ÖiF-Ausschreibung: Wenn ein staatlich organisierter Markt nach unten regelt

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By Sebastian Reinfeldt

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„Völlig korrekt“ sei das alles abgelaufen, berichten uns Teilnehmende an den Verhandlungsrunden zur Vergabe von Mitteln für das Startpaket Deutsch und Integration des Österreichischen Integrationsfonds (ÖiF). Für jedes Bundesland hatte die öffentliche Hand Deutschkurse bis Ende 2025 ausgeschrieben.

Die Kurse sind beauftragt. Sie haben im Januar 2023 begonnen.

Obwohl das alles formal korrekt abgelaufen sein soll, gibt es Kritik. Ende Januar 2023 versammelten sich 80 Deutsch-Unterrichtende vor der alten Zentrale des Integrationsfonds im dritten Wiener Bezirk und kritisierten „die bevorzugte Vergabe von Fördermitteln (…) an kostengünstige Billiganbieter, vornehmlich profitorientierte Unternehmen.“ Konsequenz, so die Protestierenden: Der ÖIF sorge durch diesen Preisdruck für schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen in der Branche der Erwachsenenbildung.

Sebastian Reinfeldt hat sich die Ausschreibung und ihre Hintergründe genauer angesehen, den ÖiF befragt und sich in der Branche umgehört. Dabei hat er Bemerkenswertes herausgefunden.


Mehr als 244 Millionen Euro: Die Eckdaten des Startpaketes Deutsch und Integration

Mehr als 244 Millionen Euro fließen in den nächsten drei Jahren österreichweit in die Erwachsenenbildungsbranche. Alleine in Wien könnten in diesem Zeitraum maximal 1.746050 Unterrichtseinheiten abgehalten werden. So steht es jedenfalls in den Ausschreibungsunterlagen.

Das ist nicht nichts, was die öffentliche Hand da in die Erwachsenenbildung investiert. Alleine der Wiener Anteil dieser Deutschkurse wiegt rund 158 Millionen Euro schwer, wohlgemerkt, vergeben auf drei Jahre.

Die folgende Tabelle fasst das Ergebnis der entsprechenden Ausschreibung so zusammen, wie es die Bundesbeschaffung in der europaweiten Bekanntmachung vergebener Aufträge veröffentlicht hat. Die Prozentsätze beschreiben den Anteil am Kuchen des Wiener 158-Millionen-Loses. Sie ergeben sich aus der Reihung der Firmen am Ende des Vergabeprozesses.

Quelle: Ted: Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union sowie eigene Recherchen – Gestaltung Semiosis

Nur die Großen konnten es schaffen

Überraschend ist bei den erklecklichen Summen, die da aufgerufen sind, dass beispielsweise für Wien für acht Teillose nur elf Angebote abgegeben wurden. Im Fall von Salzburg und der Steiermark stand der Zuschlag sogar von vorneherein fest, denn nur ein einzelnes Unternehmen legte jeweils ein Angebot. All das hatte, so der ÖiF, eine Bewandtnis:

Die Kriterien wurden in Zusammenarbeit mit der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) so definiert, dass die Aufträge an nachweislich befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden.

Antwort ÖiF auf Semiosis-Nachfrage

Im Vorfeld wurde ordentlich gesiebt. Um überhaupt mit einem Konzept samt Kostenkalkulation in die späteren Verhandlungsrunden gelangen zu können, mussten alle Interessent*innen zuerst nachweisen, dass sie so einen millionenschweren Auftrag überhaupt abwickeln können. Dafür lauteten die Kriterien: Ihr Standort, ihre Organisationsstruktur und schließlich, ob sie entsprechende Referenzaufträge vorweisen können. Wobei letzteres Kriterium in den Ausschreibungsunterlagen mit 60 von 100 Punkten bewertet wurde. Für das Wiener Los kamen zudem nur Unternehmen zum Zuge, die zuvor mindestens zwei Aufträge über 500.000 Euro abgewickelt hatten.

Damit fielen kleinere Sprachschulen, auch wenn sie bislang ÖiF-Kurse abgehalten haben, aus dem Bieterpool heraus. Sie konnten sich allerdings zusammentun und eine sogenannte Bietergemeinschaft – im Branchenjargon „Biege“ genannt – bilden. In Wien wurde eine solche „Biege“ der Kleinen bei der Auftragsvergabe auch berücksichtigt. Andere solcher „Biegen“ hingegen fielen heraus, unter anderem solche, an denen sich prominente Organisationen wie die Caritas, die Diakonie oder die Wiener Volkshochschulen beteiligt hatten.

Für Biegen aus kleineren Unternehmen stellten die Referenzaufträge und die geforderten Umsätze eine Riesenhürde dar. Besonders angesichts der Pandemie, in der ja monatelang kaum Unterricht stattfinden konnte.

Merit-Order: Nur andersherum

Das „faire und gesetzeskonforme“ Verfahren siebte aber nicht nur die Kleinen vorab aus. Es brachte auch enorme Preisspannen hervor. So verrechnet das billigste Angebot eine Unterrichtseinheit von 50 Minuten inklusive aller weiterer Kosten für etwas mehr als 60 Euro, wohingegen das teuerste beauftragte Angebot mit rund 115 Euro fast das Doppelte für eine Einheit Unterricht kalkuliert hat. Das macht eine beachtliche Differenz von 85 Prozent aus.

Der Österreichische Integrationsfonds ist dennoch mit dem Verlauf der Ausschreibung zufrieden und bezeichnet sie als, so wörtlich, „freien Wettbewerb“. Außerdem merkt er zu der hier dargestellten Kostenkalkulation pro Unterrichtseinheit an, dass die Summen weit mehr als die Personalkosten abdecken würden.

Das Vergaberecht sieht einen freien Wettbewerb unter Bietern vor. Die in den Angeboten der Bieter dargelegten Preiskalkulationen setzen sich aus mehreren Faktoren zusammen, die weit über die Personalkosten hinausgehen. (…) Ein direkter Rückschluss auf die Kosten einer Unterrichtseinheit ist daher nicht möglich.

Antwort ÖiF auf Semiosis-Nachfrage

So frei, wie der ÖiF hier argumentiert, war der Wettbewerb allerdings auch wieder nicht. So hat der ÖiF nach oben hin ein Kick-out Kriterium formuliert. Denn grundsätzlich wurden bei der Bewertung der Angebote der Preis und die Qualität (im wesentlichen das eingereichte Konzept und die Qualifikation der Mitarbeiter*innen) im Verhältnis 50 zu 50 gewichtet. Aber:

Ein Angebot mit doppelt so hohem oder höherem Preis als das Angebot mit dem geringsten bewertungsrelevanten Gesamtpreis, erhält in diesem Kriterium 0 Punkte.

Quelle: Ausschreibungsunterlagen BBG, Allgemeine Ausschreibungsbedingungen

Auf (gut) Deutsch: Wer zu hoch anbietet, fliegt heraus. Wer niedrig anbietet, bleibt jedenfalls im Spiel. Diese Regel lässt sich durchaus als ein umgekehrtes Merit-Order-Prinzip verstehen. Der Billigstbieter regelt den Preis.

Wie kommen solche Preisspannen zustande?

An welcher Stelle können die einen, preisgünstigen Bieter sparen, und wofür geben die anderen mehr Geld aus? Da wir nicht in die Bücher der privaten Unternehmen schauen können, obwohl sie zu fast 90 Prozent von öffentlichen Geldern abhängen, lässt sich diese Frage derzeit nur näherungsweise beantworten.

Sicher ist: In der Erwachsenenbildung machen die Personalausgaben den größten Anteil der Kosten eines jeden Projektes aus. Es braucht eben gut ausgebildete Menschen, die die deutsche Sprache weitergeben und verständlich erklären. Alle Beschäftigten der Branche werden nach Kollektivvertrag bezahlt, der in der Branche „BABE“ heißt und noch gar nicht so lange verbindlich, also „gesatzt“, gilt.

Wie jeder Kollektivvertrag bietet er Raum für Tricksereien, und zwar bei der Einstufung der Mitarbeiter*innen und bei der Berechnung der vorgeschrieben Vor- und Nachbereitungszeiten für eine Unterrichtseinheit. Wie viele Vordienstzeiten angerechnet werden, die in der Gehaltstabelle dann die Einstufung und somit das reale Einkommen ergeben, hängt nicht automatisch von den tatsächlichen Einsatzzeiten der Beschäftigten ab.

So war es in der Branche lange Zeit Gang und gäbe, dass Unternehmen nur maximal fünf Jahre Berufserfahrung anerkannt haben, egal, wie viel Vordienstzeiten die neuen Mitarbeiter*innen tatsächlich vorweisen konnten. Da bei den Ausschreibungen die Ausbildung und die Berufserfahrung des Personals mit bewertet wird, profitieren Unternehmen zwar von den langen Dienstzeiten ihrer Mitarbeiter*innen, ohne die Betroffenen dafür entsprechend zu entlohnen.

Angebotstechnisch lässt sich auch bei der Berechnung der Vor- und Nachbereitungszeiten sparen. Und das funktioniert so: Sprachkurse werden von Fachpersonal durchgeführt, die die Unterrichtseinheiten inhaltlich und methodisch vorbereiten sollen. So wie die Lehrer*innen in einer Schule. In der Branche der Erwachsenenbildung werden dafür aber von einigen Dienstgebern die normalen Unterrichtspausen als Vor- und Nachbereitungszeiten gezählt und berechnet, Pausen, in denen in Wahrheit nie wirklich Zeit zum Vorbereiten bleibt.

Natürlich eröffnen auch die sonstigen Kosten noch Spielräume bei den Kalkulationen.

Schließlich besteht der Verdacht, dass nicht alle Anbietenden immer kostendeckend mitbieten. Aus der Sicht einiger könnte es nämlich besser sein, überhaupt einen Auftrag als gar keinen Auftrag zu haben.

Bildungsinstitut for sale

Die vielzitierten Spatzen pfiffen es von den Dächern der Bildungsinstitute: Mit ibis acam stand ein großes Unternehmen der Branche mit Sitz in Wien zum Verkauf. Sie gelten in der Branche eher als Billigbieter. Eine mögliche Erwägung könnte lauten, im Vorfeld des Verkaufs den Umsatz des Unternehmens ordentlich nach oben zu treiben, um die Braut für den Verkauf „aufzuhübschen“. Mit Dumping-Angebote erreicht ein Bildungsinstitut mit einem ordentlichen Konzept bei der Bewertung einen so guten Score, dass es den Auftrag bekommt. Außerden gibt es ja nur eine Kick-out Regel für zu hohe Preiskalkulationen und nicht für zu niedrige.

Bei der ÖiF-Ausschreibung hat ibis acam in Wien mit 16 Prozent den höchsten Prozentanteil des 158 Millionen-Kuchens ergattert und damit die beste Punktzahl aus der Zusammenschau von Qualität und Preis erzielt.

Fakt ist aber auch: Das Wiener Unternehmen gehört zur sogenannten Aspire Education-Gruppe, an der ein Luxemburger Investmentfonds des deutschen Quadriga Capital Funds zu mehr als 75 Prozent beteiligt – war. Investmentfonds investieren nicht aufgrund karitativer Überlegungen in Unternehmen, sondern aufgrund der Erwartung guter Renditen. Auf diese Weise werden öffentliche Mittel, die für die Aufträge fließen, nicht nur privatisiert und ins Ausland transferiert, sondern sie werden dabei auch vermehrt.

Die Quadriga-Beteiligung ist mittlerweile Geschichte. Tatsächlich wurde die Aspire-Gruppe und mit ihr ibis acam verkauft. Im Dezember 2022 ist diese Transaktion offiziell über die Bühne gegangen.

EMZ Partners erwirbt die Mehrheit der Anteile an der Aspire Education Gruppe. Co-CEOs J. Lampert und U. Schelkes sowie das weitere Managementteam bleiben bzw. werden bedeutende Mitgesellschafter.

Da beide Seiten das Geschäft in Pressemitteilungen bestätigen, ist die Übernahme fix. Über die Übernahmebedingungen und die Summen, die dabei geflossen sind, ist nichts bekannt. Eine Semiosis-Anfrage bei den neuen Mehrheitseignern der Aspire-Gruppe, bei EMZ, blieb unbeantwortet. Laut Homepage legen sie wert auf sozial nachhaltige Investments.

For Russia with love?

Die betreffende Ausschreibung wurde inklusive dieser Kriterien am 30.12.2021 – also deutlich vor Beginn des Kriegs in der Ukraine – veröffentlicht.

Antwort ÖiF auf Semiosis-Nachfrage

So reagiert der ÖiF auf unsere kritische Frage nach einer bestimmten Sprachschule, die nun mit Deutschkursen für Geflüchtete beauftragt ist, die auch aus der Ukraine kommen. Diese Schule weist unverkennbar eine Nähe zu Russland auf. Gemeint ist die Meridian OG, die die erfolgreiche „Biege“ der Kleineren beim Wiener Los anführt. Sie ist nämlich offizieller Partner des staatlichen Pushkin State Language Instituts.

Das Staatliche Puschkin-Institut in Moskau ist das Zentrum für den Russisch-als-Fremdsprache-Unterricht

Quelle: https://www.puschkin.at/

Jeder Krieg ist zu verurteilen

Nun, so mag man richtigerweise einwenden, bedeutet das staatlich anerkannte Vermitteln der russischen Sprache nicht automatisch, dass man mit der Politik Putins übereinstimmt. Also haben wir bei Meridian nachgefragt und die folgende Antwort erhalten:

Frage: Wie positionieren sich die Schulen der Bietergemeinschaft zum Angriff Russlands auf die Ukraine?

Antwort: Jeder Krieg ist auf das Schärfste zu verurteilen.

Semiosis-Anfrage und ihre Beantwortung

In diesem bemerkenswerten Statement wird weder der Aggressor benannt noch bewertet es die Konsequenzen der Sachlage entsprechend der Fakten: Verteidigung bei einem militärischen Angriff führt ja ebenso zum Krieg.

Hinzu kommt: Bei einer ihnen nahe stehenden Firma, die ganz direkt Geschäfte mit dem offiziellen Russland gemacht hat und diese laut Homepage weiter anbietet, sind die Inhaber*innen von Meridian operativ involviert. Es handelt sich um die Progress IV Management GmbH:

Wir sind eine Partnerfirma der Handels- und Industriekammer der RF und der Föderalagentur für Angelegenheiten der GUS „Rossotrudnichestvo“. Wir halten ständigen Kontakt zur Handelskammer der Republik Belarus, zur Wirtschaftskammer der Republik Kasachstan sowie zu den regionalen
Wirtschaftskammern der Ukraine. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (AWO GUS) organisiert PROGRESS IV Management laufend die Investitions-, Innovations- und Tourismusformen wie auch Präsentationen verschiedenen Regionen der GUS-Staaten in Österreich.

Selbstdarstellung Progress IV Management G.m.b.H

Die Homepage dieser Firma führt die Inhaber von Meridian OG als Kontaktpersonen auf.

Screenshot der Homepage

Auf unsere Nachfrage, in welchem Verhältnis Meridian zu der Firma Progress IV Management genau standen bzw. stehen, meinte der Inhaber, es habe ein „gelegentliches wirtschaftliches Verhältnis“ zu der Firma gegeben,

dass wir Übersetzungsleistungen und Beratungsleistungen für die von der Fa. Progress organisierten Konferenzen im Rahmen der Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich und der Wirtschaftskammer Wien bzw. WIFI angeboten haben.

Antwort Meridian OG vom 3.Februar 2023 auf Semiosis-Nachfrage

Die Firma gehört der Mutter, die mittlerweile in Pension sei. Warum wir danach überhaupt gefragt haben, ergibt sich aus der Zusammensetzung der erwarteten Teilnehmer*innen dieser nun beauftragten Integrationsmaßnahmen. Ob geflüchtete Menschen aus der Ukraine sich in so einer Umgebung sicher und wohl fühlen, sei dabei zumindest einmal dahingestellt.

Gibt es jetzt mehr prekäre Arbeitsverhältnisse in der Branche?

Zurück zu der Ausgangsfrage unserer Recherche: Ist das Design dieser ÖiF-Ausschreibung neutral zu den Arbeitsbedingungen in der Erwachsenenbildungsbranche? Oder verbessert oder verschlechtert es diese? Senad Lacevic, Angestelltenbetriebsrat der Wiener Volkshochschulen, äußert sich kritisch:

Der Fokus auf finanzielle Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen, führt zu einem Dumpingwettbewerb nach unten und damit zu prekärer Beschäftigung. Die Qualität der Arbeit hängt maßgeblich daran, dass die Arbeitsbedingungen für Unterrichtende, Beratende und administratives Personal gut sind. Ohne gute Arbeitsbedingungen, keine gute Arbeit. Ausschreibungen, die die Unternehmen zum gegenseitigen Unterbieten einladen, führen automatisch zu prekären Arbeitsbedingungen sich verschlechternder Qualität. Aber wir brauchen in der Branche das Gegenteil, Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

Der ÖiF meint auf Nachfrage hingegen, er könne sich aus dieser Problematik gänzlich heraushalten. Dafür gebe es schließlich die Sozialpartnerschaft:

Die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen und Gehälter des Lehrpersonals liegen nicht im Wirkungsbereich des ÖIF, diese werden alleinig durch die Bildungsträger als Arbeitgeber festgelegt. Die Kollektivverträge des Lehrpersonals werden von der Berufsvereinigung der ArbeitgeberInnen privater Bildungseinrichtungen (BABE) verhandelt.

ÖiF-Antwort auf Semiosis-Nachfrage

Eine gute Nachricht haben unsere Recherchen bezüglich der kleineren Sprachschulen ergeben. Der ÖiF bietet weiterhin Direktverrechnungsvereinbarungen an:

Die Individualförderung bleibt als subsidiäre Fördermöglichkeit bestehen. Wie bisher steht es Kursinstituten offen, entsprechende Direktverrechnungsvereinbarungen mit dem ÖIF abzuschließen.

Ob das zur Existenzsicherung ausreicht? Wir werden sehen.

Derzeit finden sich jedenfalls kaum genug Teilnehmer*innen für die frisch beauftragten Deutschkurse. Einige von ihnen sind nämlich bereits storniert worden.


Transparenz

Offenlegung: Unser Autor war in einem seiner früheren Berufsleben in der Erwachsenenbildung tätig, und zwar sowohl bei kleineren Sprachschulen als auch bei hier genannten größeren Unternehmen. Bei einem davon wirkte er auch als gewählter Betriebsrat. Er ist mit keiner der hier genannten Firmen mehr in irgendeiner Form beruflich oder geschäftlich verbunden. Semiosis wird nicht durch Werbeanzeigen finanziert.

Spendenkonto

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5 Gedanken zu „ÖiF-Ausschreibung: Wenn ein staatlich organisierter Markt nach unten regelt“

  1. Vielen Dank für diesen äußerst informativen Hintergrund-Bericht, der das, was diese Branche gerne im Dunklen lassen würde, ans Tageslicht zerrt.

    Angesichts dieser (für die Firmeneigentümer, nicht für die Angestellten) äußerst lukrativen Geschäfte ist es kein Wunder, dass all diese Firmen vor dem ÖIF/AMS einen tiefen Kniefall hinlegen und die finanziellen Nöte der Angestellten, deren Arbeit überhaupt erst die üppigen Steuergelder fließen lässt, ignorieren.

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  2. Vielen Dank für diesen sorfältig recherchierten Artikel. Der Preis, den wir für den Erhalt der Unterrichtsqualität zahlen, ist kräfte- und nervenzehrende Selbstausbeutung. Wir sind mit 30 Wochenstunden Präsenzunterricht nur teilzeitbeschäftigt. Wer vollzeitbeschäftigt bleiben will, darf jetzt wieder zu regelmäßigem Unterrichtsmarathon antreten – neunstündige Unterrichtstage, bei fliegendem Wechsel der Gruppen. Im Sommer dann bei über 30° Celsius in zum Teil winzigen Unterrichtsräumen, drei Schichten in Folge mit jeweils 14 bis 16 Kursteilnehmer*innen, die aufeinander picken. Dazu das fortwährend hohe Infektionsniveau in einem Umfeld, das vom Pandemie-Ende felsenfest überzeugt ist. Entsprechend hoch die Ausfälle des Lehrpersonals.

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  3. Vielen Dank für diesen Artikel. Vieles habe ich geahnt, aber am Ende des Artikels war ich nur noch sprachlos.
    Ich liebe meinen Job, aber ich sammle so viele unbezahlte Überstunden, damit ich die immense Arbeit überhaupt bewältigen kann. Zu den neuen Aufgaben zählt unter anderem die Erstellung von Lebensläufen bei gleichzeitiger Betreuung der Gruppe.
    Dazu kommt freiwillige tägliche Spontanhilfe, weil der ÖIF keine Sozialarbeiter*innen bereitstellen will. Ich lese ständig Briefe, telefoniere mit der Schule der Kinder unserer Kursteilnehmer*innen oder vereinbare ärztliche Termine, und das geht oft an die Substanz. Ich verstehe die Lernenden und ich helfe gerne, aber gleichzeitig fühle ich mich ausgenutzt, und zwar von beiden Seiten. 
    Wir Trainer*innen in der Erwachsenenbildung sind die eigentlichen Projektträger. Viele haben Angst um ihre Jobs, und aus diesem Grund haben sie an der Demo nicht teilgenommen. Wir sind gezwungen mehr zu arbeiten, wenn wir weiterhin
    vollzeitbeschäftigt bleiben wollen bei mäßiger Bezahlung. Oder wir reduzieren auf 34,5 Wochenstunden bei monatlichem Nettoverlust von 146 Euro. Und das in einer Zeit der massiven Teuerungen.

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  4. Für Deutschtrainer*innen scheint es nur zwei Optionen zu geben: zähneknirschend Danke sagen oder kündigen. Raus aus der Branche! Das gut qualifizierte Personal wird à la longue Letzteres wählen.

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  5. Ich kenne die Ausschreibungsunterlagen und habe inhaltlich und fachlich für meine:n Arbeitgeber:in an dieser Ausschreibung mitgearbeitet. Mehrere Monate im Jahr 2022 haben wir uns dieser Sache gewidmet. Allein zum Verständnis der Ausschreibungsunterlagen müsste man Jurist:in sein, es gab wöchentliche Berichtigungen, Ergänzungen und/oder Korrekturen durch die BBG. Ordner wurden gefüllt… Es musste das Konzept und der Finanzplan deswegen mehrfach (!) neu gestaltet, berechnet und bearbeitet werden. Jede Kommunikation zwischen Bieter und BBG/ÖIF läuft ausschließlich über die Vergabeplattform, man kann nur schriftliche Fragen eingeben und erhält erst bis zu acht Tage später (!) eine Antwort. Das Weiterarbeiten am Konzept bzw. dem Finanzplan ist dann für diese Zeit schwer möglich. Die Gewichtung für den Zuschlag 50 % Konzept und 50 % Preis bei der Zuschlagserteilung entbehrt aus meiner Sicht jeder vernünftigen (dem Auftrag geschuldeten) Grundlage. Es geht hier ja nicht um den Bau einer Autobahnbrücke sondern um die Bildungsarbeit mit Menschen. In unserem Bundesland hat den Zuschlag ein Mitbewerber bekommen. Uns wurde der Gesamtpreis des Mitbewerbers bei der eigenen Absage mitgeteilt und ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man um dieses Geld einen anständigen Unterricht, geschweige denn die gesamte Abwicklung in einer angemessenen Qualität wird leisten können!
    Ja, ich bin davon überzeugt, dass durch diese Art der Auftragsvergabe wesentlich dazu beigetragen wird, dass prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, dass es Lohndumping gibt und dass die Zielgruppe (Menschen mit Fluchtbiografie) mit minderer Qualität bewusst abgespeist wird. Ich sehe darin eine politische Entscheidung. Im Übrigen wird der Mitbewerber, der in unserem Los den Zuschlag erhielt, in den diversen Arbeitgeber:innenbewertungsforen im Internet schon seit Jahren (!) dafür kritisiert, dass die Arbeitsbedingungen mangelhaft und die Verdienst- u. Entwicklungsmöglichkeiten unterdurchschnittlich sind. Aber dies zu beachten war ja nicht Teil der Ausschreibungskriterien.

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