte zu schützen, werden sie seitens der öffentlichen Hand am Datenmarkt feil geboten. Zum Wohle und zum Nutzen privater Nutzerinnen und Nutzer.


Fotocredit: steiermark.at/Jammernegg

1 Gedanke zu „Wer verdient an unseren KFZ-Daten?“

  1. Interessant, was mit unseren KFZ-Messdaten so passiert. Ich finde es eher suboptimal, dass die Verwaltung von Messdaten in privater Hand liegt. Auch dass nun die Daten verkauft werden können ist nicht unbedenklich, obwohl es natürlich schön wäre eine Absicherung gegen Tachomanipulation zu haben.

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