Twitter-Essay: Herr R gedenkt, ein Essay zu schreiben

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Im Rahmen der Pressekonferenz kündigte Gesundheitsminister Johannes Rauch an, er möchte gerne einen Essay über Twitter schreiben. Irgendwann.

Wir haben daraufhin Twitter-User*innen, die das Wirken des Ministers schon länger kritisch beleuchten, um eigene Texte gebeten: Twitter-Essays über den Minister sozusagen. Twitter-User @EpistemologieVS hat diese Gelegenheit genutzt. In seinem Beitrag spielt er mögliche Themen durch, die Minister Rauch für sein Essay nutzen könnte. Dabei hat er natürlich Hintergedanken.

Auch dieses Titelbild stammt von unserem Kollegen Christoph Weißenbäck, ein Twitter-User. Er hat uns das Foto, das er auf der Rauch-Pressekonferenz geschossen hat, geschenkt. Danke!

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Herr R gedenkt, ein Essay zu schreiben.
Ein Essay.

Herr R gedenkt, ein Essay zu schreiben.

Herr R hat sich bisher als Essayschreiber nicht besonders hervorgetan.

Wenn man sich seine Biografie anschaut, so hat sich Herr R die meiste Zeit seines Lebens eigentlich bei gar nichts besonders hervorgetan. Und ist trotzdem Minister geworden.
Wenn ich auf Nichts Minister geworden bin, muss er sich denken, dann kann ich auch Essays schreiben.

Twitter – eine Erregung?

Er meint, er wolle über Twitter schreiben. Sein Essay soll “Twitter, eine Erregung” heißen. In der letzten Zeit soll es recht beliebt sein, sich an Twitter abzuarbeiten. Elon Musk hat es versucht, warum soll es Herr Minister R nicht versuchen. Immerhin hat er, seit er Minister geworden ist, eine Handvoll Tweets abgesetzt. Somit hat er mehr Erfahrung mit Twitter als er zum m Zeitpunkt seiner Berufung Erfahrung mit Gesundheit gehabt hatte. Seine Erfahrung mit Twitter war auch eine ausgesprochen negative. Sein Essay könnte eine Chronologie des Scheiterns werden; die “Erregung” seine Erregung darüber.

Heugabelmob?

Er will vielleicht auch über den Heugabelmob schreiben. Mit Heugabelmob kennt er sich recht gut aus, ist er doch selber Teil jenes Heugabelmobs, der seit Jahren am Umsturz dessen arbeitet, was man sich in diesem Land über Jahrzehnte an Edlem und Gutem aufgebaut hat. Soziale Sicherheit, gesellschaftliche Solidarität, Arbeitnehmer*innenschutz, Gesundheitsschutz, Multikulturalität, das alles und viel mehr wollen Herr R und seinesgleichen mit ihren politischen Heugabeln ausmisten, auf das ein tausendjähriges Reich der Eigenverantwortung kommen möge. Es kann aber auch sein, dass er sich nicht als Teil sondern als Opfer eines Heugabelmobs sieht. Dabei ist ihm egal, dass er sich zum Opfer gemacht hat, weil er andere zu Opfern macht. Für diese Art Opfer hat Karl Kraus den Begriff der “verfolgender Unschuld” geprägt. Das sind jene, die durch die Täter-Opfer-Umkehr zu Opfern geworden, und folglich als Täter zu behandeln sind.

Er könnte auch über die ruhige Hand schreiben. Auch damit kennt er sich aus. Als er den von seinen Vorgängern angeschnittenen Schnitt vollendete, der unsere Gesellschaft in zwei intelligenzmäßig ungleiche Teile gespalten und so nebenbei viele ins Jenseits befördert hat, hat seine Hand kein einziges Mal gezittert. Unruhig wird seine Hand lediglich, wenn eine seiner einfältigen Rechtfertigungen – auf Twitter oder sonst wo – entlarvt wird. Dann zittert die Hand, die die Waffe hält, und der Schuss verfehlt sein Ziel.

Wir wissen aber, dass man sich oft andere Themen wünscht als einem dann vom Leben vorgegeben werden. Und wie in der Schule, wo man das Thema für einen Aufsatz vorgegeben bekommt, möchte ich hier dem Herrn Minister R die Themen für sein geplantes Essay ansagen.

Themenangabe 1: Rechtfertigt das Ziel die Mittel?

Um voranzukommen muss man manchmal, so sagt man, über Leichen gehen. Analysiere diese Metapher in Hinblick auf das Amt des Gesundheitsministers, wo Leichen nicht mehr metaphorisch, sondern buchstäblich gemeint sind. Kann man auch buchstäbliche Leichen durch ein höheres Ziel rechtfertigen? Welches Ziel könnte es sein? Wie wirkt sich das auf deine Gefühle aus, und wie auf deine Selbstachtung? Kann man dann noch in den – durchaus metaphorisch gemeinten – Spiegel schauen? Welches Bild zeichnet dieser Spiegel nun? Versuche, den Essay aus der Sicht eines an Covid Verstorbenen zu schreiben. Finde Gründe, die den Toten dazu bringen könnten, dir zu verzeihen.

Themenangabe 2: Wissenschaft und Gesellschaft

Welche Rolle spielt die Wissenschaft in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts? Inwieweit ist es der Wissenschaft gelungen, die Ideologie als Rechtfertigung des politischen Handelns zu ersetzen? Ist ein Politiker der Wissenschaft überhaupt verpflichtet, und wenn nicht, wem oder was ist er dann verpflichtet? Wenn wissenschaftliche Aussagen als “wahr” bezeichnet werden können, wie ist eine Handlung zu bezeichnen, die diesen Aussagen widerspricht? Aufgrund des Themas soll dieser Essay nach den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis geschrieben werden. Die richtige Verwendung der Quellenangaben fließt in die Note mit ein. Um die Lesbarkeit des Textes durch Quellenverweise nicht zu erschweren, gib sie als Fuß- oder Endnoten an.

Diese zwei Themen reichen bereits aus, um ein unvollständiges Täterprofil des Herrn Minister R zu zeichnen. Er wird weiter so handeln, bis er, seinen beiden Vorgängern folgend, an der unlösbaren Aufgabe scheitert, die darin besteht, unter dem Deckmantel des Gesundheitsministeriums eine krankmachende Agenda umzusetzen, und nach seinen fünf Minuten trauriger Berühmtheit wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken, aus der er gekommen ist.

Seine neue Bedeutungslosigkeit wird sich aber durch das, was sich in diesen fünf Minuten abgespielt hat, von seiner alten Bedeutungslosigkeit wesentlich unterscheiden. Sie wird von den Geistern jener, die durch seine Fahrlässigkeit gestorben sind, heimgesucht, und durch die Wehklagen jener, die durch seine Kurpfuscherei eine geliebte Person verloren haben oder selbst chronisch schwer krank geworden, durchzogen.

Sich aus Eitelkeit ein solches Fegefeuer selbst geschaffen zu haben, wird vielleicht die einzige wirkliche Leistung des Herrn Minister R gewesen sein.


Ich möchte @Nasobem_lyricum für Aufmunterung und sprachliche Korrektur danken.

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