Über die Selenskyi-Rede im Parlament: Traue keiner Umfrage, die du nicht selbst erstellt hast

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By Gastautorin

49 Prozent der Österreicher gegen Selenskyj-Rede, so und ähnlich titelten viele Medien über eine Umfrage zur Übertragung der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Im Vorfeld seiner Rede im Nationalrat befragte Meinungsforscher Peter Hajek 500 Österreicher*innen, die laut Institut repräsentativ für die österreichische Bevölkerung sind: Soll Selenskyj im Parlament per Video zugeschaltet eine Rede halten dürfen?

Unsere Gastautorin Nicola Werdenigg hat daraufhin eine eigene Umfrage via Twitter gestartet. Es haben 2702 Twitter-Accounts teilgenommen. Für Semiosis wertet sie die Ergebnisse aus.


Wir wollten es wissen

Nachdem die Abwesenheit sämtlicher FPÖ-Abgeordneter international für Aufmerksamkeit sorgte und das Fehlen der Hälfte der SPÖ-Mandatar*innen zumindest innerhalb der Partei kontrovers diskutiert wurde, wollten auch wir es auch wissen und haben eine Twitter-Umfrage gestartet.

Umfrage-Design

Vorab, das Umfragetool auf Twitter ist natürlich kein Profitool, das viele Optionen zulässt. Unsere einfache Fragestellung an die jeweiligen Wähler*innen einer Partei lautete:

Ich wähle vorzugsweise Partei XY und finde es richtig, dass Selenskij im Parlament gesprochen hat.

Ja

Nein

Weiß nicht

Eine knappe Mehrheit ist für die Rede

Verblüffend ist, dass von den 2702 abgegeben Stimmen 51 Prozent klar für die Rede des ukrainischen Staatsoberhaupts waren und nur 31 Prozent definitiv dagegen. Dazwischen bleiben immerhin 16 Prozent, die keine klare Meinung zum Thema haben.

Die Abstimmung nach Parteipräferenz

Die Abstimmungen nach Parteipräferenzen zeigt ein unterschiedliches Bild. Klare Befürworter der Rede und damit wohl auch der Solidarität mit der Ukraine, finden sich innerhalb der Wählerschaft der SPÖ (76,8 Prozent) und den Grünen (74 Prozent).
Diesen Spitzenwerten für die Zustimmung steht naturgemäß die FPÖ mit einer mehrheitlich ablehnenden Haltung (58 Prozent) gegenüber, gefolgt von ÖVP (51 Prozent), dann den Menschen, die nicht wählen (48 Prozent) und schließlich die NEOS-Wähler*innen (41 Prozent).

Hajek-Umfrage im wesentlichen bestätigt

Es ist natürlich klar, dass ein simpler Poll auf Twitter nicht annähernd die Qualität von professionellen Umfragen seriöser Institute erreichen kann. Trotzdem bestätigt diese Erhebung unter Twitter-User*innen einige Punkte der Hajek-Umfrage:
Die Mehrheit der SPÖ- &, Grün-Wähler*innen sprechen sich da wie dort für den Auftritt Selenskyjs aus; konservative Wähler*innen und Anhänger*innen rechtspopulistischer über rechtsradikale bis rechtsextreme Positionen stehen der Rede sehr skeptisch bis überaus ablehnend gegenüber.

Viele Unentschlossene

Interessant scheint auch der Anteil der Menschen die keine klare Meinung haben – das sind im Gesamtergebnis immerhin rund 16 Prozent, in den Reihen der FPÖ-Anhänger*innen annähernd 29 Prozent – während er bei den Befürworter*innen vergleichsweise gering ist, steigt er bei Personen mit ablehnender Haltung.

Was fehlt? Aufklärung

Es scheint ein großes Aufklärungs-Manko in Bezug auf Österreichs Neutralität zu geben, beziehungsweise wird das Fehlen der Aufklärung benutzt, um die pro-russische Positionen zu stützen, die die FPÖ auch offen kommuniziert. Andererseits zeigt sich, dass gerade die Linke hier im wesentlichen eine gemeinsame progressive Linie vertritt. Die Haltung der SPÖ-Basis zu diesem Thema ist eindeutig. Das sollte auch die Parteispitze nicht ignorieren.

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