AfD-Sprecher Frohnmaier hält Koalition mit Linkspartei für denkbar

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30. Dezember 2016.: „Im Moment ist das natürlich schwierig, weil wir in fundamentalen Fragen weit auseinanderliegen. Wenn es um geopolitische Fragen geht, dann vielleicht die Linkspartei, wobei man hier sagen muss, dass eben in vielen anderen Bereichen, insbesondere in der Gesellschaftspolitik hier eine Zusammenarbeit gar nicht möglich wäre.(…)“ (eigene Transkription)

Diese Aussagen von Markus Frohnmaier, in Personalunion Pressereferent der Parteivorsitzenden Frauke Petry, Pressesprecher des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg und Vorsitzender der Jugendorganisation „Junge Alternative“, sollten aufhorchen lassen. Denn so beantwortete der AfD-Multifunktionär die Frage von RT Deutsch, welche Koalitionspartner er sich für die AfD vorstellen könne.
Seine Koalitionsaussage ist, obwohl im Interview gleich wieder eingeschränkt, in mehrerer Hinsicht bemerkenswert: nämlich personell, strategisch-ideologisch und medial. Entsteht hier eine diskursive Querfront auf politisch höchster Ebene? Eine Analyse von Andrea Becker.*


Rechtsextremer mit Hang zu Eurasien-Ideologien

Personell. Markus Cornel Frohnmaier ist ein junger, politisch durchaus talentierter Mann, geboren in Rumänien, aufgewachsen in Baden-Württemberg. Er hat zwar keinen recherchierbaren Berufsabschluss, aber immerhin einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl 2017. Insgeheim träumt er von einem Posten als „Remigrationsminister“ (Facebook-Post vom 01.01.2017). Offenbar verfügt er über ein erstaunliches Budget unbekannter Herkunft, aus dem seine rege Reisetätigkeit, insbesondere nach Ost- und Südosteuropa finanziert wird. Diese Reisen führten ihn etwa nach Belgrad, St. Petersburg, in die umkämpfte Ukraine oder auf die von Russland annektierte Krim. Dort trat er jeweils als Redner und Diskutant bei mehr oder weniger dubiosen Kongressen und Konferenzen auf. Dabei knüpfte er Kontakte zur Parteijugend der Putin-Partei „Einiges Russland“ sowie zu anderen nationalistischen und immigrationsfeindlichen Jugendorganisationen. Mehrmals begleitete ihn dabei Manuel Ochsenreiter, Chefredakteur der geschichtsrevisionistischen, rechtsextremen Zeitschrift „Zuerst“ und Leiter eines „Zentrums für eurasische Studien“. Dort werden unter anderem Texte des antiwestlichen, protofaschistischen Eurasien-Ideologen Dugin verbreitet.
Ochsenreiter äußerte anerkennend, dass für Frohnmaier solche „Dinge wie ‚westliche Wertegemeinschaft‘, ‚transatlantisches Bündnis‘ oder andere schwammige Floskeln keine Rolle“ spielen (Zuerst, Juni 2016).

Lob eines Völkisch-Nationalen

Frohnmaier ist Erstunterzeichner der „Erfurter Resolution“ – ein Manifest des völkisch-nationalistischen Flügels der AfD unter der Führung von Björn Höcke, das die AfD als Volks- und Widerstandsbewegung an der Seite von „Pegida“ definiert, sich entschieden gegen die sogenannten „Altparteien“ abgrenzt und – wie Felix Korsch in seinem Beitrag „Natürliche Verbündete?“ (2016) formuliert – „einen Politikstil (favorisiert), der sich im parlamentarischen Betrieb als Fundamentalopposition darstellen würde“. Erst im Oktober bedauerte Höcke anlässlich des Landesparteitags in Thüringen, dass es überhaupt parteiinterne Diskussionen über Koalitionen gebe. Insofern lässt jede Art von gedanklichen Koalitionsspielereien aus dem deutsch-national völkischen Lager um Höcke – zu dem Frohnmaier unzweifelhaft gehört – aufhorchen.

Warum die AfD die Sahra Wagenknecht liked

Strategisch-ideologisch. Spontan könnte man auf den Gedanken kommen, dass Frohnmaiers Äußerung sich in die Reihe wohlwollender Zurkenntnisnahme verschiedener Einlassungen der Vorsitzenden und Spitzenkandidatin der Linken, Sahra Wagenknecht, einreiht. Sozusagen gegenseitige kumpelhafte Anerkennung unter Populisten. Wagenknecht versucht seit längerem energisch– wie Sebastian Reinfeld hier en detail analysierte – mit einem in Themen und Stil linkspopulistischen Ansatz der Wählerwanderung von den Linken zur AfD entgegen zu wirken. Wobei man Wagenknecht, die über langjährige politische Erfahrung verfügt, getrost zutrauen darf, dass sie – populismustypisch – gezielt, mit der „fast schon routinierten medialen Empörung“ arbeitet. Dabei ist „genau dieser Effekt (..) von Wagenknecht ‚kalkuliert und beabsichtig‘, denn sie spielt „(..) mit der ‚Aufmerksamkeitsökonomie der Öffentlichkeit‘“, meint Matthias Quent zutreffend. Provokanter Populismus als bewusstes Stilmittel also.

Les extrêmes se touchent?

Es lohnt sich noch eine Ebene tiefer zu schauen – und zwar auf die möglichen inhaltlichen Gemeinsamkeiten der beiden Parteiflügel. Schon im Oktober 2016 hatte ein Doppelinterview der beiden Parteivorsitzenden Petry und Wagenknecht durchaus erstaunliche inhaltliche Gemeinsamkeiten zu Tage befördert. Blicken wir darum noch einmal auf das Interview mit Frohnmaier, in dem der Moderator die Frage anschloss: „Aber wie kommt man dann geopolitisch auf einen Nenner? Wenn man doch so unterschiedlich ist?“

Frohnmaier: […] , wer 5, 10 oder 15 Jahre den Nahen Osten destabilisiert, der kann sich nicht wundern, dass jetzt plötzlich große Flüchtlingswellen Richtung Europa, insbesondere gegen Deutschland losbrechen (…) wenn man sich das anschaut: wir haben hier mit NATO-Mandat im Endeffekt diese Region destabilisiert und man hat natürlich hier Barrieren, die es davor gab, gegen Flüchtlingsbewegungen, ja, entfernt. (eigene Transkription)

Strategisch-politische Gemeinsamkeiten von AfD zur Wagenknecht-Linie

Hier scheinen – ausgerechnet in einer zentralen Position des Höcke-Flügels der AfD – durchaus politisch-strategische Gemeinsamkeiten zur Programmatik der Linken auf: Ablehnung der NATO und deren Politik, Ablehnung der Russland-Sanktionen und eine, wie man es zusammenfassen könnte, insgesamt pro-russische Haltung. Wobei die tieferen ideologischen Motive durchaus unterschiedlich sein mögen. Für die AfD gilt jedenfalls:

Die Vernetzung mit Russland ist deshalb so attraktiv, weil es als Phantasie für eine ethnisch homogene, autoritäre und patriarchalisch strukturierte Gesellschaft dient. Die russische Nation erscheint als mythisch-christlich fundiertes Gegenmodell zu den Werten von Demokratie und Rationalität in den westlichen Gesellschaften. (Samuel Salzborn in Felleiter, 2016)

Bei der Linken geht es demgegenüber um Konzepte von „Entmilitarisierung“, „Entspannungspolitik“ und „internationaler Solidarität“ – und wahrscheinlich auch um ein nostalgisches Anknüpfen an vergangene sowjet-kommunistische Verbrüderungsfantasien. Die Ergebnisgleichheit – und damit auch eine denkbare koalitionäre Anschlussfähigkeit – der außenpolitischen Positionen an ihrer Oberfläche ist an dieser Stelle jedoch offenkundig.

Wagenknecht und Frohnmaier sind bei RT-Deutsch gern gesehene Gäste

Medial. Schließlich ist noch der mediale Rahmen beachtenswert, innerhalb dessen Frohnmaier seine Aussage traf. Wie erwähnt, handelte es sich um ein Interview des staatlichen russischen Auslands- und Propagandasenders RT-Deutsch. Nur wenige Wochen zuvor, am 5.12.2016 gab auch Sahra Wagenknecht (nicht zum ersten Mal) eben diesem Sender ein längeres linkspopulistisch angelegtes (EU- und NATO-kritisches) Interview. Nun unterliegt die Auswahl von Themen, Fragen und Interviewpartnern bei RT-Deutsch nicht den Qualitätsstandards der freien Presse. Es ist auch kaum davon auszugehen, dass dort Meinungen vertreten werden, die konträr zu Positionen des Kreml sind. Darum ist es wohl klug im Hinterkopf zu behalten, was Dmitri Gudkov, Oppositionspolitiker im russischen Parlament, anmerkt:

Die russischen Machthabenden suchen Kontakte mit allen Parteien, die mit der russischen Politik sympathisieren und eine starke gesellschaftliche Resonanz, eine Lobby zur Abschaffung der Sanktionen herbeiführen können. Dabei ist es völlig egal, welche politische Richtung diese Parteien haben. Hauptsache – enge Mitarbeit und ein Netzwerk. (Quelle: Smilga, 2016)

Romantischer Internationalismus seitens der Linken

Möglicherweise wäre die Linke gut beraten, sich zum einen darüber klar zu werden, ob inhaltliche Zustimmung und Koalitionsavancen von Rechtsaußen-Funktionären nicht ein Warnsignal für eine derartige linkspopulistische Strategie sein könnten. Zum anderen scheint auch Klärungsbedarf gegeben, ob die Linke sich auf der Basis eines romantischen Internationalismus und einer nostalgischen Russophilie gemeinsam mit der AfD zum strategischen Partner der gezielten politischen Destabilisierungsversuche eines autoritären Regimes machen möchte. Denn dieses Regime ist zudem noch nationalistisch, fremdenfeindlich und homphob und kann daher kein linker Bezugspunkt sein. Oder?


*Literatur: Korsch, Felix. 2016. „Natürliche Verbündete!? Die Pegida Debatte in der AfD zwischen Anziehung und Ablehnung. In Die Alternative für Deutschland, Hrsg. Alexander Häusler, 111-134. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

*Zur Autorin. Andrea Becker lebt in Deutschand und forscht zur Entwicklung der rechtspopulistischen Partei AfD

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