Das Beste im Rahmen der gegebenen Machtverhältnisse ist einfach nicht gut genug!

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Anmerkungen zu einem ZiB2-Interview mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober. In der Sendung am Montagabend hat der österreichische Minister einen spannenden Einblick in die Realverfassung des Landes gegeben. Stundenlang habe er am Wochenende Tirols Landeshauptmann Günther Platter dazu zu bewegen versucht, im Bundesland das Notwendige zu tun, berichtet er. Das wäre: Teile des Bundeslands abzusperren und dort duchgängig zu testen. Er wolle mehr, mehr, mehr Maßnahmen von Tirol. Ohne Erfolg. Nun wird das Ministerium alles, was rechtlich möglich ist, tun, egal ob Tirol da ja sagt oder nein, so Anschober. Ein Gastkommentar von Christian Promitzer.


Die gestrige Ausgabe der Zeit im Bild 2 (ZiB2) war wohl eine der raren Sternstunden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF. Armin Wolf gehört als inquisitiver Journalist in Interviewsituationen zwar zugegebenermaßen zu jenen, die bei einem Vergleich mit den besten US-amerikanischen Kolleg:innen bestehen würden. Aber in sozial brennenden Situationen, wo es um so vieles – vor allem um Menschenleben – geht, ist sein journalistisches Geschick dann doch umso einprägsamer.

Anschober ist ein redlicher und geduldiger Mann

In seinem gestrigen Interview, dessen dramatische Umstände von manchen, die es immer noch nicht wahrhaben wollen, unterschätzt werden, hat Wolf den Gesundheitsminister aufs Korn genommen. Diesem ist primär zu unterstellen, dass er ein redlicher und geduldiger Mann ist, der mehr seinem Amt als seiner Partei verpflichtet ist. In dem zweigeteilten Interview ging es im ersten Teil um die gesundheitliche Situation im Bundesland Tirol, und die Maßnahmen die angesichts des Auftretens der Corona-Mutante B.1.351 zu setzen seien. Im zweiten Teil wurde dann die Corona-Politik der Bundesregierung insgesamt thematisiert.

Reale Kräfteverhältnisse, die im Fernsehen offenbar werden

Mit seinen exakt gesetzten Fragen hat Wolf die Geduld seines Gegenübers zu Recht strapaziert. Als genauer Zuhörer dieser Fragen wurde man darin bestätigt, dass die tatsächlichen Hierarchien in der Gesundheitspolitik zwischen der Bundesregierung und der politischen Elite eines Bundeslandes nicht entlang der Verfassung verlaufen, sondern von regionalen wirtschaftlichen Interessen bestimmt sind. Den politischen Faktoren in Tirol – von der Landesregierung über die Wirtschaftskammer bis hin zur ÖVP-dominierten Arbeiterkammer – gilt daher die Gesundheit der Bevölkerung, sowohl in Tirol als auch im Rest von Österreich, wie auch jenseits der Grenzen, offenbar nur sehr wenig. Aus Wolfs Fragen konnte man überdies – gleichsam aus dem Negativ heraus – ableiten und erahnen, was die Ziele einer tatsächlich am Gemeinwohl orientierten, seriösen Gesundheitspolitik sein könnten und welche Schritte dahin, wenn sie nur gesetzt würden, zu machen wären. Mehr ist von einer bürgerlichen Öffentlichkeit – wobei bürgerlich im Sinne des citoyen aufzufassen ist – nicht zu verlangen.

Anschober versucht das Beste aus dem zu machen, was er vorfindet

Abschließend sind noch einige wenige Bemerkungen zum Verhalten des Gesundheitsministers nötig: Nicht zum ersten Mal hat man den Eindruck bekommen, dass Anschober – im Rahmen des vor allem von Interessenspolitiken bestimmten Umfeldes der Bundesregierung und der Tiroler Landesregierung agierend – tatsächlich versucht, das Beste daraus zu machen, was er vorfindet. Und so wirkt er selbst in seinem Versagen irgendwie authentisch. Wolf hat manche dieser Schwächen und Weglosigkeiten beim gestrigen Interview offengelegt. Diese werden sicherlich auch von Anschober nicht übersehen, von ihm aber schweigend akzeptiert, um, bei all seiner Machtlosigkeit, wenigstens den Ansatz oder auch nur den Anschein für eine rationale Gesundheitspolitik zustandezubringen. Der Grüne Rudi Anschober würde unser Mitleid verdienen, da er in seinem Wollen eine tragische Figur ist.

Zu tragisch für Mitleid

Doch ist der Anlass selbst zu tragisch für Mitleid. Dieses ist ein nichtiges Gefühl angesichts der Chuzpe, mit der die wirtschaftlichen und politischen Eliten eines Bundeslandes die Gesundheit nicht nur der Bevölkerung des restlichen Österreichs, sondern auch der Länder der Europäischen Union gefährden.

Im übrigen bin ich der Ansicht, dass #ZeroCovid die einzige Chance wäre, würde sie nur ergriffen, um dem Virus in kurzer Zeit Schachmatt zu bieten.


Christian Promitzer ist Historiker an der Universität Graz. Er hat sich in den letzten 10 Jahren mit Medizingeschichte befasst, besonders mit den Themen Quarantäne, Pest und Cholera. Zudem ist er Mitglied der KPÖ.


Zur zivilgesellschaftlichen Petition des Semiosisblogs: Minister Anschober: Act now! Weisen Sie einen Lockdown für Tirol an!


Fotohinweis: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ischgl_2009_kuhstall.jpg?uselang=de

1 Gedanke zu „Das Beste im Rahmen der gegebenen Machtverhältnisse ist einfach nicht gut genug!“

  1. Es läuft wieder alles so wie der Kurze es will. Ganz klar ohne Rücksicht auf Verluste. Als Tiroler Bürger darf ich mich von den Wienern wieder mal einsperren lassen, weil gewisse Leute wiedermal nicht ihren Job gemacht haben wie so schön heißt. Wenn ich zum Friseur will brauche ich einen Corona Test nicht älter als 48 Stunden, wenn ich zum Schifahren will mit Gondelbahn dann auch. Super was kommt denn als nächstes ?Unser LH Platter hat erst getönt „Beim Schifahren kann man sich nicht ansttecken ! Jetzt also doch. Solche Typen wie den nennt man Fähnchen im Wind. Das passt.

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