Klatschen ist zu wenig: Pflege ist Schwer(st)arbeit

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By Sebastian Reinfeldt

Die SPÖ Nationalratsabgeordneten Christian Drobits und Josef Muchitsch haben eine Petition betreffend „Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit“ im Nationalrat eingebracht. Durch Studien sei vielfach belegt und nachgewiesen worden, dass es sich bei Pflegearbeit um eine körperlich und psychisch besonders schwere Arbeit handelt, heißt es darin. Wir haben Christian Dobrits zu einem Interview getroffen.


Konkret fordert die von der SPÖ eingebrachte Petition, die von vier Gewerkschaften, der Volkshilfe und dem Arbeiter-Samariterbund unterstützt wird:

Berufsbedingte Pflege und Betreuung ist Schwerarbeit – die Schwerarbeitsverordnung ist daher folgendermaßen zu ändern: § 1 Abs. 3 Schwerarbeitsverordnung soll lauten: „Als besonders belastende Berufstätigkeiten gelten jedenfalls Tätigkeiten der berufsbedingten Pflege und Betreuung von erkrankten, pflege- und betreuungsbedürftigen sowie behinderten Menschen.“

Von vielen unterstützt, aber ohne Mehrheit im Parlament

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/PET/PET_00087/index.shtml#tab-Uebersicht

Stand November 2022 haben dieses Ansinnen im parlamentarischen Verfahren rund 16.000 Menschen unterstützt. Im Petitionsausschuss wurde das Einholen von Stellungnahmen beschlossen. Angesichts der momentanen parlamentarischen Mehrheiten im österreichischen Nationalrat kann bezweifelt werden, dass diese Forderungen bald umgesetzt werden.


Christian Drobits, was ist der Anlass für diese Initiative zur Schwerstarbeit in der Pflege?

In den Corona-Zeiten war klar, dass man die Menschen, die in der Corona-Krise beklatscht hat. Aber Klatschen ist zu wenig.Es gehört einfach diese Tätigkeit so wertgeschätzt, wie es richtig ist. Und da wir eine Schwerarbeit-Verordnung haben, wo man diese Tätigkeiten hereingeben kann, dann muss es auch so sein, dass die Pflege- und Betreuungsberufe auch als Schwerstarbeit qualifiziert werden.
Meine parlamentarische Initiative soll die Wertschätzung für diese Berufsgruppe ausdrücken.

Welche Auswirkungen hätte das für die Betroffenen, wenn eure Petition Erfolg hätte?

Die Auswirkung ist klar: Die Schwerarbeitspension ist ein Stichtag, der vor der Alterspension ist, der eine höhere Pension nach sich zieht. Der wichtigste Grund ist aber, dass die Beschäftigten wissen, dass sie bis zu diesem Alter in Ruhe arbeiten können. Sie wissen dann auch: Wenn ich krank werde, dann habe ich eine gute Absicherung im Alter.

Wie reagieren die Regierungsparteien auf eure Initiative?

Sie haben mir mitgeteilt, sie wollten das nicht aufmachen. Denn es gebe ja noch so viele andere Berufe. Dann haben im Januar 2022 die Regierungsparteien eine Aussendung gemacht, dass nun die Justizwachbeamten den Polizeibeamten gleichgestellt würde und darin aufgenommen würden. Dann habe ich mir gedacht: Das kann’s ja nicht sein. Entweder macht man es auf, oder man macht es nicht auf.
Wenn es schon aufgemacht wird, dann bitte auch für diese wichtige, systemerhaltende Gruppe der Pflege- und Betreuungsberufe.
De facto sind bisher meine Anträge alle vertagt worden.

Anmerkung der Redaktion: Der Petitionsausschuss hat am 30.6. 2022 das Einholen von Stellungnahmen beschlossen. Die Hereinnahme der Justizwachebeamten in die Scherstarbeiterregelung wurde über das Beamtendienstrecht geregelt.


Auszug aus der derzeit gültigen Schwerarbeitsverordnung

Grundsätze für die Feststellung des Vorliegens einer schweren körperlichen Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 4

  1. Begriffsbestimmung und Kriterien

Schwere körperliche Arbeit setzt eine in Bezug auf die Intensität oder Dauer der Belastung über das normale Kräftepotential hinausgehende Verausgabung von Arbeitskraft voraus, bei der die gesamte Körpermuskulatur beansprucht wird.

Kriterien für die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit sind neben der energetischen Belastung sowie der Herz- und Kreislaufbelastung auch die Belastung des passiven und aktiven Stütz- und Bewegungsapparates, also der Knochen und Gelenke sowie der Sehnen und Muskeln.

Aus dem Pflegebereich fällt derzeit die Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen „mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf“ unter die Verordnung, etwa in der Hospiz- oder Palliativmedizin.

Zum Weiterlesen

Pflege: zu viel „dry powder“ und zu viel Arbeit (Semiosis, 12. November 2022)

Der Pflegeheimskandal in Salzburg ist auch ein Pflegeaufsichtsskandal (Semiosis, 4. Oktober 2022)

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