#ischglfiles 3. März 2020: Iceland would like to report …

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By Sebastian Reinfeldt

Unter dem Hashtag #ischglfiles veröffentlicht der Semiosisblog von nun an täglich Dokumente, die zeigen, wie der Corona-Superspreader-Event im Tiroler Winterschiort vor genau einem Jahr vertuscht wurde. Und von wem. Am 3. März 2020 erreicht den österreichischen Kontaktpunkt des europaweiten EWRS (Early Warning Response System) in Wien die erste Nachricht aus Island. Sie besagte: Es gibt Infektionen in Island, die sich auf Schigebiete in Österreich zurückführen lassen. Aber die österreichische Seite, konkret das zuständige Gesundheitsministerium in Wien, reagierte nicht. Das bestätigt der Mailverkehr mit einem deutschen Journalisten, den wir hier dokumentieren.

Unser erster Semiosis-Bericht zu Ischgl am 14. März 2020 (!) basierte auf einem anonymen Hinweis, den wir auf Plausbilität überprüft, weiter recherchiert und veröffentlicht haben. Dieser Hinweis gab den Anstoß für die ganze Serie von Recherchen, die dann folgten. Wir geben ihn anonymisiert im vollen Wortlaut wieder. Danke nochmals dafür!


… 13 additional cases of COVID-19

Die erste EWRS-Meldung aus Island vom 3. März 2020

Im Ministerium: Wir können bestätigen…

Im Gesundheitsministerium an der Wiener Ringstraße wurde auf diese offizielle Meldung aus Island nicht reagiert. Es erfolgte noch nicht mal eine Nachfrage über den Urlaubsort der Infizierten. Warum? Der deutsche Journalist Christof Lang (RTL/NTV) hat nachgefragt und dem Semiosisblog den Mailverkehr mit dem Ministerium überlassen. (Danke!) Wir zitieren ungekürzt im O-Ton:

Gesundheitsministerium: Wir können bestätigen, dass Island am 3.3. in einem EWRS-Update, welches automatisch an alle Mitgliedsländer verschickt wurde, von insgesamt 7 bestätigten Covid-19 Fällen spricht, die sich u.a. zum Skifahren in Österreich aufgehalten haben, jedoch ohne weitere Angabe eines Ortes oder einer Region. Einen Tag später, am 4.3., erfolgt dann über eine bilaterale Kontaktaufnahme mit Österreich der erste Hinweis auf Ischgl, welcher an die Tiroler Behörden weitergeleitet wird.

Frage: Warum ist von der EWRS-Meldung vom 3.3. bezüglich der Infektionen mit dem Hintergrund Österreich bislang nicht die Rede gewesen? Sondern nur von der Meldung am 4.3., die sich dann explizit auf Ischgl bezieht?

Gesundheitsministerium:: Weil bisher immer Meldungen mit Bezug auf Ischgl nachgefragt wurden.

Frage: Wer hat genannte Meldung angenommen, an wen wurde sie weitergeleitet?

Gesundheitsministerium: Die Meldung wurde vom Ressort angenommen, da kein weitere geographische Spezifizierung innerhalb Österreichs ersichtlich war, keine Weiterleitung innerhalb Österreichs. Alle anderen EWRS-Mitgliedsländer haben die Meldung ohnehin erhalten.

Frage: Wie ist das mit der bisherigen Darstellung zu vereinbaren, die erste Warnung aus Island sei erst am 4.3. in Österreich eingetroffen?

Gesundheitsministerium: Am 4.3. konnten die isländischen Kollegen ihre Warnung präzisieren und in Österreich geographisch eingrenzen.

Frage: Warum gab es keine Rückfrage aus Österreich zu genannter Meldung bezüglich positiver Fälle von Österreich-Urlaubern  vom 3.3., sondern erst eine die am 5.3. auf die Meldung vom 4.3. Bezug nimmt?

Gesundheitsministerium: Erst mit der Meldung am 4.3. konnte das betroffene Gebiet in Österreich benannt werden und somit genauere Nachforschungen angestellt werden bzw. wurden von Island erst am 6.3. tatsächlich Personendaten übermittelt, anhand derer die genauen Aufenthaltsorte in Österreich bzw. Ischgl bestimmt werden konnten.


Die Ischgl Mistsäcke …

Und schließlich der Trigger für unsere kritische Berichterstattung. Ein anonymer Hinweis, der uns quasi zeitgleich mit der Quarantäne über das Paznaun am 13.3.2020 erreicht hat. Der Hinweisgeber bzw die Hinweisgeberin berichtet:

Ich war auf Winterskifahrt in Ischgl mit Freunden. 2 weitere kamen Freitag nach in ein anderes Doppelzimmer und anderes Hotel. Am Freitag gabs in Ischgl den ersten offiziellen Corona-Virus-Fall (die Ischgl Mistsäcke wussten allerdings bereits seit spätestens Dienstag – vergangene Woche – um massivste Verdachts-Fälle, sagten nix, um die Saison zu retten). Erst am vergangenen Dienstag mussten dann alle Après Ski Läden schließen, mittlerweile ist Ischgl dicht, der Skibetrieb eingestellt und die komplette Skisaison vorzeitig beendet. Viele hundert Fälle wohl.

Ich bin Sonntagabend, andere Personen erst Montag heimgefahren. Ich höre immer auf mein Bauchgefühl … und war lediglich Freitagabend 3 Stunden im Trofana. Alle anderen Abende allein, Sauna und Hotelzimmer. X hatte dann am Montagabend Symptome. Das gestrige Testergebnis war positiv – möglich, dass es  mich auch erwischt hat. Das Gesundheitsamt hat schon angerufen. X musste alle Kontaktpersonen angegeben mit denen er/sie länger als 15 Minuten war – also auch mich. Y war mit ihr im Doppelzimmer. Ich hatte mit beiden lediglich Freitagabend (das war deren Ankunftstag) u Samstagfrüh kurz Kontakt, weil sie gar nicht Ski fuhren, nur feierten.

Ich warte aktuell auf  Zs Testergebnis – das wohl morgen kommen sollte. Zwar habe ich keinerlei Symptome, würde aber dank meines sehr starken Immunsystems gerne sicher vermeiden, dass ich dennoch Träger des COVID19 Virus bin und andere anstecken könnte.


Das Who is Who der wichtigsten Personen in den #ischglfiles findet sich auf unserer entsprechenden Seite im Blog. Klicken Sie hier.

3 Gedanken zu „#ischglfiles 3. März 2020: Iceland would like to report …“

  1. naja, das mit der Meldung am 3.3 ist wirklich schwierig – weil Österreich doch groß und viele Skigebiete hat. Aber was zwischen 4.3 und 13.3 geschah ist ein lobbyistisch gesteuerter Skandal. Möglicherweise nicht strafrechtlich relevant – aber moralisch einfach verwerflich… es zeigt einfach, dass die politischen Systeme in Österreich die Unabhängigkeit fehlt und für die zielgerichtete Steuerung von Krisen ungeeignet sind. Da sind zuviele persönliche Interessen involviert. Zudem sind zuviele politische Machtspiele vorhanden – Tirol vs. Bundesregierung, Ö vs. D… Es fehlt die wirkliche gemeinsame konstruktive Problemlösung. Bis heute hat Island hier sicher einen Vorbildcharakter.

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