Falsch beraten? Das Netz der Corona-Verharmloser*innen

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By Sebastian Reinfeldt

Der Blog des Statistikers Erich Neuwirth bildet jeden Tag in Zahlen ab, was wir im Alltag erleben und von Bekannten und Familien hören: Eine zweite Infektionswelle mit COVID-19-Erkrankungen zieht durchs Land: 5000, 6000, 7000, 8000, 9000 positive Testergebnisse innerhalb von 24 Stunden vermeldet er seit Wochen. Kein Ende in Sicht. Daher sind wir nun im zweiten Lockdown.
Neuwirths Zahlen zeigen indes keine abstrakten Laborergebnisse an. In der Folge von Erkrankungen müssen immer mehr Menschen Hilfe in einem Krankenhaus in Anspruch nehmen („Hospitalisierungen„), auch in Intensivabteilungen. Und die Zahl der COVID-Toten steigt auch.

Wie konnte das passieren? Eine der Antworten auf diese Frage ist, dass seit Ende des ersten Lockdowns eine Reihe von Expertinnen und Experten uns medial weismachen wollen, dass das mit dem Coronavirus eh nicht so schlimm sei. Ihre Verbindungen reichen bis in die Stäbe der Ministerien. Ihre Behauptungen scheitern gerade hart an der Brutalität der zweiten Welle. Was sie nicht daran hindert, weiter öffentlich zu trommeln. Eine Recherche von Sebastian Reinfeldt, unter Mitwirkung von Walter Rafelsberger (Netzwerkgrafik und Recherche). Update 15.11. 16:50 Uhr mit Hinweis auf das John Snow Memorandum


Quelle: https://wieneralltag.wordpress.com/corona-uebersicht/


Alles ein technischer Labor-Tsunami?

Die Diskussion zu den nötigen COVID-Maßnahmen der vergangenen Wochen hat sich auf die Frage konzentriert, ob Schulen in allen Schulstufen geschlossen werden sollen, oder nicht. Wir orientieren uns dabei nicht nur an den steigenden Zahlen der Infektionen, der Krankenhausaufenthalte und der belegten Intensivbetten, sondern auch an den Stellungnahmen von Expertinnen und Experten. Einige von ihnen reden seit Sommer 2020 die Pandemie klein. Andere haben damit schon im April 2020 begonnen. Ein Höhepunkt dieser Kampagne ist die Aussage der Linzer Infektiologin Petra Apfalter und der Ärztekammer Oberösterreich vom September 2020. Sie meint, die damals steigenden Infektionszahlen seien lediglich einem „technischen Labor-Tsunami“ geschuldet. Mittlerweile zeigen alle Kurven steil nach rechts oben, wie die Grafik deutlich macht. Erkrankungen von Personen in unserem näheren Umfeld nehmen wahrnehmbar zu. Die Aussagen dieser Expert*innen sind also sachlich nicht zutreffend.

Kinder mit bis zu 38 Grad Temperatur und leichten Symptomen gehören in die Schule

Es steht zwar offiziell Distance Learning drauf, aber es gibt pro Woche in den BHS einen Tag, wo Werkstätte ist und wo die Schüler anwesend sind. Da hat man zwar Kleingruppen, aber wenn da jemand krank ist, steckt er diese Gruppe fast sicher auch an. (…)
Außerdem treffen sich die Schüler in den Pausen und vor allem im Bus danach. Bei uns sind die Busse voll und die Fahrt dauert durchwegs länger als 15 min. Für Schularbeiten durften die Schüler auch hereinkommen. Die Schularbeiten wurden mit sehr großen Abständen geschrieben, aber danach das Problem mit den Bussen bleibt bestehen.

Das berichtete uns vor wenigen Tagen ein Lehrer aus einer Berufsbildenden Schule im ländlichen Raum in Tirol. Halbherzige Schul-Verordnungen wirken dort in der Praxis noch nicht einmal halb. Sie haben Null-Effekt. Im Gegenteil: Die Jugendlichen stecken sich an, wenn nicht in der Schule, dann am Weg dorthin. Dennoch fordern etwa die NEOS lautstark, dass die Schulen in Österreich offen bleiben müssten. Sie sind eine liberale Partei, das ist legitim. Ebenso die SPÖ. Auch sie ist eine politische Partei, die Interessen vertritt. Wie sehen das aber die Behörden? Zumindest in Oberösterreich verharmlosen sie. Sie tun das ausgerechnet in dem Bundesland, das seit Wochen die höchsten Infektionszahlen aufweist.
In einem Dokument der Bildungsdirektion Oberösterreich von November 2020 (FAQs_Stand_06.11.2020) wird ernsthaft empfohlen, dass Kinder bis zur 4. Schulstufe auch mit erhöhter Temperatur in die Schule gehen sollten.

Für Kinder bis zum Ende der 4. Schulstufe gilt: Kinder mit leichten Symptomen, wie etwa Husten, Schnupfen, Atemwegssymptomen, jeweils ohne Fieber (d.h. Körpertemperatur unter 38°C), müssen nicht der Schule fernbleiben und gelten auch nicht als COVID19- Verdachtsfall.

April 2020: Das Rechnen mit den COVID-19 Kranken beginnt

Mit solchen Vorschlägen ist der Kampf gegen COVID-9 nicht zu gewinnen. Sie sind der (vorläufige) Höhepunkt eines medialen Feldzugs gegen Strategien, die darauf abzielen, die gesamte Bevölkerung wirksam vor Erkrankungen mit dem Virus zu schützen. Der Furor dagegen beginnt bereits im April 2020. Und er kommt ausgerechnet aus dem damaligen Stab des Ministeriums, nämlich vom Gesundheitsexperten Martin Sprenger. Damals noch in sehr moderater Form formuliert er im Interview mit Addendum:

Wir müssen bei COVID-19 aufpassen, dass die Kapazitäten unserer Krankenversorgung nicht überlastet werden. Aber wir müssen auch aufpassen, dass der Verlust an gesunden Lebensjahren aufgrund einer mangelhaften Versorgung anderer akuter und chronischer Erkrankungen nicht Faktor 10-mal höher ist als der durch COVID-19 verursachte Verlust an gesunden Lebensjahren.

Sprenger ist Public Health Experte aus Graz. An der oben zitierten Labor-Tsunami-Erklärung der Ärztekammer Oberösterreich hat er mitgewirkt. Seine Profession ist es, Kosten-Nutzen-Analysen zum Thema Gesundheit zu erstellen. Dies tut er in diesem Interview. Wir sollten uns nicht auf COVID-19 konzentrieren, meint er. Auch andere Menschen bräuchten medizinische Hilfe. Dabei suggeriert er, es müsse abgewogen werden zwischen den möglichen Toten der einen (COVID-Infizierte) und der anderen (Erkrankte mit Symptomen anderen Krankheiten). Evidenz oder Studien dazu legt er keine vor. Das Behaupten eines Experten reicht jedenfalls für mediale Präsenz. Später wird Sprenger mit seinen Thesen mehrfach Interviewgast in der ZiB 2, zuerst am 22. April 2020.

Die Stigmatisierung von “Virushörigen” durch eine Gesundheitsexpertin

Wenige Tage später geht seine Kollegin Claudia Wild rhetorisch deutlich weiter. Auch sie beschäftigt sich beruflich mit den Kosten und dem Nutzen medizinischer Maßnahmen. Dafür leitet sie ein Institut, das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA).
In einem Interview mit dem Standard von Ende April 2020 meint sie:

Schon jetzt ist es eine Rarität, wenn Menschen sich die Hand geben. Das Klima spitzt sich zu zwischen den Obrigkeits- beziehungsweise Virushörigen und denen, die sich wirklich damit auseinandergesetzt haben, ob diese lächerlichen Masken irgendeinen Unterschied bei der Ansteckung machen.

Damit macht die Gesundheitsexpertin eine rhetorisch wirksame Gegenüberstellung auf, für die es zu diesem Zeitpunkt keine wissenschaftliche Evidenz gibt. Wer sich solidarisch mit den gesundheitlich Schwachen verhält und sich einschränkt, sei obrigkeits- bzw. virushörig. Die anderen also dürfen sich als nicht-hörige Rebellen fühlen. Erkennbar sind die ersteren am Mund-Nasenschutz. Der dichotomische Zungenschlag der Aussage macht deutlich, dass hier nicht mit Zahlen und wissenschaftlichen Zusammenhängen argumentiert wird, sondern dass stattdessen rhetorische Abwertungen am Werke sind. Die Kosten-Nutzen-Kalkulationen  dahinter lassen sich zwar erahnen. Sie werden aber nicht ausgeführt.

Dabei verfolgen solche Expertinnen und Experten eine Mission.

Mission Herdenimmunität – oder: The Great Barrington Declaration

Ihre Mission ist die sogenannte „Herdenimmunität“, oder wie das Wording später lauten wird: der „gezielte Schutz“ der besonders Gefährdeten. Der effizienteste Schutz der gesamten Bevölkerung sei zu erreichen, wenn ein hoher Prozentsatz einer Population bereits immun geworden ist. Im Frühjahr 2020 verfolgten anfangs Großbritannien und Schweden diesen Weg. Sie sind damit aber krachend an der Realität der COVID-19 Infektionen und der Konsequenzen für das Gesundheitssystem gescheitert. Diese Evidenz scheint nicht zu zählen. Weiterhin werden in den Erklärungen der Fachleute, die diese Mission haben, die Normalen und Gesunden gegen die gesundheitlich Schwachen in Stellung gebracht.

Der einfühlsamste Ansatz, bei dem Risiko und Nutzen des Erreichens einer Herdenimmunität gegeneinander abgewogen werden, besteht darin, denjenigen, die ein minimales Sterberisiko haben, ein normales Leben zu ermöglichen, damit sie durch natürliche Infektion eine Immunität gegen das Virus aufbauen können, während diejenigen, die am stärksten gefährdet sind, besser geschützt werden. Wir nennen dies gezielten Schutz (Focused Protection).

Dieses Zitat stammt aus der Great Barrington Erklärung, die am 4. Oktober 2020 öffentlich wurde. Initiiert haben sie drei Epidemiologie-Professoren aus Harvard, Oxford und Stanford, namentlich: Martin Kulldorff, Dr. Sunetra Gupta und Jay Bhattacharya. Sie dient seitdem als Orientierungspunkt für diejenigen, die die Folgen von COVID-19 Erkrankungen relativieren. Nur so lässt sich ihre Strategie nämlich medial verkaufen.

Null Evidenz, stattdessen Ideologie

Allerdings sind die Grundaussagen dieser Erklärung umstritten. So ist es nicht möglich, eine so große Gruppe von Menschen nachhaltig zu schützen, ohne sie erheblichen Risiken auszusetzen. Hinzu kommt, dass das Virus auch für die Jungen und Fitten, denen ein normales Leben ermöglicht werden soll, keineswegs harmlos ist. Denn auch sie können schwer erkranken. Der Grundgedanke der Erklärung ist weder evidenzbasiert noch empirisch abgesichert, sondern ideologisch motiviert. Die Wette lautet: Wenn der freie Markt der Viren eröffnet ist, dann ergibt sich der Schutz vor Infektionen auf längere Sicht von alleine.

Einer solchen Strategie widerspricht das John Snow Memorandum. Mehr als 6900 Fachleute aus der Medizin und dem Gesundheitsbereich haben es unterzeichnet. Es schlägt harte und zeitlich begrenzte Einschränkungen vor, um die Infektionen in den Griff zu bekommen. Letztlich folgt die österreichische Bundesregierung nun diesen Maßnahmen, allerdings deutlich zu spät:

Once again, we face rapidly accelerating increase in COVID-19 cases across much of Europe, the USA, and many other countries across the world. It is critical to act decisively and urgently. Effective measures that suppress and control transmission need to be implemented widely, and they must be supported by financial and social programmes that encourage community responses and address the inequities that have been amplified by the pandemic.

Das Netz der Corona-Verharmloser*innen

Seit seinem Ausscheiden aus dem Stab des Gesundheitsministers gibt Sprenger Interviews und Statements ab, die den März-Lockdown kritisieren. So meint er im Juni 2020 gegenüber dem Onlinemedium ZackZack, dass das Herunterfahren überhaupt wirkungslos gewesen sei. Die Zahlen wären nämlich ohnedies gesunken. Doch ist Sprenger bei weitem nicht der einzige, der mit solchen Thesen in die Medien kommt. Unsere Recherchen haben ergeben, dass weitere Akteur*innen, die verharmlosen, in Fachgesellschaften, über gemeinsame Firmen und durch Buchprojekte miteinander verbandelt sind. Dies haben wir der Übersicht halber in einer interaktiven Netzwerkkarte sichtbar gemacht. In ihr sind auch einige Medienkanäle vermerkt, die bevorzugt Thesen von Personen und Institutionen aus diesem Netz aufgreifen.


Das Netz der COVID-Verharmloser*innen

In dieser Darstellung werden Verbindungen einzelner Personen und Institutionen sichtbar, soweit sie uns bekannt sind. Wer über die Zitatzeichen und Personen navigiert, findet Erläuterungen und Zitate mit Belegen. Auch lässt sich problemlos hineinzoomen. In der Detailansicht finden Sie weitere Anmerkungen zu unserer Visualisierung.


7. Oktober 2020: Angst vor Corona sei völlig überzogen

Am Mittwoch, den 7. Oktober 2020, sitzen im Wiener Café Museum vormittags vier Männer in einer Reihe eng beisammen. Ihr Abstand zueinander beträgt weniger als einen halben Meter. Obwohl Mediziner, tragen sie keine Masken. Doch das ist Programm. Die Herren halten auf Einladung der Initiative evidenzbasierte Corona Informationen eine Pressekonferenz ab. „Mediziner: Angst vor Corona völlig überzogen“ , heißt es in einer Aussendung der Initiative dazu. Es sprechen: Andreas Sönnichsen, Martin Haditsch, Christian Fiala und Christian Schubert. Die Mediziner sind sich einig, dass die Corona-Gefahr übertrieben dargestellt werde, dass die Maßnahmen nicht evidenzbasiert seien und deren Folgen aber wesentlich gefährlicher seien als das Virus. Kritik kommt insbesondere an der sozialen Isolierung, an der Verpflichtung zum Mund-Nasen-Schutz ebenso wie an der Teststrategie. In einem Volksbegehren fordern sie, dass sämtliche (!) Pandemie-Gesetze aus diesem Jahr aufgehoben werden.

Andreas Sönnichsen: Durch unser Gesundheitssystem verlernen wir Eigenverantwortung

Sönnichsen, der die Abteilung für Allgemeinmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien leitet, präsentiert in der Pressekonferenz das 1×1 neoliberaler Gesundheitsforschung. Dabei behauptet er eine ungünstige Kosten-Nutzen Analyse bei den COVID-19-Maßnahmen nur. Er führt sie in Zahlen nicht aus. Spannend wäre die Frage, wie hoch oder niedrig er dann die Toten beziffern würde? Zudem holt Sönnichsen zu einem rhetorischen Rundumschlag gegen das nachgewiesen gute Gesundheitssystem Österreichs aus.

Ist es wirklich notwendig, dass man wegen jedem Wehwehchen zum Doktor rennt? In Schweden tun das die Menschen auch nicht – und sie sind nicht kränker. Durch unser Gesundheitssystem haben wir unsere Bevölkerung dazu erzogen, Eigenverantwortung an der Garderobe abzugeben.

Zwei Tage nach dieser Präsentation ist der Public Health-Experte Sönnichsen mit seinen Thesen in der ZiB2. Auch bei der ORF-Sendung Im Zentrum sitzt er schon im April 2020 per Video-Zuschaltung in der Runde. Aber er verbreitet seine Thesen auch gerne in dubiosen Kanälen. So war Sönnichsen im April 2020 bei Punkt.Preradovic . Das ist ein Youtube-Kanal, über den laut correctiv.org reihenweise fragwürdige und unbelegte Corona-Informationen verbreitet werden. Betrieben wird er von der Journalistin Milena Preradovic.

Haditsch: Es gibt keine Evidenz und es gibt ungeeignete Tests

Der Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, Infektiologe und Tropenmedizin, Martin Haditsch hinterfragt auf der Pressekonferenz die PCR-Tests. Er schürt damit Zweifel an den Testergebnissen, die bereits zum Zeitpunkt der Pressekonferenz ansteigen. Er behauptet, PCR-Tests

sind hervorragend zur Diagnosestellung bei Erkrankten geeignet, nicht jedoch für die Untersuchung Gesunder und auch hierfür nicht zugelassen. Sie werden nun missbräuchlich verwendet.

Auch hier ergibt der Faktencheck von correctiv.org: Nein, aktuelle PCR-Tests haben keine Fehlerquote von 30 bis 50 Prozent und sie sind auch für einen Test bei Gesunden geeignet. Das bestätigen eine Reihe von Laboren, Studien und der deutsche Virologe Christian Drosten.

Christian Fiala: Masken gefährden Föten

Ein äußerst dubioser Sprecher im Rahmen der Pressekonferenz ist Christian Fiala. Er verkörpert nicht nur die einladende Initiative für evidenzbasierte Corona Information. Zweifelhafte Berühmtheit erlangte der Gynäkologe mit seinen Thesen zur AIDS. Er behauptete nämlich,  „dass das Ansteckungsrisiko bei Vaginalverkehr objektiv nicht nachweisbarsei. Auch zu COVID-19 hat er so seine eigenen Ansichten:

Hervorheben möchte ich noch das mögliche Risiko für schwangere Frauen durch das Tragen einer Maske. Weil sich dabei CO2 (Kohlendioxid) im Körper ansammelt, auch im Fötus. Aus der Erfahrung wissen wir, dass eine behinderte Atmung bei der schwangeren Frau zu Entwicklungsverzögerungen beim Fötus führen kann.

Schubert: Aufhebung aller Einschränkungen

Der Vierte im Bunde ist Christian Schubert, Psychoneuroimmunologe. Schubert tritt, wie andere auch, beim Corona-Quartett im Servus TV auf. Immer in der Rolle eines Corona-Verharmlosers. Dabei bezieht er sich auf die möglichen psychischen Schäden bei Kindern und Jugendlichen durch die Isolierung.

Die Belastungen ergeben sich auch durch die immer noch existierenden Einschränkungen, Auflagen und Verbote, die Kinder tagtäglich mitmachen müssen, im privaten Bereich und ganz besonders auch im Kindergarten und in der Schule.

Daher plädiert er dafür, dass sämtliche Einschränkungen aufgehoben werden. Was zu einer ungebremsten Durchseuchung führen würde – mit allen Konsequenzen. Doch die führt er selbstverständlich nicht aus.

Hausärzte sollen die Test-Kontrolle übernehmen

Eines der Ziele der Barrington-Lobbygruppe in Österreich ist es, die Glaubwürdigkeit und die Zahl der Tests zu reduzieren, um damit den Ruf nach weiter einschränkenden Maßnahmen zum Verstummen zu bringen. Dazu passt, dass sich nun auch die Allgemeinmediziner*innen zu Wort melden. Sie wollen in ihren Ordinationen auf Corona testen. Warum das?

Nicht-Symptomatische zu testen macht keinen Sinn. (…) Beruhigen den Patienten: Unter 60 ist das eine Erkrankung, die in der Regel mit wenigen Symptomen verläuft oder asymptomatisch. Sorgen muss man sich machen um die älteren Patientinnen und Patienten, Immunsupprimierte, chronisch kranke Menschen, das wichtigste am Anfang ist der Kontakt mit dem Hausarzt. 

So erläutert der Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein während der Pressekonferenz am 20. Oktober 2020 die Zielsetzung der Initiative. Es geht offenbar darum, in den Ordinationen die Zahl der Tests zu drücken und damit auch die Zahl möglicher positiver Ergebnisse. „Flatten the curve“ durch weniger Tests, könnte man sagen.

Der Rahmen dieser Präsentation ist offiziell. Wir sind nicht im Kaffeehaus, sondern im Ministerium. Auch Gesundheitsminister Anschober redet. Vor den Ausführungen von Mückstein hat Susanne Rabady, die Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin, die neue Teststrategie vorgestellt. Ihre Ordination liegt in Niederösterreich. Bei Hausärzten darf (und soll) ab jetzt getestet werden. Sie ist sehr glücklich über diese Möglichkeit, sagt sie. Susanne Rabady ist Mitglied der Corona-Ampel-Kommission der Bundesregierung.

Gute Geschäfte der Expert*innen

Aber: Nicht nur von der Rhetorik her finden wir im Biotop der „evidenzbasierten Medizin“ diejenigen, die seit Wochen und Monaten COVID-19 verharmlosen. Organisiert sind die Evidenzbasierten in einem deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin. Andreas Sönnichsen ist der Erste Vorsitzende dieser Vereinigung. Er hat mit der niederösterreichischen Ärztin Susanne Rabady, die auf der Hausärzte-Pressekonferenz gesprochen hat, nicht nur die Guidelines der Evidenzbasierten Medizin mit herausgegeben. Gemeinsam bilden sie auch die Geschäftsführung der Gesellschaft für Evidenz- und Leitlinienimplementierung in der Allgemeinmedizin und sie sind zusammen an einer Firma beteiligt. Die IWIMED bietet Dienstleistungen für Ärzte an, von einer Datenbank über eine Online-Präsenz bis hin zu Richtlinien (die der evidenzbasierten Medizin natürlich). Sönnichsen und Rabady halten jeweils 16,67 Prozent der Gesellschaftsanteile. Auf Semiosis-Nachfrage über einen möglichen Einfluss dieser Kooperation auf ihre Expertise erläutert Susanne Rabady:

Ich bemühe mich, meine Einschätzungen nicht aus Abgrenzung oder Nicht-Abgrenzung von wessen Meinung auch immer zu gewinnen, sondern über möglichst sorgsame, breite Information aus nachprüfbaren Quellen.

Tiroler Adlerrunde: In der Krise liegt die Kraft

Eine Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens wirkt sich auf alle Bereiche der Gesellschaft aus. Am lautesten werden dabei die ökonomischen Auswirkungen der Branchen diskutiert, die über die mächtigsten Interessensvertretungen verfügen. In Tirol versammeln sie sich bekanntlich in einer eigenen Vereinigung, der Tiroler Adlerrunde. Am 14. September 2020 organisieren die Adler eine öffentliche Diskussionsveranstaltung. Motto: In der Krise liegt die Kraft. Der gesamte Inhalt der Reden, die dort gehalten werden, ist im Zusammenhang von Pandemie-Bekämpfung nicht so wichtig. Sie können nachgehört werden. Es reden jedenfalls Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck („Infektionen finden selten in Firmen statt, sie finden im Privaten, im Familienkreis statt.“), der Chef der Wiener Börse Christoph Boschan („Bildung ist der beste Anlegerschutz„), Ex-NEOS-Politiker Matthias Strolz und die Therapeutin Martina Leibovici-Mühlberger. Außerdem Doris Felber (Bäckerei Felber), Adler-Präsident Klaus Mark und Mario Altenburger von der Bank of China. Moderiert wird diese Veranstaltung von Anita Heubacher von der Tiroler Tageszeitung.

Der pragmatische Umgang  mit der Krise

Die Tiroler Journalistin ist publizistisch in Sachen Corona aktiv. In einer Reihe von Kommentaren fordert sie (mit Rücksicht auf die Wirtschaft) mehr Pragmatismus im Umgang mit COVID-19. Dabei greift sie eine Reihe der Behauptungen der COVID-19 Verharmloser*innen auf und führt sie als vorgeblich seriöse Argumente in den öffentlichen Diskurs ein. Etwa in dem Text Welle, Delle Dauerwelle vom 5. August 2020. Oder aber in Positiv, aber nicht infektiös: PCR-Test braucht Differenzierung vom 7. November 2020. 

In ihrem Kommentar Die Schar der Lemminge (!) vom 19. Oktober gibt sie das Programm der Great Barrington-Erklärung wieder, ohne diese zu erwähnen:

Es braucht endlich einen pragmatischen und rationalen Umgang mit dieser Infektion. Es geht primär darum, verletzliche Menschen bestmöglich zu schützen, sowohl medizinisch als auch gesellschaftlich, und durch einfache Hygienemaßnahmen und etwas Vorsicht die Zahl der Corona-Fälle zu reduzieren. Wir können eine Infektion wie diese nicht besiegen, wenn wir dafür die Grundlagen unseres Zusammenlebens aufs Spiel setzen.

Einer der Gewährsleute, den sie oft zitiert, ist Franz Allerberger von der AGES. So betitelt die Tiroler Tageszeitung am 21. Juli 2020 ein Interview von ihr mit Franz Allerberger mit einem beliebten Schlagwort der Corona-Verharmloser: Kein Beleg für Maskenpflicht.



Allerberger: COVID-19 ist harmloser als die saisonale Grippe

Von all den Genannten hat sicherlich die AGES den intensivsten beratenden Zugang zu Gesundheitsminister Rudi Anschober. Das Kürzel steht für Agentur für Ernährungssicherheit. Sie ist eine Organisation in staatlicher Hand. Konkret verantwortlich als Eigentümervertreter sind das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Eine der zahlreichen Aufgaben der AGES ist es, das Gesundheitsministerium in Fragen der Öffentlichen Gesundheit zu unterstützen. Die beiden Leiter des AGES kommen aus dem Bereich der Landwirtschaft. Sie haben mit Medizin nichts am Hut. Zum Vergleich: Das Robert Koch-Institut, das in Deutschland für alle Fragen der Übertragung menschlicher Krankheiten zuständig ist, kann dort als eigenständige Bundesbehörde agieren.

Das „Geschäftsfeld“  Öffentliche Gesundheit der österreichischen AGES leitet Franz Allerberger. Er äußert sich regelmäßig in den Medien, und das mitunter auf seltsame Weise. So erklärt er etwa am 25. Oktober 2020, als die Zahlen bereits deutlich ansteigen, bei Claudia Stöckl in der Ö3-Sendung Frühstück bei mir:

Der Großteil der Österreicher, sicher 90%, sind noch voll empfänglich gegen diesen Erreger, ein Erreger, der bei weitem nicht so schlimm ist, wie wir gefürchtet haben. Ich möchte ja nicht sagen, harmlos, denn harmlos ist er nicht, aber für Kleinkinder und dergleichen nochmals, harmloser als die saisonale Grippe, und aus dem Grund sehe ich das ganz gelassen.

Damit wiederholt Allerberger in einer beliebten Radiosendung mit großer Reichweite das zentrale falsche Argument der Corona-Verharmloser*innen. COVID-19 sei weniger schlimm als eine Grippe. Zur gleichen Zeit füllen sich die Krankenhäuser wieder mit COVID-19 Patienten aus der Altergruppe von 40 bis 55 Jahren.

Der Mund-Nasen-Schutz hat keinen messbaren Effekt

Auch bei Thema Mund-Nasen-Schutz drückt er sich zumindest missverständlich aus und greift die Behauptungen der Verharmloser*innen auf. Während das Robert Koch-Institut das Tragen der Masken empfiehlt und von einer Wirksamkeit ausgeht, meint Allerberger nicht zum ersten Mal:

(W)ir haben bis zum heutigen Tag keinen Beleg, dass das großflächige Ausrollen von Mund-Nasen-Schutz den Effekt hat, den die Leute sich erhoffen. Wir können nicht belegen, dass die Einführung der allgemeinen Mund-Nasen-Schutz Pflicht – denken sie, wie das gekommen ist, für die Supermärkte und Apotheken ursprünglich -, dass es irgendeinen messbaren Effekt hat.

Wir stellen das gesamte Transkript der Aussagen Allerbergers bei Frühstück bei mir zum Download zur Verfügung. (Danke an den Blog Wiener Alltag)

Verharmlosende Informationen der AGES

Ist das nur (s)eine Einzelmeinung? Nein. Ein weiteres Beispiel: Die AGES veröffentlicht regelmäßig aktuelle FAQ zum Coronavirus im Internet und in Form eines PDFs, das an Interessierte und Medien versendet wird. Herausgeber: Die AGES Risikokommunikation. Mitte Juli wurde ein Exemplar, das Basisinformationen zu Corona verbreitet, per Mail versendet. Zu diesem Zeitpunkt enthält es eine Reihe falscher und veralteter Informationen. Wir stellen es zu Dokumentationszwecken hier zur Verfügung, weisen allerdings darauf hin, dass es bereits zum Zeitpunkt des Erscheinens nicht dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprach. Download: Coronavirus_FAQ_2020-07-09.

Durchgängig wird im Text nämlich der Übertragungsweg des Virus über kleinste Schwebeteilchen in der Luft, die Aerosole, ausgeblendet. So heißt es etwa auf Seite 6:

Gesichtsvisiere können als Mund-Nasen-Schutz verwendet werden,

obwohl seit 2014 (!) wissenschaftlich bekannt ist, das diese zwar ‚große‘ Tröpfchen blockieren, nicht aber kleinere Tröpfchen, die Aerosole.

Die Sache mit den Aerosolen

Auf Seite 24 dieser FAQ findet sich die Aussage:

(D)irekter persönlicher Kontakt (länger als 15 Minuten, Abstand unter 1 Meter) stellt derzeit den bedeutendsten Übertragungsweg dar.

Auch diese Aussage ist im Juli 2020 veraltet und irreführend. So hat der Virologe Christian Drosten in seinem NDR-Podcast bereits im Mai 2020 die Bedeutung der Aerosol-Infektion angesprochen. Er geht davon aus, dass mindestens 50% der Infektionen über Aerosole geschieht und nicht mehrheitlich über Tröpfchen, wie ursprünglich vermutet. Dieser Meinung sind auch 239 (!) Wissenschaftler, die sich am 6. Juli in einem offenen Brief It Is Time to Address Airborne Transmission of Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) an die WHO gewandt haben. Sie sagen:

There is significant potential for inhalation exposure to viruses in microscopic respiratory droplets (microdroplets) at short to medium distances (up to several meters, or room scale), […]“

Ihre Aussagen beziehen sich zudem auf eine Reihe von Studien, die zum Thema veröffentlicht worden sind. Entsprechend falsche und verharmlosende Empfehlungen der AGES finden sich auch auf Seite 27:

Das Virus wird von einer erkrankten Person auf eine andere durch Tröpfcheninfektion z.B.Husten, Niesen übertragen.

Und nochmals auf Seite 30. Dort definiert die AGES Kontaktpersonen mit hohem Infektionsrisiko ausschließlich über den engen Kontakt, also über einen Abstand von unter zwei Metern. Es fehlt der Hinweis, dass in geschlossenen Räumen auch mehrere Meter nicht ausreichen, wenn keine Frischluftzufuhr vorhanden ist und keine Masken getragen werden: Wegen der Aerosole.

Die AGES hat im Juli 2020 also diese Übertragung durch Aerosole verleugnet. Das steht fest. Wenn sie dies auch in den Empfehlungen an die Regierung getan hat, so wäre dies eine Erklärung dafür, warum so lange gewartet wurde, die neuerliche Ausbreitung des Virus effektiv einzudämmen. Denn man hat einen wichtigen Übertragungsweg nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Wer kritisch hinterfragt, sollte nicht als Corona-Leugner stigmatisiert werden

Medizinische Expert*innen können eine Gefahr durch COVID-19 nicht leugnen. Allenfalls relativieren und verharmlosen sie diese. Dabei ist es eine beliebt Verteidigungsrede, sich nur als Kritikerin zu geben, die nicht leugnet (was niemand behauptet hat). Dies tut Andrea Siebenhofer-Kroitzsch. Die Professorin für Allgemeinmedizin kommt ebenfalls aus dem Biotop der Evidenzbasierten. So lehrt sie evidenzbasierte Versorgungsforschung und ist Sprecherin des österreichischen Zweigs des deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Seit Sommer 2020 tritt sie letztlich erfolgreich dafür ein, dass auch Hausärzte testen können sollten.

Mit 3. September 2020 hat Gesundheitsminister Anschober auch sie in die Corona Ampel-Kommission berufen. In den Medien wird berichtet, dass sich die Kommission bis zuletzt mehrheitlich gegen Schulschließungen im zweiten Lockdown ausgesprochen hat.

Auf dem Primärversorgungskongress 2020, der Online abgehalten wurde, moderiert Siebenhofer-Kroitzsch die Podiumsdiskussion Primärversorgung in Zeiten einer Pandemie. Eingangs formuliert sie:

Wer kritisch hinterfragt, sollte nicht als Corona-Leugner stigmatisiert werden.

Später dann:

Mittlerweile wissen wir auch, dass Kinder nicht Treiber der Infektionen sind. Wir wissen auch, dass sie sich weniger anstecken, kaum Virenüberträger sind.

Mit am Podium sitzen übrigens neben der steirischen Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) die Experten Martin Sprenger und Franz Allerberger.

Die Hypothese von Martin Sprenger

Wird die Bundesregierung also falsch beraten? Was wir wissen ist, dass ein seltsames Netz von Expertinnen und Experten erfolgreich Einfluss auf die Entscheidungen des Gesundheitsministerium nimmt. Siehe das Thema Tests bei Hausärzten. Was hinter den verschlossenen Türen der Ampel-Kommission vor sich geht, wissen wir jedoch nicht. Die Beratungen sind nicht-öffentlich (warum eigentlich?) und es sind keine Mitschriften nachlesbar.

So hat das (vorläufige) Schlusswort unserer Recherche wiederum Martin Sprenger. Am 9. November 2020 veröffentlicht er auf Facebook acht Hypothesen, die (ganz evidenzbasiert natürlich) „gerne von offizieller Seite falsifiziert oder verifiziert werden können“ , wie er schreibt. Seine letzte These lautet bezeichnende Weise:

Hypothese 8: Österreich hat eines der am besten ausgebauten und ausgestatteten Gesundheitssysteme der Welt. Vor allem im Akutbereich, in der stationären Versorgung. Trotz vorgezogener Virensaison (SARS-CoV-2 Welle und Grippewelle) wird es zu keiner Überforderung der Versorgung kommen.

Was muss noch geschehen, dass eine solche Aussage bei den evidenzbasierten Expert*innen als falsifiziert und damit widerlegt gilt? Wie viel Wirklichkeit gibt es in ihrer Evidenz?

19 Gedanken zu „Falsch beraten? Das Netz der Corona-Verharmloser*innen“

  1. An dem Blog sieht man gut was jäufig ds Problem von Mathematikern ist. Sue verstehen nicht, dass die Zahlen nicht die realität sind, das Bild nicht die Wirklichkeit. Er ignoriert zb die Existenz von falsch-positiven Testergebnisse, weil er als Mathematiker glaubt, man könne exakt messen. Was natürlich nicht stimmt.
    Und die Verschwörungstheorie, die hier ausgebreitet wird ist geradezu abenteuerlich.

    Antworten
    • Ich ergänze noch, dass hier natürlich die Todesfälle als Folge des Lockdown unterschlagen werden, die Millionen Todesfälle durch verhungernde Kinder, durch verschobene Behandlung und Impfungen gegen Malaria, Tbc, HIV etc, die 1,6 Milliarden Arbeitslosen weltweit laut ILO – nachzulesen bei den diversen UN-Organisationen und der WHO. 2019 gab es 5253 Todesfälle durch Atemwegserkrankungen in Österreich – todesfälle 2. Klasse?
      Hier die Übersterblichkeit in den 6 WochenLockdwon verursacht durch die Maßnahmen (nur 4,2% davvon durch CV19):
      https://tkp.at/2020/11/15/lockdown-massnahmen-verursachen-uebersterblichkeit-bei-juengeren/

      Antworten
    • Das Negieren der Mathematik ist eine ganz schwere Verwirrung. Bei ungebremsten Exponentiellen Wachstum geht es nicht um kleine Ungenauigkeiten, sondern um fundamentale Prinzipien. Auswirkung: Selbst wenn man sich um Größenordnungen irren würde, kommt das schlimme Ende nur etwas verzögert.
      Insbesondere die oftmals genannte Legende von den Falsch-Positven ist aufgrund der bekannten Zahlen eine glatte Lüge. Unterschied ist 98% zu 99,99% Spezifität (!)
      Aufwühlend ist jedoch die Geschichte, dass in Wien am Abend die nicht Getesteten nach Hause geschickt werden, um dann ein ungetestet einen positiven Befund zu bvekommen (?!)

      Antworten
  2. Holla, so viel Fehlinformation und Fake News auf einem Haufen habe ich ja noch selten gelesen. Ich greife mal nur die Behauptung heraus, die Intensivstation würden sich mit 40-50-Jährigen füllen. Hier empfehle ich das sehr realistische Interveiw mit dem Leiter der COVID-Intensivstationen im KFJ-Spital in Wien, Primar Dr. Christian Wenisch: https://www.puls24.at/video/infektiologe-christoph-wenisch-im-interview-bei-milborn. Interessant auch, dass laut AGES-Dashboard gerade 581 Intensivbetten belegt und 560 frei sind. Aber die Zahlen hat Herr Allerberger sicher gefälscht, um die Krise zu verharmlosen. Auch die Todesfallstatistik sollte sich Herr Reinfeldt mal genauer anschauen, bevor er so viel Unsinn schreibt.

    Antworten
    • Hallo, wie Sie wissen, habe ich Sie per Mail um Stellungnahme gebeten. Sie haben leider – im Unterschied zu anderen – nicht geantwortet. Zu den Intensivbetten: 581 belegte Intensivbetten zu 560 freien Betten. Was bedeutet das für die Gesundheitsversorgung? Ist das ein „guter“ oder ein besorgniserregender Wert? Was meinen Sie als Experte?
      Seit einiger Zeit nimmt auch die Zahl der COVID-19-Toten zu. Unbestreitbar. Ab wann sehen Sie da eine problematische Grenze erreicht. Was meinen Sie als Experte dazu?

      Antworten
    • Sie wollen ernsthaft behaupten, dass über 500 Intensivbetten freistünden und gelangweiltes Personal nur darauf wartet, dass endlich mal ein Patient vorbeischaut?
      Oder ist es in Wahrheit nicht doch eher so, dass diese Betten nicht frei sind, sondern in diesen andere Patienten liegen, weil sie nämlich intensivmedizinisch versorgt werden müssen (von Schlaganfall bis Unfall), und diese Betten mit dem weiteren Anstieg der Covidfällen freigemacht werden müssen. Was nichts anderes heißt, als dass die Versorgung der anderen Patienten empfindlich reduziert wird.
      Wo wir schon dabei sind: vielleicht können Sie ja herausfinden, wo die Schlaganfall- und Hirntumorpatienten der Intensivstation der Innsbrucker Neurochirurgie verblieben sind. Das ist nämlich mittlerweile eine Covidstation. Gibt es in Tirol keine Schlaganfälle und Hirntumore mehr?

      Antworten
      • Die 500 Betten waren zu dem Zeitpunkt tatsächlich frei.

        Wir haben in Österreich etwa 2.400 Intensivbetten. Rund 1000 davon waren zum Zeitpunkt dieses Blogeintrags für Covid-Patienten reserviert, etwas mehr als die Hälfte davon belegt.

        Antworten
    • S.g. Hr Sönnichsen,
      Dem Artikel pauschal Fake News zu unterstellen, zeugt nicht gerade von Souveränität. Angesichts der aktuellen Situation wäre vielleicht etwas weniger Selbstbewusstsein angebracht, schon aus Respekt vor Patienten und Personal in den Spitälern.
      Von Ihnen (wie auch Ihren Mitstreitern) höre ich in zahlreichen Medienauftritten immer nur Kritik an Masken, Tests und Beschränkungen, aber keine konkreten Lösungsansätze. Dafür die Forderung nach mehr Evidenz, die Sie bei diversen eigenen Thesen aber nicht liefern.

      Zum Alter der Patienten: abgesehen davon, dass der Autor von Krankenhäusern und nicht von Intensivstationen schreibt, nannte eine Oberärztin der Intensivstation der Klinik Hietzing letzte Woche in Wien Heute (leider nicht mehr online) das Alter ihrer Patienten mit durchwegs unter 60. Muss nicht repräsentativ sein, aber bettlägrige 90jährige Pflegeheimpatienten landen idR nicht mehr in den ICUs, derzeit wohl umso weniger.

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  3. Sehr geehrter Herr Reinfeldt,

    mein Anwalt überprüft gerade, ob die von Ihnen gemachten Aussagen zu meiner Person mit meinen Äusserungen bei der besagten Pressekonferenz in Wien übereinstimmen. Ich trete jedweder Diffamierung und Diskreditierung meiner Person entschieden entgegen, sollten Sie das noch nicht gewusst haben.

    Einen schönen Restsonntag!

    C Schubert

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    • Wien (OTS) – Auf Einladung der ICI (Initiative für eine evidenzbasierte Corona-Information) gaben heute mehrere namhafte Mediziner eine Pressekonferenz in Wien. Die Mediziner sind sich einig darin, dass die Corona-Gefahr völlig überzogen dargestellt wurde, die Maßnahmen nicht evidenzbasiert deren Folgen aber wesentlich gefährlicher sind als das Virus. Kritik kommt insbesondere an der sozialen Isolierung, der Verpflichtung zum MNS ebenso wie an der PCR- Teststrategie.

      https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201007_OTS0081/mediziner-angst-vor-corona-voellig-ueberzogen

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      • Sehr geehrter Herr Reinfeldt!
        Danke für Ihre ausführliche und fundierte Recherche. Ich bin selbst als Arzt mit der Pandemie konfrontiert und stimme Ihnen 100% zu. Diese Verharmloser und Ignoranten von wissenschaftlichen Erkenntnissen sollten beim Namen genannt werden und für Ihre Aussagen zur Rechenschaft gezogen werden. Schließlich haben sie damit zur Leichtsinnigkeit im Umgang mit SARS-COV2 in der Bevölkerung geführt und letztlich auch zu vielen unnötigen Erkrankungen und Todesfällen geführt.

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  4. Eigenartig auch, dass man zwar als SARS1 drohte, das Erstellen von Pandemieplänen (getrennte Teams, Schutz der Schlüsselkräfte, Abstand, Handdesinfektion, MNS, Tamiflu) bis in die Betriebe hinein verlangt hat seitens der Gesundheitsbehörden, detto anlässlich von Vogel- und Schweinegrippe ein paar Jährchen später, 2020 aber auf höchster Ebene völlig planlos dahintappt. Ich hab meine alte Unterlagen mit 1 Griff aus der Lade gezogen – da steht alles drin. Wo sind die Pläne der Ministerien für Schulen, Betriebe etc.? Alles geschreddert?

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  5. Danke für diesen wichtigen Artikel!

    Ich finde nur, man sollte das „evidenzbasiert“ hier in Anführungszeichen setzen. Denn prinzipiell ist evidenzbasierte Medizin ja durchaus erstrebenswert. Problematisch ist eher, dass momentan einige Vertreter der „evidenzbasierten Medizin“ dogmatisch darauf beharren, dass es keine Evidenz für die derzeitigen Maßnahmen gibt – was natürlich (zumindest für die Situation im Frühjahr) größtenteils korrekt ist.

    Dies liegt allerdings darin begründet, dass die derzeitige Situation singulär ist und die einzige Evidenz für eine Pandemiesituation (in Europa) wohl aus Zeiten der spanischen Grippe kommen könnte. Dieser Dogmatismus der sich in dem Beharren äußert man solle aus Mangel an Evidenz (also Ergebnissen in optimalerweise doppelverblindeten Studien) in einer singulären Situation, wo also per Definition keine/kaum Evidenz existieren kann, doch einfach lieber gar nichts machen, ist das Problem, nicht evidenzbasierte Medizin an sich.

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