Spitalskrise in Wien: Übermüdete und unterbesetzte Pflege – menschenunwürdige Bedingungen für Patienten

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Der Winter der Gangbetten, titelt die Zeitung Die Presse. Über Gangbetten trotz freier Zimmer im Wiener Wilhelminenspital berichtet aktuell der ORF. Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahren für das Personal (Ärzte und Pflegekräfte) die Arbeit weiter verdichtet wurde, also mehr in weniger Zeit zu tun ist. Dass zentralisierte Krankenhaus-Monsterbauten entstehen, die weniger Leistungen anbieten. Und dass Stationen „aus Kostengründen“ geschlossen werden, wie es heißt. Auf kritische Mitarbeiter wird zudem enormer Druck ausgeübt, berichtet die Gewerkschaftsgruppe KiV/UG. Sie sollen mundtot gemacht werden. Wird das vorbildliche Wiener Gesundheitssystem gerade vorsätzlich zerstört?
Wir haben vor Ort recherchiert. Wilhelminenspital, Gastroenterolgie, Station E-Nord: „Für drei Stationen ist ein Arzt da. Patienten können die Schwestern rufen aber die, chronisch unterbesetzt, kommen nicht nach.“ Ein persönlicher Augenzeugenbericht und eine Analyse zum KAV.


Wer 40 Jahre oder mehr für den Staat arbeitet, kann sich zumindest im Alter Pflege, Fürsorge und bestmögliche Versorgung erwarten. Oder?

Schön wär’s. Gestern besuchte ich einen Verwandten, der zur Zeit in der 4. Abteilung des Wiener Wilhelminenspitals liegt. Beim Betreten der Station fallen sofort fünf Gangbetten auf, zwei davon sind belegt. Einer der dort Liegenden muss eine Windel tragen, seine Lage ist für jeden ersichtlich: Ihm wird die letzte Würde genommen. Im Zimmer angekommen, sehe ich, dass es für drei Besucher nicht genügend Sessel gibt, zwei Leute müssen direkt am Bett Platz nehmen.

„Das ist menschenunwürdig“

Eine Auskunft, wie es dem kranken Verwandten geht, ist nicht zu bekommen. Kein Arzt ist in Sicht. Auf Nachfrage gibt eine Schwester zu, für drei Stationen sei heute ein Arzt eingeteilt. Die Schwestern sind übermüdet und vollkommen unterbesetzt, können teilweise über 10 Minuten nicht auf Knopfdruck reagieren. So muss ein Patient nach erledigtem Geschäft halbnackt auf dem Zimmerklo sitzen bleiben – das ist menschenunwürdig.

Das kann man natürlich alles auf die Ferien und Urlaube schieben. Aber es ist nun schon zu lange so. Es braucht mehr Geld für Personal, mehr Platz und eine Gehaltserhöhung im Pflegebereich, um so einen Anreiz zu schaffen. Es muss anders werden.

Politik, Politik und nochmals Politik: Hintergründe der Spitalskrise

In der Wiener Spitalskrise überkreuzen sich mehrere Problemlagen. Zum einen wird die als SPÖ-Linke wahrgenommene Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely von rechts politisch angegriffen. Auch, weil sie  eine menschliche Flüchtlingspolitik der Stadt Wien verkörpert. Jedes Bett auf den Gängen wird dennoch seitens der FPÖ als Beweis ihrer Inkompetenz angesehen. Stünde Wehsely politisch im Abseits, dann hätten die Befürworter einer rot-blauen Zusammenarbeit in der Wiener SPÖ wohl Oberwasser.

Zum anderen hat Wehsely mit dem KAV-Chef Udo Janßen wider besseres Wissens eine falsche Personalentscheidung getroffen. „Die Generaldirektion erfüllt ihre Aufgaben nicht, bekommt dafür aber viel Geld“, heißt es dazu knapp im Rechnungshofbericht. „Treffer, versenkt!“, so würde man in einem Spiel dazu sagen. Jedenfalls sind ein Großteil der Probleme wie die Gangbetten im Winter 2016 und 2017 auf krasse Managementfehler zurückzuführen. Mit Absicht, etwa?

Denn drittens geht es um die geplante Ausgliederung des KAV. Dahinter verbirgt sich ein typisch neoliberales Modell der Krankenhausverwaltung. Die angestrebte Teilprivatisierung soll die Probleme auf dem Rücken des Personals lösen. Und sie eröffnet der Stadt „eine Spielwiese der Sonderklasse“, meint die Gewerkschaft KiV/UG dazu. Gemeint ist: Eine politische Spielweise, denn der Einfluss der Politik auf die Spitäler wird dadurch nicht reduziert, nur verlagert und noch undurchsichtiger gemacht. In einer Stellungnahme beschreibt die unabhängige Gewerkschaft  KiV/UG mögliche Folgen dieses Projektes für das Personal. Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen:

Einheitliche Kleidung, schlechtere Arbeitsbedingungen und das Ende der Sozialpartnerschaft?

  • Die MitarbeiterInnen werden künftig alle (wie schon in vielen Häusern ­üblich) in einheitliche ­Kleidung ­gesteckt. Damit ist für die BürgerInnen nicht mehr durchschaubar, wer als Pflegerin an den PatientInnen tätig ist und wer „nur“ Reinigungspersonal.
  • Die Anstellungsverhältnisse des ­Personals werden mittels Kollektiv-Verträgen ­erweitert. Damit ist ­abgesichert, dass die Personalkosten für die Stadt gesenkt werden ­können. Die MitarbeiterInnen werden auf die kleinste wirtschaftliche Einheit reduziert – auf „die ­Arbeitskraft“ des Menschen – und NICHT auf die Person Mensch!
  • Keine Loyalität und kein Schutz für die Bediensteten werden die Folge sein. Das Desinteresse an den MitarbeiterInnen ist spürbar.
  • Ende der Sozialpartnerschaft: Der Bürgermeister hat es vorgezogen der Gewerkschaft die rote Karte zu zeigen und alle Aktivitäten einzufrieren.

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