Antisemitismus in der AG Jus: Kein Skandal, sondern Normalität Stellungnahme des Forums kritischer Jurist*innen

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Das Forum kritischer JuristInnen fordert tiefgreifende Konsequenzen aus den #AGleaks. Alles müsse rechtlich und politisch aufgearbeitet werden. Bei der verantwortlichen AG JuS hingegen wurde mittlerweile gesäubert. In einem Facebook-Video sprechen zwei Studentinnen von einer neuen AG Jus, die mit Antisemitismus in den eigenen Reihen nichts mehr zu tun habe. Alle Beteiligten seien nun nicht mehr dabei. Hintergründe und Aufklärung werden weder im Video noch auf der Homepage der konservativen JuristInnen geboten. Dafür aber die Möglichkeit, fürs Studium kostenlos zu kopieren. Wir dokumentieren daher die Stellungnahme der kritischen JuristInnen zum Thema. 


Es handelt sich um unsere Probleme, keine wie auch immer ‚fremden‘

Die am Dienstag, 10. Mai vom Falter veröffentlichten Äußerungen von vielen Funktionären der AG Jus veranlassen uns zu ein paar grundsätzlichen Bemerkungen. Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit sowie andere Formen der Menschenverachtung sind in unserer Gesellschaft kein Skandal, sondern leider Normalität. Es handelt sich dabei um strukturelle gesellschaftliche Probleme. Diese machen, anders als in der ansonsten klaren und begrüßenswerten Stellungnahme des Dekans Paul Oberhammer betont wird, auch vor den Fakultätstoren des Juridicums nicht Halt. Es handelt sich um unsere Probleme, keine wie auch immer ‚fremden‘ – und ja, das schmerzt.

Eine traurige Realität innerhalb und außerhalb des Juridicums

Die nun öffentlich gewordenen Äußerungen von vielen Funktionären der AG Jus sind Ausdruck von Machtfantasien, Überlegenheitsgefühlen und Ekel gegenüber ‚Anderen‘ und als ‚unterlegen‘ vorgestellten Gruppen, darunter Juden und Jüdinnen, Frauen und Menschen mit Behinderungen. Oft steht diese Haltung mit einem Status der Privilegierung innerhalb dieser gesellschaftlichen Normalität in Zusammenhang. Die Relativierung, bewusste oder unbewusste Reaktivierung und Verharmlosung von NS-Gedankengut und der Shoa gehen mit diesem patriarchalen und rassistischen Hegemonieverständnis einher. Wer sich über diese Äußerungen wundert und ärgert, wundert und ärgert sich zwar zu Recht, darf aber nicht die traurige Realität innerhalb und außerhalb des Juridicums vergessen.

Notwendig für JuristInnen ist Empathie

Wer, wie die AG Jus und die Aktionsgemeinschaft generell vorgibt, ideologiefrei zu sein und nur gutes Service anbieten zu wollen, verkennt, dass Ideologie nichts ist, von dem man sich so einfach freimachen kann. Im Lichte der aktuellen Veröffentlichungen scheint sich dies von selbst zu erklären: Politische Sterilität ist gefährlich.

Hinweisen möchten wir in diesem Sinne auf die besondere Bedeutung der rechtswissenschaftlichen Ausbildung und Sozialisation: Die vermeintlich neutrale Rechtsanwendung bei der Administration des Staates und der Durchsetzungen des staatlichen Gewaltmonopols ist keine unpolitisch juristische Dienstleistung! Sie erfordert ethische Orientierung und ein kritisches Hinterfragen wirtschaftlicher und sozialer Normalitäten. Notwendig dafür ist Selbstreflexion und Sensibilisierung für Kontexte von Macht und Wissen und nicht zuletzt Empathie – um zu wissen, wo und für was man steht.

Christian Berger und Paul Hahnenkamp
für das Forum kritischer Jurist*innen

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